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  • D. Preißler und F. Martens
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  • 22.09.2005

Kriechende Gefahr: Notfall Schlangenbiss - Teil 3

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Ursachen der Vergiftungen

Weltweit sind derzeit etwa 3000 Schlangen beschrieben, von denen etwa 700 als giftig angesehen werden.
Die meisten Giftschlangen stammen aus tropischen oder subtropischen Ländern und werden hierzulande in häuslichen Terrarien oder in zoologischen Gärten gehalten. Ob eine Schlange giftig ist oder nicht, kann der Laie oft nicht erkennen. Selbst für Herpetologen mag es wegen der natürlichen Variationsbreite gelegentlich schwierig sein anhand von Färbung, Länge, Durchmesser, der Kopfform und der Bezahnung der Schlange eindeutig eine Bestimmung vorzunehmen.

Alle Schlangengifte sind wässrige Lösungen unterschiedlichster Eiweiße. Sie werden in modifizierten Speicheldrüsen gebildet und enthalten Polypeptide und Enzyme.

 

Wirkungen der Schlangengifte

Die Schlangengifte lassen sich aufgrund ihrer Hauptwirkung in solche mit neurologischen Folgen (Neurotoxine) und solche mit Folgen für die Blutgerinnung (Hämatoxine) unterscheiden.
Peptide wirken als Blocker cholinerger Rezeptoren vom Nikotintyp, Kaliumkanalblocker, Azetylcholinesterasehemmer sowie am Herzen.
Unter den Enzymen im Schlangengift finden sich Hyaluronidasen, Phospholipase A, Proteasen und Hämorrhagine. Die in fast allen Schlangengiften enthaltene Hyaluronidase führt zur Auflockerung des umgebenden Gewebes und damit zur raschen Ausbreitung der sonstigen Inhaltsstoffe. Die Phospholipase führt durch Abbau membranständiger Phospholipide zu massiven Gewebszerstörungen.
Weitere Eiweiße können durch Veränderungen der Basalmembran der Kapillaren Gewebsblutungen verursachen. Kininogenasen führen über die Freisetzung von Bradykinin zum Schockzustand.

 

Symptome der akuten Vergiftung

Die zu beobachtende Symptomatik wird sowohl von dem jeweiligen Gift als auch von dessen Dosis (Giftvorrat der Schlange - Fangbiss oder Abwehrbiss), vom Körpergewicht des Gebissenen und auch von der Lokalisation der Bissstelle (peripher oder ZNS-nah) bestimmt.

Teilweise stärkste Schmerzen, die von der Bisswunde ausstrahlen, motorische und sensorische Störungen im betroffenen Körperteil aber auch allgemeine neurologische Auswirkungen (u. a. Atemlähmung) sowie Zeichen der lokalen und systemischen Gewebszerstörung mit Entwicklung von zunächst Ödem, von der Bissstelle ausgehend bis hin zu Nekrosen bzw. Hämolyse und Verbrauchskoagulopathie mit der Folge eines Nierenversagens oder des Verblutens (z. B. gastrointestinal, Bluthusten) werden beobachtet.

 

Therapiemaßnahmen

Die Notfalltherapie besteht neben beruhigendem Auftreten aus symptomatischen Maßnahmen (z. B. Volumengabe, Gabe von blutdrucksteigernden Mitteln, Analgetikagabe, bei Zeichen der zentralen oder peripheren Ateminsuffizienz Intubation und Beatmung).
Die betroffene Extremität sollte nach Desinfektion der Bisswunde auf jeden Fall mit Hilfe einer Schiene immobilisiert werden. Das Auswickeln der Extremität mit einem unter sanftem Zug angelegten zirkulären Kompressionsverband gilt nicht bei jedem Schlangenbiss als wirksam. Das Aussaugen des Bisses, das Einritzen oder Einschneiden im Bereich der Bissstelle und das Anlegen einer venösen Stauung oder sogar einer arteriellen Blutsperre durch den später hinzukommenden Notarzt gelten als völlig wirkungslos und sollten daher unterlassen werden. Im Gegenteil können dadurch die lokalen Verhältnisse durch Wundinfektion, Blutungen und Durchblutungsstörungen deutlich verschlimmert werden. Durch den Laien angelegte Kompressionsverbände sollten belassen werden, sofern distal davon reguläre Durchblutung nachweisbar ist, bis das Krankenhaus erreicht ist.

Alle Patienten sollten in ein Krankenhaus mit Intensivstation transportiert werden. Dort sollte in Abstimmung mit Experten der Giftinformationszentralen bzw. mit dort bekannten Schlangenexperten die Indikation zur evtl. Antiserumtherapie festgelegt werden.
Ob ein Antiserum existiert und wo es bevorratet wird, kann man über die Giftinformationszentrale in München (089/19240) erfragen. Dies setzt natürlich voraus, dass die Schlange korrekt identifiziert wurde - welche Möglichkeiten dazu bestehen, wurde bei den dargestellten Fällen illustriert.

 

Literatur

Gold B. et al. Bites of Venomous Snakes. N Engl J Med 2002; 347, No. 5: 347-356

Junghans T, Bodio M. Gefahren durch Gifttiere und tierische Gifte. Internist 1999; 40: 1181-1188

 

 

 

 

 

 

 

McKinney P. Out-of-Hospital and Interhospital Management of Crotaline Snakebite. Ann Emerg Med 2001; 37-2: 168-174

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Die Autoren:

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens
Charité - Campus Virchow Klinikum
Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

D. Preißler
SDB Serum-Depot-Berlin e. V.
Berlin

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