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  • Text und Fotos: Daniel Soriano
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  • 19.08.2013

Wohin nur, wo?

Viele Studenten lernen am liebsten zu Hause. Hier sind sie ungestört und haben alles Notwendige direkt zur Hand. Doch schnell kann einem die Decke auf den Kopf fallen und man leidet unter der Isolation. Was tun? Die Bücher in den Rucksack packen und ab nach draußen! Lokalredakteur Daniel Soriano hat in Freiburg einige Örtlichkeiten ausgekundschaftet, an denen man entspannt seinen Schmöker aufschlagen kann.

Der Himmel ist wolkenlos, die Thermometer glühen, die Freibäder platzen aus allen Nähten, die Geisteswissenschaftler schwärmen aus und reisen um die Welt, nur der Freiburger Medizinstudent quält sich noch durch Vorlesungsskripte, dicke Wälzer und Lernkarten. Die Nase in formalingetränkte Anatomiebücher vergraben, träumt er von der Zeit, als der Sommer noch vornehmlich außerhalb der eigenen vier Wände stattfand. Doch mal ehrlich: Die WG-Küche eignet sich doch aufgrund ihrer Verleitung zur Kommunikation und Schokolade genauso wenig zum Lernen, wie das eigene einsame Zimmer. Also, Sonnencreme eingepackt, raus aus der Wohnung – aber wohin dann?  

 

Der Klassiker – Der Weißmannsaal

Schon dem unbefleckten Erstsemestler wird dieser Saal in die Medizinstudium-Wiege gelegt. Hier locken die nach Druckerschwärze und schwitzigen Händen duftenden Bücher der Präsenzbibliothek, genauso wie eine Reihe von Gummi und Hartplastik-Präparate von allen möglichen Knochen, Extremitäten, Bändern, Muskeln. Aus diesem Grunde eignet sich die Räumlichkeit vorzüglich zum rekapitulieren der anatomischen Grundlagen. Wer ein wenig sucht, findet hier zudem ein stattliches Wachsfigurenkabinett von allerhand obskuren Hauterkrankungen als Appetittzügler. Im Sommer überwiegt in diesem schlecht lüftbaren dachgeschössigen Brutkasten allerdings der Muff ungewaschener Füße, was nur hartgesottene Mediziner dazu verleitet hier ihre Lernstunden zu verbringen. Ein weiterer großer Nachteil dieses medizinereigenen Lesesaals ist die beschränkte Größe: ein paar Handvoll Studenten finden hier Platz, sodass in Klausurzeiten dieser Saal nicht der Nachfrage genügt. Das Gebäude gegenüber ist das Chemie-Hochhaus, von dem man eine prächtige Aussicht auf die Freiburger Innenstadt hat. Zwischen den Etagen sind immer wieder Sitzecken eingebaut, in denen man die Möglichkeit hat, in einem gediegenen Ambiente zu lernen. Allerdings haben die Chemiker selbst ein Platzproblem, weshalb vor ihrer Bibliothek und dem Hochhaus in der heißen Klausurenphase Schilder wie "Mediziner – wir müssen draußen bleiben" zu finden sind.

 

Noch ein Klassiker – Der Stadtpark

Wen lauthals kreischende Kinder, Fußbälle, Schattenboxen, halbnackte Capoierakämpfer und -kämpferinnen, Seilakrobaten, das Plätschern von Wasser, das Quaken der Enten, bellende Hunde und umherfliegende Frisbees nicht vom Lernen abhalten können, findet hier entweder unter einem der vielen Bäume oder in der prallen Mittagssonne immer einen Platz. Wer zwischen lernintensiven Stunden Entspannung sucht, kann gegen einen der zigarrerauchenden Veteranen auf dem überdimensionierten Schachbrett antreten oder auch die Füße im Ententeich baumeln lassen.

 

Ein stilles Örtchen – Der Alte Friedhof

Was makaber klingt, ist in Wirklichkeit ein Geheimtipp. Die an diesem Ort der Ruhe und des Friedens Darniederliegenden sind schon seit gut hundert Jahren verstorben und der Ort ihrer letzten Ruhe ist jetzt ein Park. Wo wäre es für einen Freiburger Medizinstudenten passender zu lernen, als unter den Jahrhunderte alten Kastanien, zwischen vermoosten Grabsteinen mit längst verblassten Namen? Denn der Studiengang hier hat sich wahrscheinlich seit jeher nicht wirklich verändert …

 

 

Exotisch – Der botanische Garten

Hier ist es ruhiger als in den anderen Parks der Stadt und durch die Nähe an das biologische Institut verfügt diese Grünanlage neben seltsamen Pflanzen auch über ein beinahe einwandfreies W-LAN, was diesen Ort für ein Stündchen impp-Fragen Kreuzen prädestiniert.  

 

Klinisch – Die Klinik

Hier, zwischen elektrolyt-infundierten, verkabelten Patienten in Popo-freien Flügelhemden, rauchenden Pulmonologen, verschwitzten Fahrradkurrieren und seltsamerweise gemütlich umher spazierenden Notärzten, fühlt man sich der Praxis gleich viel näher als sonst. Jede Seite eines medizinischen Lehrbuches hat nun viel mehr Gewicht, wenn man sich immer wieder vor Augen halten kann, wofür man Schweiß und Tränen lässt.

 

Die Krönung der Bibliotheken – Die UB1 in Littenweiler

Sie ist groß, sie hat Bücher, sie hat Platz, Ruhe, ein Café und ist somit der Gold-Standard in Sachen "auf Examina lernen". Sie ist allerdings auch für die meisten Studenten nicht gerade der Nabel der Welt, sondern eher abschreckend weit außerhalb der Innenstadt gelegen. Wer sich aber ab 19 Uhr – die UB1 hat rund um die Uhr geöffnet – auf den Weg macht, kann mit seinem Studentenausweis kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und so direkt vor die Türe der Bibliothek gefahren werden.   Fazit: Wenn es nicht regnet und man ein Paar Oropax bei sich trägt, finden sich in Freiburg viele gemütliche Orte, an denen man sein Bücher-Repertoire auspacken kann – Gerüchte sind in Umlauf geraten, dass sich Studenten sogar zu Meuten zusammenrotten, um dem frischluftreichen Lernen zu frönen. Naja, ein Versuch kann nicht schaden.