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  • Ines Elsenhans
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  • 22.12.2015

Sterben – wie fühlt sich das an?

Wir verdrängen ihn gern. Aber er kann hinter jeder Ecke lauern: der Tod. Wir erklären, was in den Momenten rund um den letzten Atemzug im Körper geschieht.

Der Tod gehört zum Leben – und doch ist er uns nicht recht geheuer. Wie wird das sein, wenn die letzte Stunde schlägt? Tut es weh? Oder ist die Reise ins Jenseits durch einen finalen Hormonschauer weich gepolstert? Diese Fragen führen an Grenzen, über die niemand verlässlich blicken kann. Eine sichere Antwort bekommen wir wohl erst, wenn unsere eigene Seele erlischt oder – je nach Glauben – den Körper verlässt oder weiterwandert. Zumindest können Mediziner heute aber recht genau erklären, welche physiologischen Prozesse ablaufen, bis der Tod eintritt – und wie lange es dauert.

Bei der Betrachtung dieser „Pathophysiologie des Sterbens“ wird deutlich: Tod ist nicht gleich Tod. Manche Sterbende müssen vor dem Dahinscheiden unerwartet starke Schmerzen erleiden. Andere haben durch die speziellen Sterbeumstände das „Glück“, dass sie durch eine zerebrale Ischämie schnell bewusstlos werden und vom Sterbeprozess an sich gar nichts mitbekommen. Hier eine Übersicht über einige häufige Todesarten und ihre „subjektiven“ Eigenheiten.

Verbluten

Menschen können aus vielen Gründen so viel Blut verlieren, dass sie sterben: Häufig ist es ein inneres Verbluten, zum Beispiel, wenn ein bösartiger Tumor ein Gefäß arrodiert. Seltener sind Verletzungen mit scharfen Gegenständen oder Suizide. Je nachdem, wie groß das verletzte Gefäß ist, stirbt der Verblutende schneller oder langsamer. Ist die Aorta verletzt, kann der Tod innerhalb von Sekunden eintreten. Sind nur Venen oder kleine Arterien beschädigt, dauert es mitunter Stunden. Durch den Blutverlust kommt es zum hämorrhagischen Schock. Dabei werden unter anderem Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, die die Herzfrequenz steigern und die Gefäße eng stellen. Der Körper versucht so, den Blutdruck so lange wie möglich konstant zu halten.

Weil die α- und β-Adrenorezeptoren ungleichmäßig im Körper verteilt sind, wird das Blut so geleitet, dass Herz und Hirn besser versorgt werden als die Peripherie. Entsprechend kommt es in den entfernteren Körperarealen zur Hypoxie. Rechtsmediziner Prof. Peter Betz von der Uni Erlangen erklärt: „Weil die Muskulatur nicht mehr mit genügend Blut versorgt wird, entsteht eine Azidose begleitet von heftigen Ischämie-Schmerzen. Das fühlt sich ähnlich an, wie wenn man sich beim Krafttraining überanstrengt.“ In der Folge werden die Gefäße „undicht“, noch mehr Flüssigkeit tritt aus, und die Hypovolämie verstärkt sich weiter. 

Der Mensch hat etwa ein Blutvolumen von 3–7 Litern. Verliert er mehr als 1,5–2 Liter davon, wird er schwach, durstig, beginnt zu frieren, bekommt Angst und fängt heftig an zu atmen. Wird der Blutverlust nicht gestoppt, kommt es zur Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, und der Verblutende wird bewusstlos. Der Tod tritt kurze Zeit später ein, z. B. infolge von Herzversagen durch kardiale Ischämie.

Abstürzen

Bei einem Sturz aus großer Höhe kommt es darauf an, wie tief der Körper fällt, welcher Körperteil zuerst aufschlägt und wie der Untergrund beschaffen ist. Auch kann es eine Rolle spielen, wie alt der Stürzende ist, welchen Körperbau er hat und ob er schon vor dem Fall bewusstlos war und somit nicht mehr versuchen konnte, den Aufprall abzufangen. Aus niederer Höhe reicht mitunter schon eine Haushaltsleiter, um z. B. durch einen Genickbruch ins Jenseits befördert zu werden. Andererseits überstehen manche Menschen auch den Absturz aus großer Höhe unbeschadet. Der Fallschirmspringer Michael Holmes überlebte z. B. einen freien Fall aus 3.600 Metern Höhe mit einer Geschwindigkeit von 139 Kilometern pro Stunde. Da ein Brombeerstrauch seine Landung abfederte, brach er sich lediglich einen Knöchel und verletzte sich an der Lunge. Nach elf Tagen konnte er die Klinik wieder verlassen. Aber das sind Ausnahmen. Notarzt Volker Wanka aus Pforzheim sagt: „Ab drei Metern wird es lebensgefährlich, ab zehn Metern ist es dann eher ungewöhnlich, dass ein Mensch überlebt.“ 

