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  • Dr. Felicitas Witte
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  • 13.11.2006

Risikofaktor Sonne

Dass zu viel Sonnenlicht der Haut schadet, ist hinlänglich bekannt. Doch auch an den Augen können Sonnenstrahlen gravierende Schäden verursachen. Nicht nur unsichtbare UV- und Infrarotstrahlen, sondern auch das sichtbare Licht können zu Photokeratitis, grauem Star, Makuladegeneration oder Tumoren führen. Der beste Schutz ist eine gute Sonnenbrille.

Fast die Hälfte der Sonnenstrahlen (47%) erscheinen auf der Erde als sichtbares Licht, ähnlich viel (46%) sendet die Sonne als Infrarotstrahlen aus, und 7% der Sonnenstrahlen erreichen die Erde als ultraviolette (UV-) Strahlen. Mit Wellenlängen zwischen 100 und 400 nm grenzen UV-Strahlen unmittelbar an den Bereich der ionisierenden Strahlung. Der gesamte Anteil der UVC-Strahlen, etwa 90% der UVB- und ein kleiner Teil der UVA-Strahlen werden durch Ozon, Wasserdampf, Sauerstoff und Kohlendioxid absorbiert.

Die restlichen Strahlen erreichen in unterschiedlicher Intensität abhängig von Breitengrad, Höhe, Wolkendecke, Jahres- und Tageszeit sowie Ozonschicht die Erde. Neben dieser direkten Strahlung gibt es die indirekte Strahlung durch Reflexion: Schnee reflektiert zum Beispiel 80% der Sonnenstrahlen, Wasser ca. 25%, Sand 10% und Gras 1%.

 

Die Eindringtiefe der Strahlen hängt von ihrer Wellenlänge ab. Jede Strahlungsverletzung hat daher eine gewebetypische Schädigung zur Folge (Quelle: Gerhard K. Lang: Augenheilkunde, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2004)

 

UV-Strahlen: Schäden an Hornhaut und Retina

"Die energiereiche UV-Strahlung ist für das menschliche Auge sehr gefährlich", erklärt Rüdiger Matthes, Leiter der AG „Nichtionisierende Strahlung" beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). „Bis zu 66% der UVA- und etwa 55% der UVB-Strahlen durchdringen die Hornhaut und gelangen in das Innere des Auges. Dort werden sie zu einem großen Teil von der Augenlinse absorbiert. Etwa 1–2% der UVA- und UVB-Strahlen erreichen die Netzhaut." Linse und Hornhaut werden vor allem durch die kürzerwelligen UVB-Strahlen geschädigt: „Akut können die UVB-Strahlen einen Sonnenbrand am Augenlid oder eine akute Photokeratitis hervorrufen", informiert Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Grein vom Studiengang Augenoptik der Fachhochschule Jena. Durch die UVB-Strahlen sterben Zellen auf der Hornhautoberfläche ab und brechen auf. Die darunter liegenden freien Nervenendigungen werden gereizt und irritiert, was zu starken Schmerzen und zum vorübergehenden Sehverlust führen kann. „Darüber hinaus begünstigen UVB-Strahlen die Entwicklung des grauen Stars", erklärt Grein.

Schädlich für die Netzhaut sind vor allem die langwelligeren UVA-Strahlen. „Treffen UVA-Strahlen oder Strahlen des sichtbaren Lichtes mit kurzer Wellenlänge, so genannte „High-Energy-Visible" (HEV)-Strahlen, die wir als blaues Licht sehen, wiederholt auf die Retina, können sie vor allem das Pigmentepithel durch photochemische Reaktionen mit Bildung von freien Radikalen stark schädigen." Dies könne zu einem frühzeitigen Auftreten der altersbedingten Makuladegeneration mit progressivem Verlust des Visus und zentralen Gesichtsfeldausfällen führen. „Laborversuche und epidemiologische Studien weisen außerdem darauf hin, dass UV-Strahlen Tumoren am Augenlid wie Basaliome und Plattenepithelkarzinome oder Veränderungen an der Hornhaut wie ein Pterygium oder ein Pingueculum verursachen können", ergänzt Grein. Zusätzlich können UV-Strahlen die Sehkraft des Auges schwächen. Die Schäden an der Retina durch Sonnenlicht summieren sich im Laufe des Lebens. Man vermutet, dass die sichtbaren HEV-Strahlen maßgeblich für das Altern der Netzhaut verantwortlich sind.

