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  • Kasuistik
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  • Torben Brückner
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  • 02.12.2013

Was ein Blick verraten kann

Die Blickdiagnostik gehört zur ärztlichen Kunst und sollte von jedem Mediziner beherrscht werden. Zumal sie viele Vorteile hat: Ein Blick ist kostengünstig, schnell durchzuführen – und somit häufig wertvoller als jegliche Geräte-Diagnostik.

Als Klinikarzt liebe und schätze ich die Blickdiagnostik. Besonders gefallen mir die medizinischen Lehrbücher dazu – weil sie oft mehr Bild als Text enthalten.  

Im Klinikalltag kann ich täglich das Gelernte umsetzten. Hier ein Beispiel einer älteren Dame, nennen wir sie Frau Z., bei der ich die Stationsvisite durchführte:

Bei Frau Z. sollte elektiv eine Gastroskopie und Koloskopie bei Verdacht auf Blutung durchgeführt werden. Sie war schon am Abend stationär aufgenommen worden. Nebenbei beklagte sie seit dem Morgen einen einseitigen Flankenschmerz – nicht schlimm, aber spürbar.

Ich sah mir die betreffende Stelle an. Die Haut war reizlos, keine Rötung, keine Schwellung, kein Sturz erinnerlich. Zwar bestand ein Druckschmerz, aber die sonstige körperliche Untersuchung blieb unauffällig. Schließlich gab es nun mehrere Differentialdiagnosen, die ich hätte abklappern können. Darum begann ich erst mal mit dem Naheliegendsten und fragte Frau Z., ob sie einfach nur falsch gelegen sei. Aber dies verneinte sie.

Am späten Nachmittag und nach Besprechung der Gastroskopie, die keinen auffälligen Befund brachte, schmerzte Frau Zs. Flanke immer noch. Ein Schmerzmittel war nicht gewünscht. Wir führten einen Urin-Test durch, vielleicht hatte Frau Z. ein Harnwegsinfekt, der auch die Nieren beeinträchtigte. Aber der Test war unauffällig. Für den nächsten Tag meldete ich ein Ultraschall an, die Koloskopie und die unangenehmen Abführmaßnahmen zur Vorbereitung verschoben wir lieber. Schließlich weiß ich, dass es häufig gut ist, nicht zu voreilig zu sein: Allzu oft führt alle Diagnostik nicht zum Ziel. Je länger ich Arzt bin, desto mehr denke ich, man wüsste viel ausführlicher den Zusammenhang zwischen Symptomen und dem Wetter erforschen.

Das Ultraschall ergab nichts, die Schmerzen waren eher mehr geworden, die Laborwerte für die Abdomenorgane und Entzündungszeichen unauffällig. Ein orthopädisches Konsil führte zu nichts. Die Patientin wurde langsam etwas ungeduldig und glaubte, der Krankenhausaufenthalt wäre schuld. Eine Koloskopie wollte sie nun nicht mehr.

Jeden Tag besah ich die betreffende Region, untersuchte sie körperlich – doch ich kam nicht weiter. Vielleicht war wirklich das Krankenhausbett schuld. Ich überlegte ein MRT-Abdomen anzumelden. Das ist zwar schwer zu bekommen, aber ich konnte eine Patientin mit unklarem Symptom ja nicht wieder nach Hause schicken und einfach dem Hausarzt überlassen. Leider konnte ich sie aber nicht zum MRT überreden. Sie wollte endlich gehen. 

Also drückte ich ihr den Brief in die Hand und warf noch einmal einen letzten Blick auf die schmerzende Region – was ich dort sah, machte mich sprachlos. Auf der Haut waren nun schön verteilt rötliche Erhebungen zu sehen, kleine Bläschen schienen sich zu erheben – eine Gürtelrose, wie sie ein Dermatologie-Buch nicht schöner hätte abbilden können.

 

Gürtelrose - Foto: Ignacio Icke, DGK Gürtelrose, Wikipedia

Gürtelrose - Foto: Ignacio Icke, DGK Gürtelrose, Wikipedia

 

Die Behandlung konnte ambulant erfolgen. Alle technischen Untersuchungen waren für die Katz, eine Blickdiagnostik reichte aus – doch leider muss man dafür auch den richtigen Zeitpunkt zum „Gucken“ erwischen.  

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