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  • Daniel Soriano
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  • 02.03.2016

Wahnsinn! Freiburger PJ-Student findet tragisches Ende

Klar, Montage sind immer hart. An diesem Montag erwischt es den PJler aber besonders krass.

© iStockphoto

Es ist Montag. Der Wecker hat seinen Dienst versagt. Der Rasierer ist kaputt, die Toilettenspülung geht nicht und die Zahnpasta ist alle. Jetzt bin ich zu spät. Schweißgebadet rase ich mit meinem Fahrrad über rote Ampeln und fahre begleitet von wildem Gehupe und emporgereckten Mittelfingern in die Klinik.

Dort greift die Freiburger Fahrrad-Mafia um sich. Pizza-Lieferanten blockieren die bevorzugten Parkplätze direkt beim Eingang. Als Schutzgeld für meinen Drahtesel kaufe ich einem grimmig dreinblickenden Anzugträger mit schwarzer Brille eine labberige Pizza-Bolognese ab und stürze mich ohne Umschweife in das Getümmel im Treppenhaus. Um mir einen Platz im Fahrstuhl zu sichern, trete ich einem blonden Fitness-Krüppel die Krücken weg, schicke einen Blinden in die falsche Richtung und drücke im Vorbeigehen dem Notfalltransport auf die Bettenbremse. Das entstandene Chaos aus Tränen, Fluchen und Geschrei genügt, um bewaffnet mit der Knoblauch-Bombe zwischen den sich schließenden Türen hindurchzuhuschen. Bing. Siebtes Stockwerk. Meine Glückszahl. Als die Türen sich öffnen, übergibt sich der Fahrstuhl in den Flur.

Das Arztzimmer ist nicht weit, ich reiße die Türen auf und schleudere vorsichtshalber zuerst die Pizza als Köder in die Höhle des Löwen. Denn es ist schon 8:01 Uhr. Gefährlich für einen PJler. Doch kein Schmatzen und Gröhlen ist zu hören. Ich spähe in den Raum – leer. Wahrscheinlich ein Hinterhalt. Ich werfe meinen Kittel der Sterilität und Unverwundbarkeit um und sehe genauer nach. Niemand. Gar nichts.

Ich zücke meine Untersuchungsleuchte und beginne mit der Inspektion des Tatorts: Ein Kaffee links der Tastatur, noch heiß, wenig getrunken, etwas Lippenstift, Zuckertütchen noch nicht geöffnet, Löffel unbenutzt. Dort ein über dem Stuhl geworfener Kittel, der Computer ist noch nicht angeschaltet. Der dritte Sitzplatz ist noch handwarm. Ein plötzlicher Aufbruch, alles wurde stehen und liegen gelassen – es kann sich nur um einen Notfall handeln. Meine Schuhe verfallen in den Automatikmodus und gehorchen nur noch dem Gehör, das aus der Ferne ein leises „We all live in a yellow submarine“ orten kann.

Ich stürme auf das Geräusch zu und – Mir wird schlagartig der Fehler des Titels bewusst. Es hätte eher „Freiburger PJ-Student findet Ende wahnsinnig tragisch“, oder „Tragisches Ende findet Freiburger PJ-Student wahnsinnig“, oder: „Tragischer Wahnsinn: das findet ein Freiburger PJ-Student“ heißen müssen.

Denn ich betrete einen wuselnden Raum, ein jeder ist behandschuht und erstaunlich frei von Sarkasmus. Nach nur anderthalb Stunden ist der Ort verlassen. Vom Latex befreit atmet die verschwitze Haut auf. Hinter mir weicht die Betriebsamkeit der völligen Traurigkeit. Ich kehre ins Arztzimmer zurück. Die Zuckertüte hat ihren Kaffee gefunden, in dem der Löffel seine Runden zieht, alle Computerbildschirme leuchten, der Drucker surrt. Die Blutentnahme wartet.

Und es geht weiter.

Für mich.

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