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  • Christina Hass
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  • 01.02.2017

PJ Tertial im Hanusch Krankenhaus in Wien

Für ein PJ Tertial ins Ausland, aber gleichzeitig eine gute Ausbildung im deutschsprachigen Raum? Das geht in Österreich!

Das Hanusch Krankenhaus in Wien

 

 

Warum Wien?


Auf via medici und anderen Internetportalen berichten PJ-Studenten aus Wiener Krankenhäusern von flachen Hierarchien, gelungener Einbindung der PJler in das Team, respektvollem Umgang mit Medizinstudenten, viel Bedside Teaching und vielen Möglichkeiten, eigene Erfahrungen zu sammeln (z.B. Patienten aufnehmen/untersuchen, Arztbriefe schreiben, Vorstellung von Patienten bei der Visite, Befunde interpretieren). Zudem hat Österreich eine gute gesundheitspolitische Infrastruktur und die Lehrkrankenhäuser bieten vorbildliche Lehre, um Studenten auf ihre spätere ärztliche Tätigkeit vorzubereiten.

 

Organisatorisches


Das PJ (in Österreich nennt man es „KPJ“ für „klinisch-praktisches Jahr“) gibt es erst seit zwei Jahren in Österreich. Prinzipiell reicht eine Bewerbung bei dem Krankenhaus der Wahl mit Angabe des Zeitraums und dem Fachbereich mit Lebenslauf und Studienbescheinigung aus. Für das Hanusch Krankenhaus in Wien musste ich daraufhin Unterlagen zur Bestätigung des Platzes ausfüllen und eine Impfbescheinigung senden.
Wichtig sind die Ausbildungsbedingungen der Medizinische Universität Wien (MUW). Hier kann man sich über die Bedingungen im KPJ in Österreich informieren. In Österreich dürfen zum Beispiel nur 10 Fehltage pro Tertial genommen werden. Eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 650 Euro pro Monat wird gezahlt, davon geht noch etwas für Versicherungen ab.


Die Hierarchien sind in Österreich recht flach. Wichtig ist aber, dass jeder mit Titel angesprochen wird, auch wenn das in Deutschland recht unüblich ist. Man sagt also „Frau Oberärztin“ oder „Herr Dozent“.
Die Wochenarbeitszeit liegt bei 35h mit einer Kernarbeitszeit von 7:30-14:30 Uhr. Es ist aber kein Problem, einen Dienst bis abends zu machen und sich die Zeit aufschreiben zu lassen.


Da die Studenten in Österreich kein Staatsexamen schreiben, ist keine Selbstlernzeit vorgesehen. Stattdessen bearbeiten die österreichischen Studenten in jedem Tertial ein Thema und präsentieren es in einem 20-minütigem Vortrag den Ärzten der Abteilung. Dies wird auch von deutsche Studenten erwartet.

 

PJ Alltag in der Inneren Medizin


Meine erste Rotation habe ich in der Hämatologie/Onkologie verbracht. Diese ist ein Schwerpunkt des Hanusch-Krankenhauses mit zwei Bettenstationen, Ambulanz und Tagesklinik sowie angeschlossenem Ludwig Boltzmann-Institut für Leukämieforschung und Hämatologie.
Üblicherweise beginnt der Tag für die Studenten um 7:30 Uhr. Gegen 8:30 findet die Frühbesprechung statt und vorher werden die anstehenden Knochenmarkspunktionen durchgeführt. Darauf folgt die Aufnahme von Patienten, häufig sind es bekannte Gesichter, die für mehrere Chemotherapien immer wieder auf Station kommen. Die 3. Medizinische Abteilung des Hanusch-Krankenhauses ist besonders auf hämatologische Krankheiten spezialisiert, sodass wir besonders häufig Patienten mit AML oder CLL auf Station hatten.


