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  • Bericht
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  • Jennifer Jaensch
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  • 28.04.2008

Meine Stammzellenspende

Niemand wird bestreiten, dass es sich bei einer Blutspende um einen unkomplizierten, weder schmerzhaften noch gesundheitsschädlichen Eingriff handelt. Eine Stammzell- oder Knochenmarkspende hingegen ist selbst unter Medizinstudenten noch mit Vorurteilen behaftet. So lautete die erste Frage von Freunden, als Jennifer Jaensch fast stolz erzählte, dass sie Stammzellspenderin wird: "Und was bekommst du dafür?"

Meine Freunde vermuteten eine monetäre Honorierung, wie sie zum Beispiel die Transfusionszentrale in Mainz für eine Blutspende sowie für eine Thrombozytenspende bereitstellt. Aber nein, meine Antwort war: "Ich bekomme nichts dafür."

Ganz so stimmte das nicht. Ich bekam eine kostenlose Rundumuntersuchung, mit Blutentnahme, EKG und körperlicher Untersuchung. Und ich durfte mich vor und nach der Spende an den Brötchen, Süßwaren und Getränken im Aufenthaltsbereich der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) bedienen. "Du bist ja verrückt", hörte ich von manchen. Die meisten meiner Freunde und Bekannte sagten aber: "Ich finde das toll. Ich glaube, ich würde das auch machen."

Ich möchte tatsächlich jedem ans Herz legen, sich typisieren zu lassen. Es bedarf zwar einiger Überwindung, aber ihr könnt vielleicht einem Menschen das Leben retten.

Warum ich Spenderin werden wollte

Für mich war es immer ganz selbstverständlich Blut zu spenden. Ich wusste zwar von der Existenz der Knochenmarkspende, aber assoziierte diese mit langen OPs, Schmerzen und furchtbaren Risiken. So nahm ich davon zunächst lieber Abstand.

Im Februar 2005 erschien dann ein Zeitungsbericht: Es wurde von einem neunjährigen Jungen berichtet, der Dank einer Knochenmarkspende eine komplette Remission seiner Leukämie erreicht hatte. Abgebildet war der Junge, mit seinem Hund spielend. "Wenn das meinem Bruder passiert wäre ... ich hätte sofort gespendet!", dachte ich. In diesem Moment legte sich der Schalter in meinem Kopf um.

Ich suchte die Anzeige zur Registrierung auf und keine fünf Wochen später war ich bei der DKMS, der Deutsche Knochenmarkspenderdatei, registriert. Die Registrierung verlief ganz unkompliziert. Ich musste meine Daten angeben und mir wurde eine ganz normale Blutprobe entnommen. Somit war das erst Vorurteil widerlegt: Von wegen, man kommt gleich auf den OP-Tisch und muss seinen Beckenkamm hergeben.

Eine Woche später erhielt ich ein Schreiben von der DKMS. Mir wurde für meine Registrierung gedankt und erklärt, man werde sich bei mir melden, falls meine Gewebemerkmale mit denen eines Patienten übereinstimmen sollten.

"Ein Patient hat genau ihre Daten ..."

Es vergingen genau drei Jahre, bis sich die DKMS bei mir meldete. Inzwischen hatte ich schon vergessen, dass ich überhaupt registriert war [*]. Ab und zu, wenn das Gespräch auf Spende lenkte, fragten mich meine Freunde: "Und? Haben die sich mal bei dir gemeldet?" - "Nein, bisher nicht. Mal schauen..." Doch dann schaute ich schneller als mir lieb war.

Ende Januar erhielt ich ein Schreiben der DKMS. Aufgeregt öffnete ich den Briefumschlag und konnte zunächst gar nicht glauben, was ich las: Ein Patient hatte genau meine Daten und ich wurde gefragt, ob ich noch Interesse an einer Spende hätte. Selbstverständlich wird kein Spender gezwungen, schließlich tatsächlich zu spenden.

