Zurück zu Tübingen
  • Artikel
  • |
  • Tobias Herbers
  • |
  • 25.09.2012

Alzheimer Forschung am Tübinger Universitätsklinikum

Mit dem Titel "Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde" stellte Alois Alzheimer im Jahre 1906 erstmalig die nach ihm benannte Erkrankung der Öffentlichkeit vor. Dies geschah im damaligen Hörsaal der heutigen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen. In genau derselben Klinik, nur wenige Meter vom damaligen Hörsaal entfernt, kamen anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages nun erneut hochrangige Forscher zusammen, um die aktuellsten Erkenntnisse zu der Gehirnerkrankung vorzustellen.

Von der 1906 in Tübingen noch als "eigenartigen Erkrankung" vorgestellten Krankheit Alzheimer sind derzeit etwa 1,2 Mio. Deutsche betroffen. Für das Jahr 2040 rechnen Experten sogar mit etwa 2 Mio. Betroffenen im gesamten Bundesgebiet. Die Erkrankungshäufigkeit der Alzheimer-Demenz nimmt mit dem Alter rasant zu. Sind in der Gruppe der 65-Jährigen derzeit nur etwa 2% der Menschen betroffen, ist es bei den 85-Jährigen bereits jeder Zweite. Dabei hat die Erkrankung oftmals dramatische Auswirkungen auf den Patienten selbst und seine Angehörigen. Bei Symptombeginn zeigen viele Betroffene meist nur geringe Ausfälle im Bereich ihrer amnestischen Funktionen. Später verlieren die Patienten häufig alle bisherigen Fähigkeiten und können ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen.

Nicht weniger dramatisch sind die Folgen für die betroffenen Angehörigen. Abgesehen von den etwa 40.000 Euro, die eine stationäre Alzheimerbetreuung im Jahr kostet, sind viele Angehörige mit der Situation überfordert. In der Folge leiden einige unter eingeschränkter Lebensqualität bis hin zur Depression. Einen an Alzheimer erkrankten Angehörigen zu Hause zu versorgen fordert nicht zuletzt das Engagement der gesamten Familie. Unter der zunehmenden Last der Erschöpfung vernachlässigen viele Familien ihre sozialen Kontakte und rutschen so in die vollständige Isolation. Um diese und andere Begleiterscheinungen zu verhindern forscht man am Tübinger Universitätsklinikum schon seit Jahren an Konzepten der verbesserten Prävention, Diagnostik, Therapie und Angehörigenschulung im Bereich der Alzheimer-Demenz.

Neue pathophysiologische Aspekte der Alzheimer-Demenz

Unter dem Titel "Molekulare Aspekte der Alzheimer-Krankheit" stellte Prof Dr. M. Jucker die Neuentwicklung eines Tiermodells vor. Das aus der autosomal-dominant vererbten Krankheitsform stammende APP-Gen schleuste der Tübinger Forscher in die Erbsubstanz von Mäusen ein. In der Folge erkrankten diese an einer kognitiven Einschränkung vom Alzheimer-Typ.
Die Entwicklung eines Mausmodells schaffe große Hoffnung bezüglich der Erforschung von frühen Alzheimer Stadien, so Prof. Jucker. Gleichzeitig betonte der Wissenschaftler aber auch die noch fehlenden Aspekte seines Modells. So könne man die emotionalen Auswirkungen beispielsweise nur eingeschränkt am Mausmodell testen.

 

Foto: Fotolia

 

Auf die familiäre Alzheimer-Erkrankung ging auch Prof. Dr. C. Laske unter dem Titel "Familiäre Fälle als Schlüssel zur Erforschung der Alzheimer-Erkrankung?" ein. Die fast 100-prozentige Penetranz der autosomal-dominant vererbten Erkrankung mache man sich unter anderem in der "DIAN-Studie" zunutze. Die seit 2012 nun auch in Tübingen laufende Studie erhofft sich zum Beispiel ein besseres Verständnis über den Krankheitsprozess der Demenzform. Außerdem soll die bisher gültige Amyloid-Hypothese als Ursache der Erkrankung überprüft werden.