Häufig kommen die Fallenden mit den Füßen zuerst auf und brechen sich Beine, Rückgrat und Becken. Durch die Wucht kommt es beim Aufprall oft zu Zerberstungstraumen. Das heißt, innere Organe wie die Lunge, Milz, Leber, Herz und große Blutgefäße platzen. In der Regel ist der Stürzende bei solch schweren Verletzungen auf der Stelle tot. Meistens sind die Körper äußerlich unversehrt und die Verletzungen nur innerlich. Es können aber auch gebrochene Knochen die Haut durchbohren oder Rippen die Aorta aufreißen.

Verbrennen

Viele Menschen, die verbrennen, werden sehr schnell bewusstlos, weil die Flammen ihnen vor der Nase den Sauerstoff entziehen. Vom eigentlichen Verbrennen bekommt der Betroffene dann nichts mehr mit. Ist der Verbrennende nicht bewusstlos, können die Schädigungen der Haut grausame Schmerzen verursachen. Je nachdem wie stark der Adrenalinschub in der Gefahrensituation ist, überdeckt dieser aber auch die Qualen. Haben die Brandwunden eine gewisse Tiefe erreicht und somit die Nerven zerstört, spürt der Verbrennende nichts mehr. Steigt die Körpertemperatur auf über 50°C, denaturieren die Eiweiße, es kommt zu Koagulationsnekrosen, was eine starke Immunreaktion auslöst. Infolgedessen wird das Endothel geschädigt und Wasser sowie Blutplasma treten in das umgebende Gewebe aus. „Das kann zum Kreislaufschock und Organversagen führen, weil das zirkulierende Blutvolumen sinkt und viskos wird“, erzählt der Rechtsmediziner Prof. Betz.

Menschen, die sich in brennenden Häusern aufhalten, sterben oft nicht durch die Flammen, sondern weil sie innerlich ersticken. In einem Raum atmet man zwangsläufig den Rauch ein, der u. a. Kohlenstoffmonoxid enthält. CO bindet an Hämoglobin, sodass kein Sauerstoff mehr transportiert werden kann. Zunächst bekommt der Betroffene dadurch starke Kopfschmerzen, wird anschließend bewusstlos und erstickt dann.

Herzinfarkt

Bei einem Herzinfarkt sterben Teile des Herzmuskels ab, weil sie nicht mehr richtig durchblutet werden. Ursache sind meist arteriosklerotische Plaques in den Koronargefäßen mit sich daraufsetzenden Thromben. Je größer die Ischämie des Herzens, desto größer die Schmerzen, die bis in den Bauch, Hals, Rücken und die Arme abstrahlen können. „Mitunter kann ein Herzinfarkt so starke Schmerzen verursachen, dass man vom sogenannten Vernichtungsschmerz spricht“, erzählt Notarzt Volker Wanka. „Dabei hat der Betroffene das Gefühl, an den Schmerzen zu sterben, und kann durch den Schmerz sogar bewusstlos werden.“ Dazu kommt oft ein beklemmendes Gefühl, Druck auf der Brust, Kurzatmigkeit, Übelkeit und kalter Schweiß. 

Häufig werden Herzattacken aber auch gar nicht wahrgenommen, weil die Betroffenen denken, sie hätten nur Magenverstimmungen oder Rückenschmerzen. Ist die Sauerstoffversorgung des Myokards zu gering, hört das Herz entweder ganz auf zu schlagen oder man bekommt Herzrhythmusstörungen. Kann kein Blut mehr gepumpt werden, wird der Betroffene binnen Sekunden bewusstlos, nach wenigen Minuten ist er tot. Je schneller ein Herzinfarktpatient behandelt wird, desto größer sind die Überlebenschancen. Die Akutsterblichkeit der Patienten, die im Krankenhaus aufgenommen werden, beträgt zwischen 10 und 12 Prozent. Fast ein Drittel der Patienten stirbt allerdings leider schon vor der Aufnahme in eine Klinik.