Ich las mir die beigelegte Infobroschüre durch und erfuhr Fakten, die mich sehr beruhigten: In der Broschüre wurde betont, nicht nur die Spende aus dem Beckenkamm, die sogenannte Knochenmarkentnahme, sondern auch die Spende aus einer Vene, die sogenannte periphere Stammzellenentnahme, stünde zur Auswahl. Ganz klarer Fall, ich entschied mich für die periphere Stammzellenentnahme, denn vor einer OP hatte ich Angst. Ich füllte das Schreiben aus, kreuzte "periphere Entnahme" an und vereinbarte einen Termin zur Voruntersuchung.

Komplett durchgecheckt

Die Voruntersuchung fand in der Blutspendezentrale in Frankfurt statt. Die DKMS bemüht sich immer Zentren auszusuchen, die in der Nähe des Wohnortes liegen, damit der Betroffene keine weite Reisen auf sich nehmen muss.

Am Tag der Vorsorgeuntersuchung wurde mir Blut abgenommen. Untersucht wurden zum Beispiel:

Des Weiteren wurden neben einer ausführlichen Anamnese folgende Untersuchungen durchgeführt:

Meine Ergebnisse waren alle unauffällig und wurden mir schriftlich mitgeteilt. Ich wurde über das genaue Prozedere der folgenden Tage aufgeklärt. Da ich mich ja für die periphere Stammzellentnahme entschieden hatte, musste ich mir nun für fünf Tage subkutan einen Wachstumsfaktor spritzen, dessen Dosis genau auf mein Körpergewicht abgestimmt wurde. Der Wachstumsfaktor heißt "Granocyte 13/34" und soll bewirken, dass die die Stammzellen auf volle Produktion gehen; daher auch das vorherige Milz-Sono, wo untersucht wird, ob die Milz einer erhöhten Anforderung überhaupt gewachsen ist. Außerdem erhielt ich ein Päckchen Paracetamol, da als Nebenwirkung grippeähnliche Symptome auftreten können.

Am nächsten Morgen um 7:00 Uhr war es dann soweit, ich musste zum ersten Mal "Granocyte" spritzen. Zum Glück übernahm das mein Freund, denn ich kann mir selber keine Spritze setzen.

Fünf Tage Grippe

Zweimal am Tag spritzte mein Freund "Granocyte" in mein Subkutangewebe, einmal morgens um 7:00 Uhr, einmal abends um 19:00 Uhr. Wir achteten peinlich genau auf die Zeitabstände, denn es sollten immer zwölf Stunden zwischen den Spritzen liegen.

An den ersten beiden Tage merkte ich gar nichts von dem Faktor. Am dritten Tag und die letzten beiden Tage der Einnahme hatte ich tatsächlich grippeähnliche Symptome. Ich hatte Glieder- und Rückenschmerzen und war froh, abends auf der Couch liegen zu können. Die DKMS hätte ich jederzeit anrufen können, wenn es mir wirklich schlecht gegangen wäre. Wären mir Schmerzen im linken Oberbauch aufgefallen, oder in der Schulterspitze, dann hätte ich das sofort melden müssen, denn das wäre das Zeichen dafür gewesen, daß meine Milz die Anforderungen nicht bewältigt. In den letzten fünfzehn Jahren ist einmal ein Fall einer Milzruptur aufgetreten, aber bei diesem Spender war die Milz schon vorher vergrößert gewesen.

Der Tag der Spende und danach

Am Tag der Spende fuhren mein Freund und ich schon ganz früh morgens nach Frankfurt zur Blutspendezentrale. Dort sollte die Entnahme stattfinden. In einem sehr großen, hellen Raum mit mehreren Betten, suchte ich mir ein Bett neben einem Fenster aus. Dort wurde ich an den "Zellseparator" angeschlossen.