 

Infrarot-Strahlen: Risiko für Katarakt erhöht

Auch Infrarot(IR)-Strahlen mit einer Wellenlänge zwischen 780 und 10 000 nm können das Auge deutlich schädigen. Die längerwelligen IR-C-Strahlen werden von der Atmosphäre vollständig absorbiert. Neben der natürlichen IR-Strahlung senden künstliche Quellen wie Laser, Hochöfen oder Bogenlampen IR-Strahlen aus. Tränenfilm und Hornhaut absorbieren zwar einen Großteil der IR-B-Strahlen, lassen jedoch etwa 96% der IR-A-Strahlen durchtreten.

Die Energie der IR-Strahlen reicht nicht aus, um photochemische Reaktionen hervorzurufen, die Strahlen führen jedoch zu einer deutlichen Erwärmung des Augeninneren. „Durch den Temperaturanstieg werden die Zellen geschädigt, Horn- und Netzhaut reagieren zudem empfindlicher auf UV-Strahlen und können verbrannt werden", erklärt Rüdiger Matthes vom BfS. „IR-Strahlen erhöhen das Risiko, an einem grauen Star zu erkranken." Dieser wird häufig als „Glasbläserstar" bezeichnet, da diese Berufsgruppe besonders gefährdet ist, ebenso wie Arbeiter in der Stahlindustrie, die in der Umgebung von Hochöfen arbeiten.

 

Höheres Risiko für Diabetiker und Kinder

Sonnenstrahlen können jedes Auge schädigen, manche Menschen haben jedoch ein erhöhtes Risiko, beispielsweise Menschen, die sich häufig im Freien oder in der Höhe aufhalten oder die photosensibilisierende Medikamente einnehmen. „Präparate wie Tetrazykline, Retinoide, Thiazide oder andere Diuretika, Phenothiazine, orale Kontrazeptiva, das Aknemittel Isotretinoin, Psoralen, nichtsteroidale Antiphlogistika oder bestimmte pflanzliche Präparate wie Hypericum (Johanniskraut) lagern sich in Linse oder Retina ein und können dort phototoxische Reaktionen hervorrufen", so Grein.

Bei Diabetikern kann sich Sorbitol oder Fruktose in der Linse ablagern, was die Empfindlichkeit gegenüber Sonnenstrahlen erhöht. In Studien wurde gezeigt, dass Diabetiker mit jüngerem Alter an einem grauen Star erkranken als gesunde Menschen.

Kindliche Augen sind durch Sonnenstrahlen besonders gefährdet: „Im ersten Lebensjahr erreichen 90% der UVA- und über 50% der UVB-Strahlen die Netzhaut, zwischen 10 und 13 Jahren noch 60% bzw. 25%", weiß Grein. „Erst mit 18 bis 20 Jahren werden die UV-Strahlen fast vollständig von der Linse aufgehalten." Dass die Augen dunkelhäutiger Menschen besser vor Sonnenlicht geschützt sind, wurde lange Zeit vermutet. Studien weisen aber darauf hin, dass Sonnenlicht für die Augen dunkelhäutiger Menschen gefährlicher ist als für Hellhäutige.

 

Schutz durch „innere" und „äußere" Sonnenbrille

Unsere Augen verfügen über natürliche Mechanismen, um sich gegen die schädlichen Sonnenstrahlen zu schützen. Wenn wir geblendet werden, kneifen wir automatisch die Augen zusammen, das Auge schützt sich durch Verschließen der Pupille. Allerdings reagiert dieses Schutzsystem nicht auf UV-Strahlung, sondern ausschließlich auf sichtbares Licht. „Gegen die UV-Strahlen schützt sich das Auge mit einer inneren Sonnenbrille", erklärt Grein. „Pigmente auf dem gelben Fleck wie Lutein und Zeaxanthin wirken als Radikalfänger. UV- und kurzwelliges blaues Licht wird vermehrt absorbiert." Leider lässt die Konzentration dieser Pigmente im Alter nach.

