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  • Bericht
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  • Thomas Rielage
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  • 21.04.2006

Famulatur in Thessaloniki, Griechenland

Als Halbgrieche war für Thomas klar, dass er zumindest eine Famulatur in Griechenland absolvieren wollte. Zunächst hat er bedauert, dass ihm nicht seine erste oder zweite Wahl, Athen oder Kreta, zugewiesen wurde, doch seine Enttäuschung war nur von kurzer Dauer.

Motivation und Formalitäten

Meine Motivation bestand in mehreren Dingen. Zum einen wollte ich ein südeuropäisches Gesundheitswesen am eigenen Leib miterleben ohne die Verzerrung Tourist oder Patient zu sein. Zum anderen habe ich aus persönlichen Gründen eine besondere Beziehung zu Griechenland (ich bin Halbgrieche) und wollte etwas mehr über Arbeits- und Lebensbedingungen als Arzt dort erfahren. Und nicht zu letzt zog mich der sehr gute Ruf der griechischen Ärzte nach Griechenland, die angeblich ohne große apparative Diagnostik sehr verlässliche Diagnosen abliefern können.
So entschloss ich, mich via Fachschaft beim DFA für eine einmonatige Famulatur zu bewerben und bekam eine Zusage für den Monat August.

Ein ganz großer Vorteil, wenn man innerhalb Europas famuliert, sollte sich sehr bald praktisch bemerkbar machen: man braucht keine Visa und keine Impfungen, die man nicht zu Hause auch in Anspruch nehmen würde und kann ganz unkompliziert an die Famulatur rangehen.

 

Organisation

Die Organisation war -gelinde ausgedrückt- eine Katastrophe. Zwar bekam ich vom DFA relativ zeitig noch mitgeteilt, dass ich für einen Austausch in Griechenland akzeptiert wurde, nicht jedoch für welche Stadt. Meine Favoriten waren Kreta, Athen und erst an dritter Stelle Thessaloniki. Nachdem dann doch klar wurde, dass ich in Thessaloniki landen sollte, geschah vorerst gar nichts mehr. In dem Wissen, dass ich im August famulieren würde, buchte ich einen Flug für den 31.7. in dem Glauben, dass meine Famulatur eben auch am 1.8. anfangen sollte. Auf meine Mails an die Kontaktpersonen in Thessaloniki, wann ich ankommen würde und ob es Probleme mit meiner Unterbringung geben würde, Austauschbeginn war ja der 1. August, gab es keine Antwort. Nach einigen weiteren Mails erbarmte sich dann die zweite Kontaktperson auf meine Mail zu antworten. Dabei handelte es sich allerdings um eine Mail, die nichts weiter beinhaltete als die Feststellung, dass ich für eine Nacht ein Hotel nehmen müsste, man aber nicht herzlos sei... Und außerdem würde bald eine Rundmail mit den wichtigen Infos folgen.

Also, gut, dachte ich mir und wartete auf die Mail, die vielleicht meine Neugier über den Ablauf stillen sollte. Diese Mail kam dann auch ein paar Tage später und beantwortete zwar die Frage, was Griechenlands Währung ist, wie man von Athen nach Thessaloniki kommt, ob man wirklich in Griechenland einen Hitzschlag bekommen kann und einiges mehr, aber eben gar nichts, was die Organisation betraf. Auf weitere Mails an beide Kontaktpersonen gab es keine Antwort, auf SMS gab es keine Antwort und am Telefon war vom Vater der zweiten Kontaktperson auch nur zu erfahren, dass sie selbst in einem Austausch war. Unsere eigentliche Kontaktperson Nummer eins war vom Erdboden verschluckt.

Da stand ich nun zwei Tage vor Abflug und kannte weder meine eigentliche Kontaktperson, wusste weder ob mich jemand vom Flughafen abholen würde oder wo und wann ich meine Kontaktperson treffen sollte nachdem ich für eine Nacht ins Hotel gehen würde. Geschweige denn, wo mein Krankenhaus sein würde. Mit anderen Worten: ich wusste zwei Tagen vor Abflug überhaupt nichts! Eine Freundin mit der ich den Austausch zusammen machte, hatte wesentlich mehr Glück: sie bekam die Infos für uns beide in der Nacht vor unserem Abflug.

