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  • Interview
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  • Lara Cömert
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  • 31.01.2018

Wie lerne ich am besten?

Im Interview verrät Lerncoach Anna Nguyen viele Tipps, die dir das Lernen für Prüfungen erleichtern.

>Wann sollte ich mit dem Lernen für eine Prüfung beginnen?

Das kommt auf den Lerntyp an. Manche Menschen sind am effektivsten, wenn sie ausreichend Zeit vor der Prüfung haben, andere wiederum lernen unter Zeitdruck am besten.

>Wie kann ich schnell und einfach auswendig lernen?

Wenn Sie Lernmethoden einsetzen, wie es auch die Gedächtnisweltmeister machen. Hier kommt es auf den Lerninhalt an, welche Technik jeweils zu empfehlen ist. Beispiele hierfür sind die Geschichtentechnik, die Zahlentechnik, die Loci-Methode sowie Körper- oder Raumanker.

>Wie lernt man am besten? (Karteikarten, Abtippen, Graphiken zeichnen, YouTube)?

Es gibt nicht die EINE Lernmethode, die für jeden funktioniert. Es kann sogar sein, dass während der Schulzeit eine bestimmte Lernmethode gut funktioniert und im Studium scheitert man mit genau dieser Methode. Allgemein gilt, dass man möglichst unterschiedliche Sinneskanäle einbinden sollte und der Lernerfolg am größten ist, wenn die Lerninhalte am Anfang oder Ende eines Lernabschnitts präsentiert werden, man sie mit vorhandenem Wissen verknüpft, sie auffallen und mit Gefühlen verbunden sind.

>Wie viele Pausen am Tag werden empfohlen und was sollte ich in den Pausen machen?

Pausen haben unterschiedliche Funktionen. Sie sind da, um Wissen zu verknüpfen und zu vertiefen, sie dienen der Erholung und erhöhen die Arbeitsleistung! Aus diesem Grund sollte gerade beim Lernen auf Pausenzeiten geachtet werden. Hier einige Beispiele wie Pausen integriert werden können:

Speicherpause (am Arbeitsplatz)
10-20 Sekunden – nach jedem Begriff, nach Definitionen, Formeln etc.
Umschaltpause (am Arbeitsplatz)
3-5 Minuten – nach jeder Lerneinheit. Strukturieren Sie den Lernstoff derart, dass jede Lerneinheit ca. 20-30 Minuten in Anspruch nimmt. Trinken Sie etwas, strecken und recken Sie sich.
Entspannungspause
15-20 Minuten – nach ca. 90 Arbeitsminuten. Verlassen Sie Ihren Arbeitsplatz! Machen Sie ein wenig Gymnastik oder eine kurze Entspannungsübung. Essen Sie evtl. eine Kleinigkeit.
Erholungspause
1-3 Stunden – nach 3,5 - 4 Stunden Arbeitszeit inkl. bisheriger Pausen. Tun Sie etwas völlig anderes, schalten Sie ganz ab.
Nachtruhe
8 Stunden: Während des Schlafes verarbeitet das Gehirn aufgenommene Lernerfahrungen. Es ist daher sehr wichtig, unserem Gehirn genügend Schlaf zu gönnen.

>Was kann ich tun, um mich zu motivieren?

Die schnellste Intervention ist, die eigene Haltung zu überprüfen. Sitze ich schon mit einer „Null-Bock-Haltung“ vor den Lernaufgaben, brauche ich viel länger und es kostet mich mehr Kraft. Weitere sehr effektive Möglichkeiten sind:
• Mich nach meinem WARUM fragen und das Endziel möglichst mit allen Sinnen vorstellen. Beispielsweise dass ich, wenn ich das Studium geschafft habe, endlich als Arzt arbeiten und so etwas bewirken kann.
• Mich mit motivierender Musik in eine bessere Stimmung versetzen
• Mit Belohnungen arbeiten
• Motivationssprüche, Bilder, Symbole etc. als Erinnerung nutzen

>Wann sind Lerngruppen sinnvoll (Anfang des Lernens, kurz vor der Prüfung)?

Lerngruppen sind generell sinnvoll, wenn sie nicht nur reine Plaudergruppen sind. Je nach Lerntyp lernen einige Studierende lieber alleine und andere gemeinsam, deshalb ist zu empfehlen, dass man sich auf eine bestimmte Vorgehensweise einigt. Beispielsweise bereitet jeder inhaltlich ein Thema für das nächste Treffen vor, stellt dieses vor und anschließend werden von der Gruppe Fragen gesammelt, die von allen beantwortet werden. So werden auch schon alle möglichen Prüfungsfragen gestellt und beantwortet. Jeder Teilnehmer ist dann dafür verantwortlich, ggf. zu Hause fehlendes Wissen aufzuarbeiten und sich den Lernstoff anzueignen. Der Vorteil von Lerngruppen ist auch, dass man das gelernte Wissen mit den Erlebnissen in der Gruppe verknüpft und die Möglichkeit hat, anderen Wissen zu erklären und dadurch selbst überprüfen zu können, ob man über das nötige Wissen verfügt oder nicht.

>Wie oft sollte man den Lernstoff wiederholen, damit er im Langzeitgedächtnis bleibt?

Wenn der Lernstoff mit Vorwissen verknüpft werden kann, dauert es nicht so lange. Ist der Lernstoff komplett neu, so gibt es unter der Berücksichtigung der Lern- und Vergessenskurve folgende Empfehlung: Nach einem Lernabschitt sollte die 1. Wiederholung nach etwa 1-2 Tagen erfolgen, die 2. Wiederholung nach etwa einer Woche und die 3. Wiederholung nach etwa einem Monat. Hierzu eignen sich Wiederholungssysteme wie Phase 6.