Die „innere Sonnenbrille" am gelben Fleck reicht bei weitem nicht aus, um unsere Augen vor dem schädlichen Sonnenlicht zu schützen – doch die meisten Menschen sind sich dessen nicht bewusst. „Viele Menschen schützen ihre Augen zu wenig gegen Sonneneinstrahlung", sagt Matthes. „Mit einem optimalen Schutz kann man gar nicht früh genug anfangen. Auch Kinder sollten regelmäßig eine Sonnenbrille tragen, vor allem wenn sie starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind wie im Urlaub am Meer oder im Gebirge."

Doch was macht eine gute Sonnenbrille aus und wie erkennt man diese? „Eine Sonnenbrille hat prinzipiell zwei Funktionen: Blendschutz und UV-Schutz", erklärt Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Wolfgang Wesemann, Direktor der Höheren Fachschule für Augenoptik in Köln. „Der Blendschutz ist wichtig für das Autofahren. Ohne Blendschutz kneift man die Augen zusammen und sieht andere Verkehrsteilnehmer oder Straßenschilder zu spät oder gar nicht." Der UV-Schutz ist umso wichtiger, je intensiver die Sonne scheint, je höher man sich aufhält und je mehr Sonnenlicht reflektiert wird. „Eine gute Sonnenbrille absorbiert schädliche UV-Strahlen zu 100%, hat eine hervorragende Abbildungsqualität, die richtige Tönung, eine physiologisch angenehme Farbe, sitzt gut und ist gut angepasst." Sehr wichtig findet Wesemann die richtige Tönung. „Für das Gebirge muss die Sonnenbrille eine Lichtabsorption von 85% haben. Für den Urlaub sind 75% Absorption empfehlenswert. Als leichte Lichtschutzbrille reichen 65% Lichtabsorption."

Wie gut eine Sonnenbrille ist, kann man selbst sehr schlecht feststellen. „Am ehesten lässt sich die Bildqualität beurteilen", erklärt Wesemann. „Hält man die Sonnenbrille in einem Abstand von etwa 30 cm vor das Auge, dürfen Linien nicht verbogen oder wellig erscheinen, wenn man die Sonnenbrille hin- und herbewegt." Die Qualität des UV-Schutzes misst der Augenoptiker mit einem Spektrometer, das die selektive Durchlässigkeit des Glases für alle Wellenlängen ermittelt.

 

Sonnenbrille besonders wichtig für Fehlsichtige und nach Katarakt-OP

„Tragen sollte man eine Sonnenbrille immer dann, wenn man sich in einer Umgebung aufhält, bei der auch die Haut gefährdet ist", empfiehlt Wesemann, „vor allem im Hochgebirge, im Schnee oder am Meer."

Manche Menschen sollten auf den Schutz ihrer Augen besonders achten: „Menschen, die unter Alterssichtigkeit leiden, brauchen zum Lesen ihrer Urlaubszeitung am Pool eine Sonnenbrille in ihrer Lesestärke. Ebenso sollten sich Fehlsichtige eine Sonnenbrille mit ihren Stärken anfertigen lassen." Besonders schützen müssen sich Menschen mit einer künstlichen Augenlinse nach einer Katarakt-Operation. „Die künstliche Linse absorbiert zwar UV-Licht, aber nicht das kurzwellige blaue Licht", erklärt Grein. „Diese Patienten haben ein 3–5fach höheres Risiko, an einer altersbedingten Makuladegeneration zu erkranken." Für diese Menschen hat die Industrie spezielle Brillengläser entwickelt, die besonders das blaue Licht herausfiltern. „Diese Blaublocker oder Blauabschwächer sind aber nicht alle für den Straßenverkehr zugelassen."

Experten empfehlen nicht nur deshalb, Sonnenbrillen immer beim Augenoptiker zu kaufen. „Sonnenbrillen vom Kiosk um die Ecke haben eventuell schlechte optische Eigenschaften, werden nicht richtig angepasst und keiner beantwortet die Fragen zur Verkehrstauglichkeit", kommentiert Grein. Doch der beste Schutz für die Augen ist immer noch: Raus aus der Sonne.

 

Links:

Seiten der WHO zum Thema UV-Strahlung:

Allgemeine Infos

UV-Strahlung und Gesundheit

Intersunprogramme

 

Informationen vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS):

Allgemeine Infos

Infos über UV-Strahlen

 

Fachzeitschrift des Georg Thieme Verlags:

Deutsche Medizinische Wochenschrift

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