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  • Annika Simon
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  • 18.10.2016

Studenten sind gestresster als Arbeitnehmer

Glaubt man einer aktuellen Studie der AOK, leiden Studenten häufiger unter Stress als Berufstätige. Finanzielle Sorgen, Prüfungsdruck und Perfektionswahn bringen junge Menschen aus dem Gleichgewicht. Wie kommt es zu diesem hohen Maß an Stress, und mit welchen Tricks können Betroffene gegensteuern?

 

 

Druckbetankung: Jeder Zweite im Dauerstress

Vorbei der Mythos vom lässigen Studentenleben! Von wegen Ausschlafen bis mittags und Donnerstagabend schon Wochenende. Glaubt man einer aktuellen Studie der AOK, leiden deutsche Studierende sogar noch stärker unter Stress als normale Arbeitnehmer. Die gesetzliche Krankenkasse befragte rund 18, 000 Studierende aller Fächer und Hochschulformen und kam hierbei auf erschreckende Zahlen. Im Ländervergleich leiden in NRW die meisten Studierenden unter Stress und über alle Bundesländer hinweg sind besonders Fachhochschüler, Bachelorstudenten und Mitglieder staatlicher Unis betroffen. Stressfaktoren sind vor allem die Wohnungssuche bei Wohnungsmangel in Großstädten, Prüfungsdruck und Abschlussarbeiten. Hinzu kommen Nebenjobs und Zukunftsängste, die manch einen jungen Menschen Nacht für Nacht um den Schlaf bringen. Jeder zweite ist Opfer von Dauerstress, was sicher auch mal ein Grund für einen Studienabbruch sein kann.

 

Frauen und Bachelor-Studis besonders betroffen

Im direkten Subgruppen-Vergleich schneiden die Medizinstudierenden eigentlich ganz passabel ab. So liegt ihr Stresslevel im normalen, aber an sich schon sehr hohen Bereich, während ihre Kommilitonen der Tiermedizin, der Ernährungswissenschaften sowie der Informatik laut AOK-Studie noch stärker unter Strom stehen. Das ganze relativiert sich ein bisschen, wenn man die Geschlechterunterschiede mit heran zieht. Frauen leiden dabei viel stärker unter Stress und da über die Hälfte der Medizinstudierenden heute weiblich sind, dürfte auch an deutschen Universitätsklinika so manches Herz unter Einfluss ständiger Stresshormonbefeuerung höher schlagen.

Doch warum sind weibliche Studies die häufigeren Stressopfer? Sind Frauen perfektionistischer, ehrgeiziger und fleißiger? Oder einfach nur viel empfindlicher als ihre männlichen Mitstreiter? Vielleicht ist da eine Spur Wahrheit dran. In meiner eigenen Vorklinikzeit saßen jedenfalls immer nur Kommilitoninnen bis abends in der Bibliothek oder schon lange vor Prüfungsbeginn aufgeregt mit tausend fein säuberlich geschriebenen Kartekarten vor dem Hörsaal. Machen wir uns den Stress also selbst oder kommt der Druck – man Bedenke die Hürden zum Studienplatz und die vielen Prüfungen – von außen? „In der Vorklinik kam schon ziemlich viel auf einmal!“, erzählt die PJ-lerin Mareike im Rückblick auf ihre ersten vier Semester. „Physik musste ich dreimal schreiben, obwohl ich Tage und Nächte durchgelernt hatte, und auch Biochemie war ein echtes Problem. Wie oft saß ich verzweifelnd und heulend vor den Altklausuren. Ohne Nachhilfe eines Klinikers hätte ich es wohl niemals bis hierher geschafft!“

Neben den hohen Anforderungen, die ein Medizinstudium fachlich an den Einzelnen stellt, spielt auch die Studienfinanzierung eine große Rolle in Hinsicht auf die Stressbelastung. „Das Lernen an sich macht mir eigentlich Spaß und auch die Klausuren sind in der Regel kein Problem.“, erzählt Kevin, der mittlerweile im 5. Jahr Medizin studiert. Sein größter Stressfaktor ist derzeit die Finanzierung: „Ich arbeite regelmäßig in den Semesterferien auf Messen und fast an jedem Wochenende als Aushilfe im Restaurant. Kommen dann ein paar schwere Fächer im Studium wird es schon stressig!“

 

Schnell Tipps gegen den Prüfungsstress

Sucht man nach Studenten mit der geringsten Stressbelastung, fallen sofort die Sportstudenten ins Auge. Laut Studie leiden sie eindeutig am wenigsten unter Stress, was ein Hinweis dafür sein könnte, dass sich regelmäßige körperliche Ertüchtigung positiv auf das Stresslevel auswirken kann. Und genau hier könnte sich ein schnell umzusetzender Lösungsansatz für Betroffene auftun: Sport als Stressprävention im Studium. Sport ist dabei ein weiter Begriff und umfasst viele Bewegungsformen von zügigen Spaziergängen in der Lernpause über eine Joggingrunde mit der besten Studienfreundin bis hin zu einem Kletterkurs im Rahmen des Unisports. Auch Kevin nutzt übrigens regelmäßiges Training als Ausgleich zu Prüfungsstress und Nebenjob: „Bei guten Wetter fahre ich mit meinem Rennrad zur Uni und kann mich so ganz nebenbei auch noch auf kleine Wettkämpfe vorbereiten.“ Mareike lässt es dagegen etwas ruhiger angehen und besucht zweimal wöchentlich eine Yoga-Stunde im Unisport-Zentrum: „Seit etwa zwei Jahren praktiziere ich regelmäßig Yoga, bin viel entspannter geworden und kann mich in Prüfungen auch viel besser konzentrieren“, schwärmt die PJ-lerin von den Effekten regelmäßiger Entspannungsphasen.

Sport ist aber noch lange nicht alles, wann den Stress im Studium kurz und auch langfristig abfangen kann. So bilden ein regelmäßiger Schlafrhythmus und eine ausgewogenen Ernährung mit Obst und Gemüse eine gute Grundlage für geistige Höchstleistungen und auch gemeinsame Zeit mit Freunden und Familie kann sich sehr positives auf das Wohlbefinden auswirken. Diese „Wundermittel“ haben dabei viel weniger Nebenwirkungen als Energiedrinks oder andere Aufputschmittel und machen meist auch richtig Spaß. Fazit: Wenn der Stress mal wieder überhand nimmt, schnapp dir deine beste Freundin, einen Apfel und dreh mit dem Fahrrad eine Runde um den Block!

 

Weiterführende Links

- Anti-Stress-Programm der AOK

- Spiegel-Online-Artikel über die zitierte Stress-Studie

- Linkliste der Uni Bielefeld zum Thema Stressprävention für Studierende

 

 

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