>Wie vermeide ich Ablenkungen?

In dem ich diese beseitige z.B. Handy ausschalten, mir eine Stille Stunde verschaffen und dies mit meinem Umfeld kommunizieren etc. Damit ich dies durchhalte ist es wichtig die Lernabschnitte in kleine Einheiten aufzuteilen und bestimmte Zeiten zuzuweisen, denn habe ich den ganzen Tag fürs Lernen reserviert, werde ich garantiert die Zeit erstmal mit vielen anderen Dingen verbringen und am Ende feststellen, dass ich nicht so viel geschafft habe.

>Wie kann ich den Lernstoff am besten verstehen?

Indem ich ihn anderen mit eigenen Worten erkläre. Je nach Lernstoff hilft es auch, bestimmte Dinge selber zu tun oder wenn die Möglichkeit nicht besteht, sich entsprechende Experimente als Video anzuschauen. Auch hier geht es um die Verknüpfung mit dem Vorwissen sowie dem Verstehen, warum der Lernstoff relevant für mich, meine Tätigkeit, für mein Umfeld etc. ist.

>Was hilft gegen Aufschieberitis (Prokrastination)?

Die Pomodoro-Technik. Hier werden alle Ablenkungen ausgeschaltet und es wird nach einem bestimmten Prinzip in Zeitabschnitten gelernt. Die Lernhäppchen sind für alle machbar und man fängt nicht an, die Wohnung zu putzen, sich vor Facebook zu setzen, zu essen und was man sonst so alles tut, um sich abzulenken.

>Wie plane ich meine Lernzeit sinnvoll?

Indem ich herausfinde, wann mein Leistungshoch ist und dies fürs Lernen reserviere. In der Zeit schaffe ich mehr als den Rest des Tages. Weiterhin sollte ich ähnliche Lerninhalte nicht direkt nacheinander lernen, da es sonst zu einer Vermischung kommen kann.

>Wie kann ich mein Gedächtnis verbessern?

Es gibt verschiedene Maßnahmen. Angefangen mit dem Aneignen von Lerntechniken und der Arbeit mit Visualisierungen kann die Konzentrationsleistung auch mit Wasser trinken um bis zu 20 % gesteigert werden. Weiterhin werden Bewegung, eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf empfohlen.

>Gibt es eine Lesestrategie für effektives Lesen?

Ja, es gibt sowohl Strategien für das schnelle Lesen (Speed Reading) als auch Strategien, wie man sich das Gelesene besser merkt. Diese Strategien sind jedoch zeitintensiv und daher nur für Fachtexte geeignet, deren Inhalt man sich nachhaltig merken möchte. Eine Methode ist die PQ4R-Methode. Das P steht für PREVIEW. Hier geht es darum, die Struktur des Textes zu erkennen (z.B. durch das Lesen von Klappentexten, Inhaltsverzeichnis, Abbildungen, Tabellen, Zusammenfassungen, Vorwort). Das Q steht für QUESTION. Stellen Sie "W-Fragen" wie beispielsweise: Wer hat den Text geschrieben? Wie ist der Text aufgebaut? Wo wurde die Studie durchgeführt? Was sind die Haupterkenntnisse? Wann wurde der Text veröffentlicht? Warum wurde die Studie in Auftrag gegeben? Formulieren Sie dann ein Ziel für das Lesen des Textes. Das erste R steht für READ. Das heißt, dass Sie aktiv lesen, sich die Inhalte bildlich vorstellen, Neues und das absolut Wichtigste markieren, aktiv auswählen und schwierige Passagen zunächst überspringen. Das zweite R steht für REFLECT. Formulieren Sie das Gelesene in eigenen Worten, lesen Sie bei Unklarheiten nach und interviewen sich selbst. Das dritte R steht für RECITE. Erstellen Sie eine schriftliche Zusammenfassung (Mind-Maps, Notizen) und schreiben Sie Karten für Ihre Lernkartei. Das letzte R steht für REVIEW. Ziehen Sie eine Bilanz. Haben Sie Ihr Ziel erreicht und alle Fragen beantwortet? Vervollständigen Sie ggf. Ihre Unterlagen.

>Wann sollte ich beginnen das Kreuzen zu üben?

Kreuzen ist oftmals eine Übungssache. Je häufiger man solche Klausuren bearbeitet, desto leichter fällt es einem. Aus diesem Grund lohnt es sich auch schon zu Beginn des Studiums, sich Kreuzaufgaben anzuschauen. Wann jeder dann anfängt für die Klausur zu lernen, ist wieder Lerntyp abhängig. Als Tipp für die kurzfristigen Lerner, die dann doch nicht mehr alles schaffen: Verschieben Sie die Deadline nach vorne und planen dann etwas Schönes, so dass Sie die Nacht vor der Klausur schlafen können statt zu lernen.

 

Über die Interviewpartnerin

 

Anna Nguyen Foto: privat

Anna Nguyen studierte zwei Semester Medizin, bevor sie die Studiengänge Dipl. Pädagogik und M.Sc. Management erfolgreich abschloss. Auf Grund ihrer eigenen Studienerfahrung sowie zahlreichen Weiterbildungen, kennt sie die mit dem Lernen verbundenen Herausforderungen aus eigener Erfahrung. Seit 2006 ist sie als Trainerin und inzwischen auch als Coach deutschlandweit tätig. An der Universität zu Köln lehrt sie u.a. zum Thema Lernen lernen.

 

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