Die Visite dauert hier nicht so lange wie man es bei einer internistischen Visite erwarten würde, weil viele Patienten schon bekannt sind. Dienstags ist immer Chefvisite, an anderen Tagen finden morgens Tumorboards statt. Die Tumorboards sind sehr spannend, denn jede Fachdisziplin hat unterschiedliche Herangehensweisen und bringt andere Problematiken mit sich. Im Urologie-Board werden oft Patienten mit metastasierten Prostatakarzinom vorgestellt. Dann werden zielgerichtete Antikörper-Therapien zur Protektion von pathologischen Knochenfrakturen durch Metastasen durchgesprochen. Das Gastroboard beinhaltet sehr vielfältige Tumorentitäten, hier geht es um radiologische Beurteilbarkeit und den pathologischen Befund zur Einordnung. Auch ein Hämatologieboard gibt es zur Therapieplanung von hämatologischen Patienten. Hier geht es auch oft darum, ob überhaupt Therapiebedarf besteht.


Die Ärzte sind recht gut besetzt und arbeiten 6h am Tag plus Dienste. An Diensten gibt es den verlängerten Dienst bis 18 Uhr abends und den Dienst über Nacht bis morgens. Auch hier kann man die Ärzte begleiten und hat oft die Möglichkeit bei Patientengesprächen dabei zu sein.


Für die Studenten ist die Hauptaufgabe Patienten aufzunehmen. Wenn das erledigt ist, darf gern in anderen Bereichen zugeschaut werden. Auf der Hämatologie gibt es ein Handlabor, wo die Knochenmark-Bestandteile mikroskopiert werden und eine erste Aussage getroffen wird. Hier konnte ich am Mikroskop zuschauen und lernen, wodurch sich einzelne Leukämien morphologisch unterscheiden.


Das Blutabnehmen, Zugang legen und Port anstechen ist keine ärztliche Aufgabe (mehr). Dies wird in Österreich (fast immer) von der Pflege übernommen. Wenn es allerdings Probleme bei Patienten gibt, wird ein Arzt dafür gerufen.


Außerhalb der regulären Arbeitszeit der Klinikärzte (ab 14! Uhr) und an Wochenenden und Feiertagen gibt es einen Notdienst, den Ärzte von den internistischen Stationen übernehmen. Auch hier konnte ich interessante Fälle sehen, neben den typischen Beschwerden wie Erkältung, Übelkeit und Durchfall.

Den zweiten Abschnitt meines Tertials habe ich auf der Rheumatologie der 1. Medizinischen Abteilung verbracht. Diese Abteilung hat ein gemischtes Patientenkollektiv teils mit rheumatologischen Problemen, aber auch internistische Patienten mit Herzinsuffizienz/COPD/Niereninsuffizienz, angiologische und geriatrische Patienten.
Ich konnte dort sehr unterschiedliche Krankheitsbilder kennenlernen und die Therapien mitverfolgen. Aufgaben waren die Aufnahme von Patienten, Untersuchungen anmelden, Aufklärungen vorbereiten, Blut abnehmen, arterielle Blutgasanalyse stechen und Arztbriefe schreiben.


Teaching wird in Österreich großgeschrieben, auf jeder Visite werden Krankheitsbilder Therapien oder auffällige Befunde den Studenten erklärt und Lernmaterialien ausgeteilt.
Zu der rheumatologischen Station gehört auch eine rheumatologische Ambulanz, in der die Krankheiten diagnostiziert, Therapien überwacht und neue Antikörpertherapien beschlossen werden. Eine rheutmatologische Untersuchung sieht immer vor, den Gelenkstatus zu erheben: dabei werden die Anzahl und Lokalitäten von geschwollenen und schmerzhaften Gelenken erhoben. Ambulant können Gelenke mittels Ultraschall beurteilt und mit Glukokortikoiden infiltriert werden.
In der 1. Medizinischen Abteilung gibt es viele unterschiedliche Stationen und regelmäßig finden Fortbildungen wie Journal Club oder Patientenvorstellungen statt.

 

Das Österreichische Gesundheitssystem

 

Das Gesundheitssystem in Österreich weist einige grundlegende Unterschiede zum deutschen System auf. Es gibt eine Pflichtversicherung für alle Arbeitnehmer und Selbstständigen, Kostenbeteiligung der Patienten zum Beispiel für einen Wahlarzt und eine generell gute Patientenversorgung.
Letztes Jahr wurde das Arbeitszeitgesetz eingeführt, das die Arbeitszeit für Ärzte auf 48 Stunden pro Woche beschränkt. In der Folge führt dies zu einem ausgeprägten Ärztemangel und die österreichischen Spitäler sind angehalten über ein gutes Lehrangebot und attraktive Arbeitsbedingungen um die Medizinstudenten bzw. die jungen Ärzte zu konkurrieren.