Auch Prof. Dr. M. Neumann behandelte die neuropathologischen Aspekte der Erkrankung in ihrem Vortrag "Neuropathologie der Demenzerkrankungen". Die ärztliche Leiterin der Neuropathologie in Tübingen bezog sich dabei besonders auf die Aufgaben des Pathologen bezüglich der Diagnostik der Erkrankung. Der Pathologe habe besondere Bedeutung in der Diagnosesicherung der Alzheimer-Demenz, erläuterte die Forscherin. Die bisher vorwiegend klinische Diagnosestellung habe derzeit meist nur eine Spezifität von 70-80%. Daher spiele im Rahmen der Qualitätssicherung die Pathologie eine immer größere Rolle. Durch histochemische und andere Verfahren sei die Neuropathologie aber auch entscheidend an der Aufklärung zugrunde liegender Pathomechanismen beteiligt.

 

Prävention und Früherkennung

Die Möglichkeiten erfolgreicher Demenz Prävention stellte Dr. F. Metzger, Oberarzt der gerontopsychiatrischen Station am Universitätsklinikum Tübingen vor. Unter dem Titel "Prävention und medikamentöse Therapieansätze" erläuterte er die besondere Relevanz des mittleren Lebensalters für die Vorbeugung der Erkrankung. So könne man beispielsweise durch die Normalisierung seines kardiovaskulären Risikoprofils auch eine Prävention bezüglich der Alzheimer-Erkrankung erreichen. Kombiniert werden sollte diese Art von Vorbeugung außerdem durch kognitives- und körperliches Training. Zusätzlich gebe es Hinweise, dass eventuell die mediterrane Küche sowie der Konsum von wenig Alkohol zu einer Prävention beitragen könnten.

Mit der Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen befassen sich seit einigen Jahren Forscher am Universitätsklinikum Tübingen. Darunter auch Prof. Dr. D. Berg und Prof. Dr. G. Eschweiler. Unter dem Titel "Früherkennung der Alzheimer-Krankheit: Die Tübinger TREND-Studie" erläuterte Prof. Dr. D. Berg den Ablauf der auf insgesamt mehrere Jahre angelegten Studie. Dabei würden insgesamt etwa 1200 Menschen im 2-Jahresabstand auf eventuelle Risikofaktoren neurodegenerativer Erkrankungen hin untersucht. Dabei baue die Studie gewissermaßen auf die Erkenntnisse der sogenannten "Rotterdam-Studie" auf. Diese habe die Störung der Geruchswahrnehmung, Depressionen und REM-Schlafstörungen als eventuelle Risikofaktoren neurodegenerativer Erkrankungen ausgemacht. Nun wolle das Tübinger Team den Zusammenhang dieser Faktoren erforschen sowie weitere nützliche nicht-invasive Marker der Früherkennung ausmachen.

 

Diagnostik auf allen möglichen Ebenen

Auf die Diagnostik der Alzheimer-Demenz ging auch Prof. Dr. J. A. Fallgatter unter dem Titel "Rolle der Bildgebung in der Alzheimer-Diagnostik" ein. Zunächst einmal sei die Bildgebung eine Möglichkeit einige andere Krankheiten, die auch mit kognitiven Defiziten einhergingen, differenzialdiagnostisch auszuschließen; so der ärztliche Direktor der Klinik. Anschließend führte er in die Verfahren des strukturellen und funktionellen MRT, des PET sowie der Nah-Infrarot-Spektroskopie ein. Mittels der Nah-Infrarot-Spektroskopie habe man in Tübingen beispielsweise eine verminderte Frontalhirnaktivität während des Lösens von Wortaufgaben bei demenziell erkrankten Personen feststellen können; so Fallgatter. Auch im Rahmen der Tübinger "TREND-Studie" würde diese neue Technik zum Einsatz kommen.

