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  • Bericht
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  • Larissa Schuchardt
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  • 15.04.2014

Verleihung der Ehrendoktorwürde an Annette Schavan

Lübeck als Schauplatz der Bundespolitik: Am Freitag den 11. April fand im Audimax die Verleihung des Dr. h.c. (honoris causa) an Annette Schavan statt, nachdem diese zuvor den Kampf um die Aberkennung ihres Doktortitels aufgrund von Plagiatsvorwürfen verloren gegeben hatte. Doch mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde an die ehemalige Bildungsministerin ist nicht jeder einverstanden.

Lübeck, Audimax, 17 Uhr: Hörsaal und Foyer sind gut gefüllt mit Anzugträgern – wie üblich beim Jahresempfang der Universität zu Lübeck, der dieses Jahr den Auftakt zum 50-jährigen Jubiläum der Uni darstellt. Oberbürgermeister Bernd Saxe (SPD) ist da, sowie SPD-Politiker Björn Engholm, die Präsidenten der Musik- und der Fachhochschule Lübeck, viele Lübecker Professoren und weitere Honoratioren. Dazwischen unverkennbar in gelben „Lübeck kämpft für seine Uni“-T-Shirts Mitglieder des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Diese haben bei der Gremiensitzung am vorigen Mittwoch Stellung gegen die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Annette Schavan bezogen. Die Big Band der Uni spielt, der Präsident der Uni Prof. Dr. Peter Dominiak hält eine Ansprache und heißt alle herzlich willkommen, vor allem „Frau Professorin Annette Schavan“.

 

Was 2010 geschah …

Es folgt eine Zusammenfassung der Geschichte der Lübecker Uni, in der vor allem auf die Ereignisse des Jahres 2010 eigegangen wurde: Um Geld zu sparen, wollte das Land Schleswig-Holstein die medizinische Fakultät schließen. Dies wäre de facto das Ende der Uni gewesen, da die verbleibenden lebenswissenschaftlichen Studiengänge  mit 700 Studenten für ein Weiterbestehen nicht ausgereicht hätten. Nur durch energische Proteste von 14.000 Studenten, Professoren und weiteren Bürgern in Lübeck und Kiel, sowie Annette Schavans Spartrick, konnte die Uni gerettet werden.

 

Was seitdem passiert ist:

Die Lübecker Uni zu schließen, wäre ein gewaltiger Fehler gewesen, denn seitdem hat sich einiges getan: Das ehemalige Rektorat wich einem Präsidium, die nun fakultätsoffene Uni ist weniger angreifbar als vorher. Zudem wird Lübeck eine Stiftungsuni des öffentlichen Rechts – der Weg dorthin ist bereits geebnet. Inzwischen studieren 3500 Studenten in acht Studiengängen, zwei weitere Studiengänge sollen demnächst dazukommen. Die beiden Forschungsschwerpunkte „Infektion und Entzündung“ und „Gehirn, Hormone und Verhalten“ bekommen Neubauten im Wert von 40 Mio. Euro. Auch durch die Auszeichnung „Stadt der Wissenschaft“, die Lübeck 2012 erhielt, sind Forschung und Universität einmal mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Lübeck zählt jetzt deutschlandweit zu den bestbewerteten Life-Science-Universitäten.

 

Die Rolle der Annette Schavan

Welche Rolle hat nun Frau Schavan gespielt? Als Pläne der Schließung bekannt wurden, wandte sich Prof. Dominiak an die damalige Bundesbildungsministerin. Annette Schavan sorgte dafür, dass das Kieler Meeresforschungsinstitut Geomar zum bundesfinanzierten Helmholtz-Institut wurde, sodass jedes Jahr 25 Mio. € freigesetzt wurden und nach Schleswig-Holstein – und somit indirekt an die Lübecker Uni – fließen konnten. So wurde das bildungspolitische Kooperationsverbot von Bund und Ländern legal umgangen – der Fortbestand der Uni war gesichert.

 

Honoris causa – der Ehre wegen?

Für diesen Verdienst verlieh Prof. Dominiak nach einstimmigem Beschluss des Senats Frau Schavan die Ehrendoktorwürde. Der Ehrentitel sei mit der naturwissenschaftlichen Doktorwürde keinesfalls zu vergleichen, sei eher für „Verdienste um die Wissenschaft“, die Annette Schavan mit dem Erhalt der Universität und der damit verbundenen medizinischen Forschung geleistet habe. Der Dr. h.c. werde vollkommen unabhängig von weiteren Titeln oder dem eigenen Fach verliehen. Diese Entscheidung wurde bereits 2012 von Prof. Dominiak angestoßen und vom Senat gefällt, bevor der Rechtsstreit mit der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf begann. Aufgrund des Wahlkampfes in Schleswig-Holstein 2013 sollte mit der Verleihung noch gewartet werden, um eine Beeinflussung zu vermeiden. Danach, während des Rechtsstreits mit der Düsseldorfer Universität, bot Frau Schavan selbst dem Senat an, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Doch auch nachdem Frau Schavan der Doktortitel aberkannt wurde, sollte ihr der Dr. h.c. verliehen werden.

 

Pro und Contra

Ist diese Entscheidung gerechtfertigt? Immerhin lernen wir schon in der Grundschule, dass Abschreiben verboten ist. Plagiate sind das höchste Vergehen gegen die wissenschaftliche Praxis. Wie kann also jemand, der gegen das in Stein gemeißelte Dogma der Wissenschaft verstoßen hat, nun für Verdienste um die Wissenschaft geehrt werden? Aus diesem Grund stimmte der Lübecker AStA gegen die Verleihung. Dazu kommt, dass die Rettung der Uni keineswegs allein der Verdienst von Frau Schavan war – das ist jedem klar, der sich an die massiven Proteste der Lübecker erinnert, die im Sommer 2010 bundesweit durch die Medien gingen. Wer hat nun wie viel dazu beigetragen? Vermutlich wäre die Uni ohne die lautstarken Demonstrationen nicht gerettet worden – aber ohne das Eingreifen der Ex-Bildungsministerin auch nicht.

Ohne Frau Dr. h.c. Annette Schavan hätte die Uni Lübeck ihren 50. Jahresempfang wahrscheinlich nicht feiern können. Die Ehrendoktorwürde wird ihr vermutlich keiner mehr aberkennen – Zweifel bleiben trotzdem.

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