 

Anreise


Anreisen kann man mit dem Flieger (Ticket ca. 100 Euro mit Lufthansa hin und zurück ohne Gepäck) oder mit der Bahn. Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) hat oft günstigere Preise als die Deutsche Bahn, daher unbedingt vergleichen (http://www.oebb.at/de/). Praktisch sind die Nachtzüge von Frankfurt nach Wien, oft ergattert man Tickets für 39 Euro pro Fahrt. Diese gelten allerdings für das Sitzplatzabteil und nicht für die Schlafwägen.


In Wien ist der öffentliche Nahverkehr sehr günstig. Man bekommt eine Jahreskarte für 30 Euro im Monat und kann diese jederzeit vorzeitig kündigen gegen 18 Euro Gebühr. Es gibt auch Semestertickets, hier muss man die Semestergrenzen beachten, die oft nicht mit den Tertialgrenzen im PJ übereinstimmen.
Mit U-Bahn, Straßenbahn (hier liebevoll Bim genannt) und Bussen kommt man schnell voran. Es gibt viele Apps von den Wiener Linien für Tickets oder Routenplanung („Quando“).

 

Unterkunft


Wie viele andere Großstädte ist Wien recht teuer was Unterkünfte angeht. Es gibt zwar Studentenwohnheime, aber es ist schwer ein Zimmer zu bekommen.
Eine gute Wahl kann airbnb sein, hier lässt sich bei 4 Monaten Aufenthalt oft noch über den Preis verhandeln. Oder man stöbert auf https://www.immospotter.at oder https://www.willhaben.at/iad/immobilien/mietwohnungen/detailsuche

 

Land und Leute


Interessanterweise gibt es einige Vorurteile der Österreicher gegenüber Deutschen („Piefkes“: rechthaberisch, humorlos, überpünktlich) und von deutscher Seite gegenüber Österreichern („Ösis“: provinzial, langsam, künstlerisch angehaucht). Dazu kommen Klischees wie zum Beispiel die Unaufgeschlossenheit gegenüber der eigenen Vergangenheit oder der Wertschätzung akademischer Titel der Österreicher.


Einerseits sprechen wir die gleiche Sprache, es gibt komparable Gepflogenheiten und (Sozial-)Gesetze. Andererseits ist Österreich ein kleineres Land mit vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, besonderen Umgangsformen und Humor wie zum Beispiel dem „Wiener Schmäh“ sowie verschiedenen geschichtlichen und kulturellen Einflüssen durch die geografische Lage in Mitteleuropa. Österreich ist den Staaten der ehemaligen UdSSR viel näher als Deutschland und steht durch die langjährige österreichisch-ungarische Monarchie unter dem kulturellen Einfluss Ungarns sowie einigen slawischen Ländern.

Besonders Wien ist durch seine östliche Lage und die Nähe zu Ungarn, der Slowakei und Tschechien eine Mischung aus sehr unterschiedlichen Kulturen.

 

Freizeit


Essen gehen kann man sehr gut, besonders die Wiener Kaffeehauskultur ist weltberühmt. Im Kaffeehaus wird manchmal ab 18 Uhr Klaviermusik gespielt und es gibt eine ganze Auswahl an köstlichen Mehlspeisen. Süßspeisen sind grundsätzlich sehr empfehlenswert. Ansonsten gibt es in Wien oft ähnlich gutbürgerliche Küche, wie man sie in Deutschland findet.

In Wien gibt es einige von Alpenvereinen betriebene Kletterhallen, was mich auf die Idee gebracht hat, mit einem Kletter- oder Boulderkurs einzusteigen, um mit etwas Übung eine richtige Bergtour machen zu können.

 

Fazit


Das PJ Tertial in Österreich hat mir sehr gut gefallen und die Vorteile der guten Lehre, angenehmen Arbeitsatmosphäre und der guten Einbindung der Studenten in die Teams kann ich nur bestätigen. Grundsätzlich habe ich mitbekommen, dass die Ausbildung auch an anderen Krankenhäusern in Wien empfehlenswert ist. Probiert es selbst!

 

 

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