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  • Christina Liebermann
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  • 11.11.2015

Was kann man überleben? - Die Grenzen des menschlichen Körpers

Wie lange kannst du im Winter im See baden ohne zu erfrieren? Was passiert, wenn die Saunatür klemmt? Oder gar der Kühlschrank leer ist? Wie dein Körper Extremsituationen bewältigt - oder auch nicht.

*Körpertemperatur: 42,3°C

Die maximale Körpertemperatur, die ein Mensch überleben kann, liegt bei 42,3 °C. Bei höheren Temperaturen gibt’s körpereigenes Rührei: Proteine werden denaturiert und das Gehirn irreparabel geschädigt.

Kaltes Wasser: 4°C


Kaltes Wasser entzieht Körperwärme. In einem 4°C kalten See kann ein Mensch höchstens 30 Minuten überleben. Grund dafür: Die Blutkonzentration der Stresshormone steigt plötzlich an, um die Wärmeproduktion anzukurbeln. Außerdem setzt rasch das Kältezittern ein, um Wärme durch Muskelarbeit zu erzeugen. Bei kalter Lufttemperatur funktioniert das, kaltes Wasser jedoch leitet die Körperwärme durch das Zittern noch schneller ab. Die Muskulatur ermüdet sehr schnell und der Körper unterkühlt.

 

Sinkt die Körpertemperatur unter 30 bis 32°C, hört das Muskelzittern wieder auf, die Energiereserven sind verbraucht. Die Muskeln werden steif und die Kälte betäubt die Nervenendigungen, weshalb Kälte und Schmerz nicht mehr wahrgenommen werden. Das Gehirn arbeitet auf Sparflamme, gezielte Bewegungen sind fast unmöglich – Unterkühlte verhalten sich also ein bisschen wie Besoffene. Enzymreaktionen und Transportmechanismen in den Zellen laufen verlangsamt ab, wodurch wichtige Stoffe nicht oder zu wenig produziert werden. Bei einer Kerntemperatur von 29,5 °C verlieren die meisten Menschen das Bewusstsein. Das Herz schlägt nur noch zwei bis dreimal pro Minute, Puls und Atmung sind kaum noch messbar. Sinkt die Temperatur auf 20°C, führt das zum Tod.

 


Aber auch eine zu schnelle Erwärmung kann gefährlich sein: Die Blutgefäße in der Haut und den Extremitäten weiten sich und der Blutdruck sinkt rapide ab – ein Kreislaufkollaps droht. Übrigens: Selbst wenn ein Unterkühlter wieder im Warmen ist, fällt seine Körpertemperatur für 15 Minuten weiter ab ("afterdrop"). Grund dafür: Wenn zwischen Extremitäten und Körperkern ein zu großer Temperaturunterschied herrscht, kommt es beim Aufwärmen oder bei Bewegung des Patienten zum Temperaturausgleich - zulasten der Kerntemperatur.

Heiße Umgebungstemperatur: 110°C


Wie lange man bei Hitze überleben kann, hängt vor allem von der Luftfeuchtigkeit ab: je niedriger diese ist, umso länger hält man durch. In einer 110 °C heißen Sauna halten es Erwachsene höchstens 3-4 Minuten aus, in einem brennenden Gebäude bis zu 10 Minuten– sofern sie durch das Kohlenmonoxid nicht vorher bewusstlos werden. Kinder fallen hohen Umgebungstemperaturen noch viel schneller zum Opfer, z.B. in einem 50°C aufgeheizten Auto bereits nach wenigen Minuten.

       

Beim Hitzschlag steigt die Körpertemperatur auf über 40 °C an. Die akute Überhitzung verursacht ein Hirnödem, das Symptome wie Krämpfe, Bewusstseinstrübung, Kopfschmerzen und Übelkeit hervorruft. Im den schlimmsten Fällen endet der Hitzschlag mit bleibenden Hirnschäden oder sogar tödlich.   

Höhe: 4500 Meter


Ab einer Schwellenhöhe von 2500 Metern kann es unangenehm werden: die Höhenkrankheit meldet sich mit Kopfschmerz, Schwindel und Übelkeit. Ursache: Vermutlich macht der verminderte Sauerstoffgehalt im Blut die Gefäßwände durchlässiger, sodass vermehrt Blutplasma ins Gewebe übertritt. Das Bewusstsein trübt bei den meisten untrainierten Menschen ab einer Höhe von 4500 Metern ein. Steigt man zu schnell zu hoch auf, kann dies zum Lungenödem und zum Tod führen. Hochlandbewohner haben sich durch größere Lungen und mehr rote Blutkörperchen an die Höhe adaptiert und können so trotzdem überleben.

Wassertiefe: 214 Meter


Der Mensch wird spätestens nach 2 Minuten ohnmächtig, wenn er ohne Taucherausrüstung tiefer als 18 Meter taucht. Je tiefer man taucht, umso stärker werden Luft und damit Volumen der Lunge komprimiert. Bei 25 bis 35 Metern Tiefe ist der Druck so stark, dass die Lunge auf das Volumen bei maximaler Expiration komprimiert ist. Taucht man tiefer, tritt Gewebsflüssigkeit in die Lunge über: es entwickelt sich ein Lungenödem. Der Rekordhalter im Apnoetauchen schaffte es jedoch, 214 Meter tief zu tauchen, ohne ohnmächtig zu werden. Wie ist das möglich? Durch langes Training, bei dem man stufenweise immer tiefer taucht, kann man die Lunge an den Druck gewöhnen. Ein Lungenödem entsteht zwar trotzdem, ist jedoch weniger stark ausgeprägt und reversibel.