Wie sich herausstellte waren wir jedoch nicht die einzigen, die unter einer schlechten Organisation zu leiden hatten. Die Studenten, die aus Ägypten und Tunesien stammen, bekamen ihre "invitation letter" so spät, dass sie nur durch viel Glück noch rechtzeitig Visa für den August bekamen; eine Studentin aus Spanien musste -ohne Benachrichtigung- vier, eine andere aus Polen drei Stunden auf jemanden warten, der sie am Flughafen abholte.

Grade weil ich der Meinung bin mit der griechischen Mentalität vertraut zu sein muss ich sagen, dass ich so eine schlechte Organisation weder jemals in Griechenland erwartet noch davon gehört hatte. Auch in den Berichten, die ich bisher gelesen hatte, war davon niemals die Rede. Jedoch gab es ein Trostpflaster: die Austauschstudenten für den Juli waren früher abgereist und ich brauchte mir deswegen kein eigenes Hotelzimmer nehmen.

 

Unterkunft

In Thessaloniki angekommen nahm uns ein freundlicher Student vertretungsweise am Flughafen in Empfang und brachte uns zu unseren Unterkünften. Ich war sehr überrascht, dass ich nicht in einem Wohnheim wohnen sollte sondern mit einem Mitbewohner in einer kleinen aber schönen Wohnung. Sie war voll ausgestattet und lag mitten im Zentrum der Stadt, fünf Minuten zu Fuß entfernt von der Hafenpromenade, dem Marktviertel mit den Tavernen und dem Wahrzeichen der Stadt, dem weißen Turm.

 

Ablauf der Famulatur

Da unsere erste Kontaktperson unauffindbar und sich unsere zweite selbst in einer Auslandsfamulatur befand, tat sich erst einmal nichts. Eigentlich sollten wir Austauschstudenten im Krankenhaus verpflegt werden, aber uneigentlich wusste niemand in welches Krankenhaus wir kommen sollten oder ob wir in der Küche überhaupt angemeldet waren, so dass wir uns erst einmal selbst verpflegten und auf den Beginn der Famulatur warteten. Als unsere zweite Kontaktperson dann aus Ungarn wiederkam, wurden wir am nächsten Tag zu unseren Abteilungen in die Kliniken gebracht. Bei mir war das Allgemeinchirurgie im "Gennimatas"-Krankenhaus.

Die Chirurgen waren äußerst nett und zuvorkommend zu uns und bedauerten zutiefst, dass wir im August kamen. Denn der August ist der Monat, in dem die Operationen auf ein Mindestmaß reduziert werden aufgrund des Klimas und der Tatsache, dass viele Griechen in diesem Monat aus den Städten auf die kühleren Inseln oder die Heimatdörfer flüchten. So hatten wir dann sechs Kranke für vier Austaustudenten, zwei Professoren und einige Assistenzärzte. Das trug sicherlich dazu bei, dass man sich persönlich näher kam und die Möglichkeit bekam Griechenland besser kennenzulernen.

Kam es zu einer Operation durfte man assistieren, was ein besonderes Privileg war, da die griechischen Studenten selbst in ihrem PJ meist nur zuschauen durften. Ansonsten konnte man einiges in der Ambulanz machen - und das unabhängig von der Sprache.
Weil jedoch grade am Beginn wenig zu tun war, beschloss ich meinen Mitbewohner auf der Intensivstation zu besuchen, wo er famulierte. Dieses sollte sich als Glücksgriff entpuppen! Ich wurde dort eingeladen die Visiten mitzumachen, an Fallbesprechungen teilzunehmen, Röntgenbilder zu begutachten, Patienten zu untersuchen etc. Kurzum: es wurde einem unheimlich viel in einer sehr, sehr entspannten Atmosphäre mit einem hervorragendem Team (menschlich und fachlich) geboten, wie man es sich als Student schon immer wünschte. Kam man nachmittags oder am Wochenende, wenn der Trubel nicht so groß war, durfte man selbst einen ZVK legen, intubieren (was in Griechenland den ausgebildeten Anästhesisten vorbehalten ist!) arterielle Punktionen machen oder Liquor abnehmen, bevor man eine kleine Stadtrundfahrt mit dem Oberarzt machte.

Generell waren die Arbeitszeiten von 9 bis 13 Uhr, wobei man durchaus ermutigt wurde, auch den einen oder anderen Nachmittag für die Notaufnahme oder ein paar Stunden am Wochenende vorbei zu schauen. Alles war jedoch sehr locker.