Unter dem Titel "Angemessene Diagnostik in der Memory Clinic" erläuterte Dr. N. Köhler das Vorgehen in der Tübinger Gedächtnissprechstunde. Diese habe sich unter anderem eine frühzeitige und richtige Diagnosestellung der Alzheimer Demenz zum Ziel gemacht. Zusätzlich berate man hier aber auch verschiedener Therapiemöglichkeiten und mache individuelle Behandlungsvorschläge. Im Rahmen der Forschung sei die "Memory Clinic" an klinischen Studien beteiligt.

Einen praktischen Ratschlag gab Prof. Dr. G. Eschweiler unter dem Titel "Neuropsychologische Screenings: vom MMS und Uhrentest zum Mini-Cog?". In Vertretung für Dr. M. Milian referierte der Geriater über den sogenannten "Mini-Cog Test". Dieser sei in etwa 4 Minuten auch im ambulanten Bereich problemlos durchzuführen und habe eine Trennschärfe von etwa 80% bezüglich der Frage, ob eine Demenz vorliege oder nicht. Der Test bestehe aus 2 Teilen. Zunächst würde der Proband 3 unzusammenhängende Wörter vom Untersucher genannt bekommen. Diese müsse sich der Proband merken und danach eine Uhr mit bestimmter Zeit zeichnen. Anschließend müsse sich der Proband wieder an die zuvor gesagten Wörter erinnern und diese benennen.

Eine aufwendigere Diagnosetestung stellte anschließend Dipl.-Psych. S. Müller unter dem Titel "Neuropsychologische Defizitmuster bei der Alzheimer-Demenz" vor. Die in der "Memory Clinic" standardmäßig angewendete "CERAD-Plus Batterie" teste in 30-45 Minuten etwa Fähigkeiten zur Wortflüssigkeit und zum verbalen Gedächtnis. Außerdem seien der bekannte "MMS-Test" sowie Aufgaben des Figuren-Abzeichnens in den Test implementiert. Anhand von unterschiedlichen Auswertungen der "CERAD-Plus Batterie" zeigte der Diplom-Psychologe die Unterschiede zwischen verschiedenen kognitiven Einschränkungen auf. Trotz der aufgezeigten Unterschiede sei aber keine eindeutige Differenzierung der Erkrankungen durch die Test-Batterie möglich.

 

Therapie im ganzheitlichen Fokus

Bezüglich der Therapie der Alzheimer-Demenz wurden im Rahmen des Welt-Alzheimer-Tages medikamentöse- und nicht-medikamentöse Therapieansätze gegenübergestellt. Einen Ausflug in die medikamentöse Art der Therapie machte Dr. F. Metzger unter dem Titel "Prävention und medikamentöse Therapieansätze". Zunächst stellte der Tübinger Mediziner die zwei Wirkstoffgruppen aktueller Antidementiva vor. Hier würden die Acetylcholinesterase-Inhibitoren für leichtere- und die Glutamatmodulatoren für mittel- und schwere Demenzformen verwendet werden. Einen positiven Kombinationseffekt der beiden Wirkstoffgruppen habe man derzeit noch nicht eindeutig nachweisen können.

Über die nicht-medikamentösen Therapieansätze referierte Dr. S. Voigt-Radloff aus Freiburg unter dem Titel "Nicht-medikamentöse Therapieansätze bei Demenz". Der Freiburger erläuterte neben emotionsorientierenden-, aktivierungsorientierende und kognitiven Verfahren auch ganz besonders die Rolle der Angehörigen. Diese habe man im Rahmen des sogenannten "Tele.TAnDem-Projekts" der Universitäten Jena und Hildesheim besonders gut untersucht. In dem Projekt habe man pflegenden Angehörigen eine telefonische Psychotherapie angeboten. Im Ergebnis konnte unter anderem eine signifikante Verringerung der Pflegebelastung festgestellt werden.

Schlagworte

Mehr zum Thema

Artikel: Rückblick 7. Semester

Artikel: Tipps für das OSCE

Artikel: Das 6. Semester - ein Rückblick