Blutverlust: 40%


Ein Mensch kann den Verlust von 30% seines Blutvolumens kompensieren. Ab 40% Blutverlust muss sofort eine Transfusion erfolgen, idealerweise mit Erythrozytenkonzentrat. Beim Blutverlust stirbt man am Volumenmangelschock und der daraus resultierenden Minderdurchblutung, Azidose oder Mikrothrombenbildung. Deshalb ist es wichtig, schnellstmöglich das Volumen aufzufüllen. Außerdem sinkt bei großem Blutverlust der Kreislauf so stark ab, dass die Herzkammern nicht mehr mit Blut versorgt werden. Das führt zu schweren Herz-Rhythmus Störungen, die tödlich enden können.

 


Ca. 4,5 bis 6 Liter Blut fließen durch den Körper eines gesunden Menschen, bei einem Gewicht von 60-80 kg entspricht das 6-8% des Körpergewichtes. Wenn nicht mehr ausreichend Blut nachgebildet werden kann, kommt es zu einer Unterversorgung der Organe mit Sauerstoff . Die Menge des kompensierten Blutverlustes hängt auch davon ab, wie schnell das Blut verloren wird. Akut sieht man 20% Verlust, also etwa 1 Liter als kritisch an.

Sauerstoffentzug: 10 Minuten


Normalerweise wird man nach 2 Minuten ohne Sauerstoff ohnmächtig. Überleben kann der menschliche Körper so lange, wie Sauerstoff im Blut zur Verfügung steht. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und kommt beispielsweise auf den Trainingszustand an. Die elektrische Gehirnaktivität erlischt bereits nach 20 Sekunden ohne Sauerstoff – Bewusstlosigkeit tritt ein. Nach 2-3 Minuten werden die ersten Zellen geschädigt, zuerst in der Hirnrinde, dann im Stammhirn, das Blutkreislauf und Atmung regelt. Nach 5 Minuten ist das Gehirn irreparabel geschädigt, so dass ein Mensch nur noch im Wachkoma weiterleben kann. Nach 10 Minuten ohne Sauerstoffzufuhr ist ein Mensch klinisch tot. Unglaublich, aber: Der Weltrekord im Luftanhalten liegt bei 22 Minuten.

Ohne Wasser: ca. 1 Woche


Jede Zelle des menschlichen Körpers benötigt Wasser zum Überleben. Ist ein Mensch nicht in der Lage, ein Viertel des täglich verlorenen Wassers zu ersetzen, überlebt er im Schnitt eine Woche. Wie lange man tatsächlich ohne Flüssigkeitsaufnahme überlebt, hängt aber von vielen Faktoren ab: Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, körperliche Aktivität, Alter oder Gesundheitszustand spielen eine Rolle. Auch wenn ein Mensch keine Flüssigkeit durch Urin ausscheidet, verliert er über Haut und Atmung etwa einen halben Liter pro Tag – bei Hitze oder körperlicher Anstrengung wesentlich mehr.

 

Ein gesunder junger Mensch kann ohne Wasser ca. 3-4 Tage durchhalten, im Extremfall sogar bis zu 12. Die eigentliche Todesursache beim Verdursten ist eine innere Vergiftung oder ein Kreislaufzusammenbruch. Die Nieren können die harnpflichtigen Substanzen durch den Flüssigkeitsmangel nicht mehr ausscheiden und körpereigene Gifte zerstören alle Organe. Oder aber der Kreislauf bricht zusammen und es kommt zum Multiorganversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Ohne Nahrung: 1-2 Monate


Je nach körperlicher Konstitution und Energieumsatz überlebt ein Mensch ohne Nahrungsaufnahme 1-2 Monate. Werden keine Kalorien zugeführt, ernährt sich der Körper von der eigenen Substanz. Während der ersten Tage baut der Organismus seine Kohlenhydratspeicher ab, gefolgt von Fettgewebe, dann Muskulatur und schließlich Haut, Nieren, Lungen und Knochen. Ein Verlust von 30% des Körpergewichts endet meist tödlich.

 


Als Faustregel kannst du dir die sogenannte Dreier-Regel merken:


3 Minuten ohne Sauerstoff, 3 Tage ohne Wasser, 3 Wochen ohne Nahrung.

Was kann man überleben? - Die Grenzen des menschlichen Körpers

Ohne Schlaf: zu lange


Eine gute Nachricht zum Schluss: Schlafmangel kann zwar zu akustischen, optischen, olfaktorischen und taktilen Halluzinationen führen – sterben kann man daran aber nicht. Der Weltrekord im Wachbleiben liegt bei 266 Stunden (knapp 12 Tage). Bei der nächsten Prüfung gibt’s also keine Ausrede mehr.

 


* Bei allen Angaben handelt es sich um Richtwerte. Eine pauschale Aussage lässt sich nicht treffen, da jeder Körper anders ist und damit auch unterschiedlich auf Extremsituationen reagiert.

 


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