 

Ärzte in Griechenland

Um es auf einen Punkt zu bringen: Obwohl wir nach einer Woche in eines der modernsten Krankenhäuser Europas zum Famulieren gebracht werden sollten, weigerten sich alle sieben Austauschstudenten geschlossen das bisherige Krankenhaus zu verlassen. Das aktuelle Krankenhaus selbst war zwar etwas kleiner aber auf dem neuesten Standart.

Sowohl die Chirurgen als auch die Anästhesisten der Intensivstation waren einfach unglaublich gut zu uns! Wir wurden zum Essen eingeladen, zum Strand gebracht und nach Hause eingeladen. Kurzum bekam man alle positiven Klischees der griechischen Gastfreundschaft zu sehen. Gefordert wurde nur das, was man auch machen wollte und dabei wurde man immer unterstützt. Mangels Operationen kann ich mich leider nicht über den Stand der griechischen Chirurgen äußern, aber über die Anästhesisten der Intensiv kann ich nur Gutes sagen. Ich war schon auf mehreren Intensivstationen in Deutschland und in Finnland aber Griechenland bleibt für mich unerreicht.

Besonders interessant dürfte sein, dass es nur eine gemischte Intensivstation mit einem riesigen Spektrum gab, wo man geduldig angeleitet wurde möglichst viele Eingriffe selbst zu tun. Überhaupt schienen gerade dort die Ärzte einen großen Spaß daran zu haben ihre ausländischen Studenten zu betreuen und uns etwas beizubringen. Grade die kleinen Tricks mit großer Wirkung der alten Hasen erscheinen mir besonders wertvoll und stießen auch bei altgedienten Ärzten in Deutschland auf bewunderndes Unwissen!

 

Sprachkenntnisse

Alle Ärzte sprachen sehr gutes Englisch und waren zum großen Teil selbst schon einmal im Rahmen ihrer Ausbildung im Ausland gewesen. Außerdem sprachen einige Ärzte und Patienten Deutsch, wobei griechisch natürlich das Ideal ist, um mit den Patienten zu sprechen.

 

Freizeitmöglichkeiten

Sollte einem doch tatsächlich einmal die Stationsarbeit nicht mehr als einzige Betätigung in Griechenland ausreichen, hat man diverse Freizeitmöglichkeiten. Zum einen bietet sich Thessaloniki selbst mit einem ausgezeichneten Nachtleben und Einkaufsmöglichkeiten an. Zum anderen laden natürlich die langen Strände der Chalkidiki ebenso ein wie viele interessante Museen in der Stadt oder Konzerte. Außerdem eignet sich die Stadt als Ausgangspunkt für griechische Inseln wie Thassos oder die Nachbarländer wie die Türkei und Bulgarien. Eine direkte Zug- und Busverbindung ist vorhanden. Generell ist Reisen in Griechenland noch relativ günstig, so dass der Übernachtzug nach Athen für 14 Euro und die Bahn nach Sofia für 22 Euro zu haben ist (August 2005).

 

Fazit

Auch wenn alle Austauschstudenten als Wunschort Athen oder Kreta angegeben hatten, so waren wir nachher doch zufrieden in Thessaloniki gelandet zu sein. Meine persönliche Empfehlung ist die Intensivstation im Krankenhaus Gennimatas, weil hier hochengagiert Ärzte andere Ärzte ausbilden und Wissen weitergeben wollen. Die Sprache, die meist als Barriere Angstgefühle auslöst, hat niemandem Probleme bereitet und es wurde geduldig übersetzt, wenn etwas unverstanden blieb.

Ich würde diesen Austausch trotz der katastrophalen Organisation jederzeit wieder machen und um fair zu sein muss man sagen, dass das ganze Organisationskomitee wohl vor einer Umbildung steht. Sollte alles gut laufen, werde ich wohl auch versuchen ein PJ-Tertial dort zu absolvieren, denn neben dem ausgezeichneten medizinischen Niveau entwickelten sich viele Freundschaften. So überschätzt Finnland in seiner medizinischen Ausbildung ist, so unterschätzt ist mit Sicherheit Griechenland. Also, nur Mut und auf nach Griechenland!

Die Adresse lautet:

G. Gennimatas hopsital
Ethnikis Aminis 14
Thessaloniki, Greece

 

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