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  • 30.04.2010

Wer darf Medizin studieren?

Der Bedarf an Ärzten hat Fragen zum Zulassungsverfahren für das Medizinstudium aufgeworfen. In der Diskussion werden drei Punkte außer Acht gelassen: 1. Die breitgefächerten Zulassungsbedingungen erlauben auch Bewerbern mit weniger guten Noten eine Zulassung. 2. Verwerfungen des Gesundheitssystems lassen sich nicht durch Verpflichtungen von Schulabgängern für spätere landärztliche Tätigkeiten korrigieren. 3. Durch seit Jahren real sinkende Landesmittel können die Universitäten nicht noch mehr Mediziner qualitätsgesichert ausbilden. Hier lesen Sie die Stellungnahme des Medizinischen Fakultätentages vom 14. April 2010.

Die geltenden Zulassungsregeln für staatlich reglementierte Studiengänge sehen weitgespreizte Verfahren vor. Auf Basis des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen sind seit Jahren notenunabhängige Vorabquoten etabliert. In der Medizin werden über 15 Prozent der Studienplätze für besondere Antragsteller reserviert. Mit einer Vorabquote von 8 Prozent für Bildungsausländer aus nicht-EU-Staaten erscheint Deutschland als einsamer Spitzenreiter.

Von den verbleibenden Studienplätzen dürfen die Universitäten 60 Prozent selber auswählen. Hierfür nutzen die Medizinischen Fakultäten auch Auswahlgespräche zur Ergründung der Motivation, fachspezifische Studierfähigkeitstests und vielfältige Bonuspunktoptionen. Boni werden unter anderem für soziales Engagement und abgeschlossene medizinische Berufsausbildungen vergeben. Beim Auswahlverfahren der Hochschulen haben auch geeignete Bewerber eine Chance, die Durchschnittsnoten bis zu 2,5 erreichen.

Für die Abiturbesten sind nach Besetzung der Vorabquoten ledig 20 Prozent reserviert. Gerichtsurteile und Gesetze räumen jedoch der Abiturnote einen maßgeblichen Einfluss bei der Auswahl der Studierenden ein. “Dies schafft Rechtssicherheit und sorgt dafür, dass eher die ein Medizinstudium aufnehmen, die den gesetzlichen Prüfungsvorgaben gewachsen sind. Denn das Studium ist durch die neue Ärztliche Approbationsordnung mit Prüfungsregularien überfrachtet worden.

 

"Wartezeitregelungen und Quoten gehören auf den Prüfstand."

Lobbyisten drängen leider auf weitere Erhöhungen der Prüfungsfächer und Pflichtveranstaltungen zugunsten ihrer Disziplinen“, erklärt MFT-Präsident Professor Dieter Bitter-Suermann. Mit den vielen staatlich festgelegten Prüfungen haben gerade die Studierenden die größten Probleme, die mit schlechteren Abiturnoten zugelassen wurden. Dazu zählen auch die 20 Prozent, die aufgrund der Wartezeit zum Zuge kommen.

“Die bestehenden Wartezeitregelungen und Quoten gehören auf den Prüfstand, wenn noch mehr Ärzte erfolgreich ausgebildet werden und in Deutschland bleiben sollen”, gibt Bitter-Suermann zu bedenken. „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass schlechtere Durchschnittsnoten zu besseren Ärztinnen und Ärzten führen“, so Bitter-Suermann.

Verschiedene Untersuchungen dokumentieren hingegen, dass gute Abiturienten den staatlichen Prüfungsanforderungen besser gewachsen sind. Verwerfungen struktureller und finanzieller Art des Gesundheitswesens sowie fehlende familienfreundliche Arbeitsbedingungen können die Medizinischen Fakultäten nicht heilen. Diagnose und Therapie müssen schließlich zueinander passen.

So ist eine Landarztquote mit langjährigen beruflichen Verpflichtungen für Studienanfänger keine zielführende Maßnahme. Wohl kaum ein Abiturient kann sich mit 18 Jahren auf die Landarzttätigkeit festlegen. Erst im Studium lernt man die vielen Facetten der Medizin kennen. Die fachärztliche Spezialisierung ist erst später möglich.

 

"Verbesserung der Rahmenbedingungen notwendig."

Wie wenig Vorabquoten ausrichten, wenn die Perspektiven nicht stimmen, zeigt die Bundeswehr. Trotz eigener Vorabquote sind 600 Stellen für Sanitätsoffiziere unbesetzt. „Die Vorgaben für das Medizinstudium dürfen nicht weiter erhöht werden, die Bürokratisierung muss reduziert werden“, fordert Bitter-Suermann.

Breit gefächerte Zulassungsbedingungen existieren bereits. Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden.” “Seit zehn Jahren ist die Summe der Landesmittel für die ärztliche Grundausbildung in Deutschland faktisch eingefroren. Sämtliche Kostensteigerungen müssen durch Einsparungen und Leistungsverdichtungen aufgefangen werden”, erläutert Bitter-Suermann. “Das ebenfalls unveränderte Kapazitätsrecht belastet die Universitäten noch dazu mit fast 20.000 Zulassungsklagen für die rund 10.000 Medizinplätze”, kritisiert der MFT-Präsident.

“Wenn es die Politik für sinnvoll erachtet, die Anzahl der Ärzte pro Einwohner noch weiter zu erhöhen, dann muss sie auch die laufenden Mittel für die Kapazitätserweiterung bereitstellen und den baulichen Erhalt der Standorte sichern.”

 

Kommentar einer Studentin: "Eine Durchschnittsabiturientin, die sich durchbeißt."

Ich bin völlig entsetzt von der Stellungnahme des MFT. Ich selbst habe meinen Studienplatz nach Wartesemester und dann über ein Auswahlgespräch bekommen - und bin überglücklich darüber.

Vielleicht sollte bei der ganzen Noten- und Prüfungsordnungsdebatte mal überdacht werden, welche Ärztinnen und Ärzte nach dem Studium immer noch den Arztberuf ergreifen möchten. Diejenigen, die mit einem 1-er Abi nicht wussten wohin mit dem NC, oder diejenigen, die genau FÜR diese Berufswahl schon ganz am Anfang etwas leisten mussten. Nicht zu vergessen alle Idealisten unter uns Medizinern, die tatsächlich bis zu sechs Jahren warten, um dann endlich mit dem zu beginnen, was die meisten sich als Kind vielleicht schon erträumt hatten.

Ich denke, statt es nun den "Nicht-Überfliegern" der Nation noch schwerer zu machen, sollte man doch eher etwas an der Prüfungsordnung ändern. Im Arztberuf zählt eben nicht nur der Intellekt, sondern auch emotionale und soziale Kompetenz. Diese ist bekanntermaßen über den NC schlecht zu beurteilen. Und wer sagt, dass man mit Erreichen des Numerus clausus im Alter von 18 oder 19 Jahren später nach dem Studium auch automatisch besser ist?

Mich hat es immer besonders angespornt, gerade vor dem Physikum, zu wissen, dass ich nicht nur eine Nummer der ZVS war. Jemand von außen hatte ganz genauso gedacht wie ich: Ich soll mal Ärztin werden! Diese Chance gönne ich allen andern auch!

Gerade bin ich vor dem Praktischen Jahr in einem Freisemester, welches ich der Fertigstellung meiner Doktorarbeit widme. Ansonsten gab es keine Verzögerung in meinem Studienplan, die Prüfungsordnung habe ich voll erfüllt.

Anne L. aus Mainz

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