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  • 22.08.2016

Das Warten ist vorbei ... für die Uni ist es nie zu spät

Jolie hat endlich einen Studienplatz. Sieben Jahre hat sie auf diesen Moment gewartet. Trotzdem könnte die Freude größer sein.

 

Das Warten ist endlich vorbei! 14 Wartesemester. 7 Jahre. 2555 Tage. Und der Zulassungsbescheid war da! Schon ein Tag vor dem offiziellen Bescheid hatte mich die Universität über meine Zulassung zum Medizinstudium informiert – zwischen Tür und Angel beim nichts ahnendem „Spinksen“ auf das in der Kasacktasche (Kasack = Kleidungsstück, welches von Mitarbeitern in der Pflege/ im medizinischen Bereich getragen wird) befindliche Handy war auf dem Display zu lesen: „Einschreibungshinweise für den Studiengang Medizin“.

Jetzt ist es soweit und nun wird es ernst!

Ich habe sieben Jahre darauf hin gefiebert und leider kann ich mich doch nicht dem Überschwang und der Euphorie hingeben. Vielleicht weil es nicht die Wunsch-Uni geworden ist? Und ich mich nun mit Platz 2 zufrieden geben muss? Ich habe sieben Jahre gewartet und bin kurz nach meiner abgeschlossenen Ausbildung aus meiner kleinen, wohlbehüteten Provinz, wo ich groß geworden bin - und zugebenen, wo abends um Zehn die Bürgersteige hochgeklappt werden, weil nichts mehr los ist – in die Großstadt gezogen, damit ich nicht täglich zum Arbeitsplatz pendeln muss. Und immer hatte ich die Hoffnung, Arbeit und Studium irgendwann miteinander vereinbaren zu können, damit ich mir nebenher doch noch etwas leisten kann. Und wenn es auch nur die Mietkosten sind...Und dann ist es doch nicht die Wunschuniversität geworden.

Jetzt muss/darf ich mich der Alternative stellen und von Wohnort zur Universität pendeln UND es irgendwie vereinbaren können, auch noch meinem Arbeitgeber, wenn zwar nur noch als Teilzeitkraft, gerecht zu werden. Denn Umziehen kommt garantiert nicht in Frage. Zu schön ist unsere kernsanierte Drei-Zimmer-Wohnung geworden, die wir vor knapp zwei Jahren zum Erstbezug angemietet haben – zentral und doch ruhig gelegen. Und wie sehr hatte ich mich gefreut, täglich mit dem Fahrrad zur Uni zu radeln...Hatte ich mich so auf meine Wunschuniversität fest gefahren, dass es mir schon gar nicht mehr um Medizin ging? Hatte ich mir ein einfaches, bequemes Studentenleben vorgestellt? Sorgenfrei und unbeschwert? Was wollte ich eigentlich? Mit 19 Jahren hätte es mich doch auch nicht gestört, wenn ich eine Zulassung für Greifswald oder Ulm bekommen hätte – Hauptsache Studium! Warum jetzt so wählerisch geworden?

Vielleicht habe ich aber auch keine Freudensprünge gemacht, weil nun doch Ängste und Zweifel in mir hochkommen, die mir vor Augen führen, dass ich auch scheitern und versagen kann. Dass Medizin nämlich alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Dass das Lernen mit Schule nicht vergleichbar ist. Und dass ich schon soooo lange aus dem Lernen raus bin! Ich habe Angst davor, dass meine Erwartungen nicht erfüllt werden. Angst vor den naturwissenschaftlichen, trockenen Fächern wie Chemie, Biochemie, Physik, usw. Und vielleicht auch Angst davor, dass mir das Medizinstudium vielleicht gar nicht gefällt/ gefallen wird? Dass es mir nicht liegt! Und ich sieben Jahre meines Lebens dafür verschwendet habe, um dann zu dieser Erkenntnis zu kommen.

Aber insgeheim ertappe ich mich doch dabei, irgendwann – wenn ich bestehe – das tun zu dürfen, was ich gerne tun würde (unter anderem eigenständig zu operieren, anstatt zu instrumentieren) und nicht das zu tun, was ich nicht gerne tue, nur damit ich meinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Und dann freue ich mich auf den ersten Tag des ersten Semesters! Habt auch ihr – diejenigen, welche über die Wartezeit reingekommen sind – solche Ängste (gehabt)?

Anfangs stand ich vor der großen Entscheidung: Immatrikulation – ja oder nein? Ich hatte sogar schon Hochschulstart geschrieben, ob ich eventuell benachteiligt werde, wenn ich den Platz nicht annehme und beispielsweise meine Wartesemester verfallen können, da mir die Fahrtzeit wirklich ein Dorn im Auge war und immer noch etwas ist (Zur Info: Dem ist aber nicht so! Das Nicht-Antreten hat keinerlei negative Auswirkungen auf die zukünftigen Bewerbungen). Aber ich habe nun mit schon so vielen Studenten der Universität geschrieben, die nun im dritten Semester und weiter sind und auch pendeln und sogar in der gleichen Stadt wie ich wohnen! Alle sagen: Es ist sehr gut machbar! Und die ruhige Bahnfahrt (heute gegen 8:30 Uhr war es wirklich sehr ruhig) kann super zum Schlafen oder auch zum Lernen (Vorbereitung/Nachbereitung) genutzt werden.

Summa summarum: Ich bin immatrikuliert! Der Weg dahin hat sieben Jahre oder 54 Minuten Bahn-und-Busfahrt gedauert! ;-)

 Es grüßt euch Jolie

P.S.: Ein komisches Gefühl war es schon, einige Eltern zu sehen, die ihre jungen Küken (dies soll nicht abwertend empfunden werden!) beim Einschreiben fotografieren und bis zum Immatrikulationsbüro begleiten. Ich dagegen war ganz alleine da. Mit einem voll gepackten Rucksack mit Laptop, Einschreibeunterlagen und dreckiger Wäsche vom Vortag, Zahnbürste und Zahncreme, denn ich hatte 24 Stunden-Anwesenheitsdienst machen müssen, damit ich an dem nächsten Tag „frei nach Dienst“ bekomme (welcher normale Mensch hat sonst an einem Donnerstag Morgen um 10:30 Uhr frei??). Ich war noch etwas übermüdet und hatte auch keine Zeit gehabt zwischen Feierabend um 8 Uhr morgens und Einstieg in die Bahn um 8:20 Uhr (die Bahn hatte zehn Minuten Verspätung – rosige Aussichten für die kalte Jahreszeit im Wintersemester) eine Kleinigkeit zu frühstücken. Und trotz allem hat alles geklappt!

Ich schließe diesen Beitrag etwas abgewandelt in Anlehnung an das Lied „Junge“ von „Die Ärzte“ ab: Es ist noch nicht zu spät, sich an der Uni einzuschreiben!

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