Am rechten Arm wurde mir ein Zugang gelegt. Mein Blut lief von der Vene zu dem Zellseparator, wo meine Zellen ausgefiltert wurden und dann lief es links, durch einen zweiten Zugang, wieder zu mir zurück. Man sich ähnlich wie bei einer Dialyse vorstellen. Im Umlauf sind jeweils immer nur 20ml Blut, der Rest verbleibt im Kreislauf.

Ich wurde aufgefordert, mich bei den kleinsten Beschwerden zu melden: Kribbeln in den Lippen, Schwindel, starke Kopfschmerzen. Aber es war gar nicht nötig, mir das zu sagen, denn ich hielt die Schwestern ungewollt auf Trab. Ich hatte sehr wenig getrunken und von daher kollabierten meine Venen in regelmäßigen Abständen - ständig schlug die Apparatur Alarm. Insgesamt dauerte die Prozedur schließlich fünf Stunden.

Für die Spende waren eigentlich zwei Tage angesetzt. Doch ich hatte Glück: Die Menge meiner Zellen war bereits am ersten Tag ausreichend. Nach fünf Stunden also konnte ich wieder aufstehen und wurde gebeten, einen Moment im Wartebereich Platz zu nehmen, denn jetzt mussten noch die Zellen ausgezählt werden.

Ich bediente mich an den bereitliegenden Brötchen und Getränken.

Nach einer dreiviertel Stunde kam die Ärztin mit einem "Entlassungsbrief" auf mich zu und teilte mir freudig mit, dass meine Zellen an dem heutigen ersten Tag der Spende schon gereicht hatten und ich morgen nicht noch mal kommen müsse. In dem Entlassungsbrief standen meine aktuellen Blutwerte, die nun ziemlich verschoben aber noch im grünen Bereich waren.

Mein Blut hatte insgesamt zweimal den Zellseparator durchlaufen! Ungefähr 12 Liter Blut waren in diesen fünf Stunden im Umlauf gewesen. Ich staunte nicht schlecht, freute mich aber zugleich sehr, dass nun alles gut überstanden war.

Einige Tage später meldete sich das DKMS wieder bei mir und teilte mir mit, dass meine Zellen nach Kanada geflogen waren, zu einem 27-jährigen jungen Mann. "Dann sind die ja weiter gereist als ich jemals in meinem Leben!", dachte ich.

Des Weiteren wurde mir gesagt, dass ich über das DKMS zunächst anonymen Kontakt zu meinem Empfänger aufnehmen könne und nach ein bis zwei Jahren auch persönlichen, falls von beiden Seiten Interesse bestünde.

Ich bin nun für die kommenden zwei Jahre für diesen Patienten reserviert.

Für mich steht aber fest: Nach Ablauf der zwei Jahre stehe ich wieder für alle Patienten zur Verfügung.

Zentrale vs. periphere Knochenmarkspende

Jeder sollte für beide Entnahmevarianten offen sein. Welche Art für den Spender die richtige ist, entscheidet letztendlich der Arzt. Ich war jedoch froh, dass meinem Wunsch einer peripheren Stammzellspende nachgekommen werden konnte, obwohl ehemalige Knochenmarkspender betonen, dass auch diese Entnahmeform nicht schlimm sei.

Die periphere Stammzellenentnahme hat folgenden Ablauf:

Wichtig:

Die Knochenmarkentnahme hat diesen folgenden Ablauf:

Spenden kann grundsätzlich jeder gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 55 Jahren. Wer sich gegen eine Spende entscheidet, kann trotzdem helfen, indem er die DKMS mit einer Geldspende unterstützt, denn alle Kosten einer Stammzellspende werden von der DKMS über Spenden aufgefangen.

Homepage der DKMS



[* Anmerkung der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei: Es gibt ein jährliches Mailing der DKMS - immer im Mai, in dem alle Spender über aktuelle Aktionen informiert werden und in dem darüber hinaus immer die Daten, wie z.B. Adressen aktualisiert werden.]

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