Erfrieren

Im Zweiten Weltkrieg war Erfrieren eine häufige Todesursache, z. B. erfroren viele Soldaten in Russland bei -30°C. Heutzutage erfrieren in Deutschland nur noch wenige Menschen. Häufiger kommt es zu Unterkühlungen und infolgedessen zum Tod. Wie schnell der Unterkühlte stirbt, kommt darauf an, wie kalt es ist. Sinkt die Körpertemperatur unter 35°C, beginnen die Muskeln zu zittern, um die endogene Wärmeproduktion anzukurbeln. Damit das warme Blut im Körperinneren bleibt, werden die Gefäße verengt. Ähnlich wie beim Verbluten kann das zu einer schmerzhaften Ischämie der Muskeln führen. Häufig treten auch Apathie und Ataxie auf. Rechtsmediziner Prof. Peter Betz erzählt: „Wenn die Gefäßwandmuskulatur durch den Sauerstoffmangel erschöpft ist, kann der Gefäßtonus nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Gefäße gehen auf und das Blut strömt in die Peripherie. Paradoxerweise kommt es dadurch zu einem Wärmegefühl, obwohl der Betroffene unterkühlt ist.“ 

Sinkt die Körpertemperatur unter 28° C, können die Mitochondrien nicht mehr richtig arbeiten, die Glukosequellen versiegen, der Unterkühlte wird bewusstlos. Er bekommt starre Pupillen, Herzrhythmusstörungen, der Kreislauf bricht zusammen. Man spricht dann vom hyperdynamen Herzstillstand, da es zu keinem Blutauswurf mehr kommt. Schließlich erreicht kein Sauerstoff mehr das Gehirn, und der Tod tritt ein. Doch Achtung: Solange sichere Todeszeichen fehlen, gilt: Reanimieren, bis der Patient warm ist.

Ertrinken

Wie schnell ein Mensch ertrinkt, hängt davon ab, wie gut er schwimmt und wie kalt das Wasser ist. Gerät er in Panik, taucht sein Kopf nach 20 bis 60 Sekunden unter. Der Ertrinkende kann zunächst noch die Luft anhalten, sich durch Aufwärtsbewegungen wieder an die Oberfläche bringen und nach Luft schnappen. Irgendwann lässt die Kraft aber nach, und der Körper geht vollständig unter. Die Luft kann dann noch 30 bis 60 Sekunden angehalten werden, bis es durch die starke Anreicherung von Kohlenstoffdioxid im Blut zum obligaten Atemantrieb kommt. Rechtsmediziner Prof. Peter Betz erklärt: „Beim Einatmen schießt Wasser in Luftröhre und Lunge, was zu einem massiven Hustenreiz führt. Der Ertrinkende verschluckt sich, hustet, inhaliert und verschluckt sich immer fort.“ Da kein Gasaustausch mehr stattfindet, ist nach ein bis zwei Minuten das Gehirn mit Sauerstoff unterversorgt, und der Ertrinkende wird bewusstlos. 

Wie lange das Gehirn den Sauerstoffmangel toleriert, ohne abzusterben, hängt von der Wassertemperatur ab. Je kälter das Wasser, desto stärker wird der Kreislauf gedrosselt und somit weniger Sauerstoff von den Zellen verbraucht. Wird der Ertrinkende aus eiskaltem Wasser gerettet, ist eine Wiederbelebung sogar nach bis zu 30–60 Minuten möglich. Es gilt: Nobody is dead, until he’s warm and dead. Findet keine Rettung statt, besiegelt der Sauerstoffmangel den Tod. Europaweit ertrinken rund 20.000 Menschen jährlich. Hierzulande waren es letztes Jahr 383 Menschen. Die meisten davon waren Erwachsene zwischen 71 und 75 Jahren. Die wenigsten Todesfälle geschahen bei Kindern in der Altersgruppe 6–10 Jahre und bei Erwachsenen ab 90 Jahre aufwärts.

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