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  • Olivia Wild
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  • 14.12.2007

PJ-Tertial Chirurgie an der Uniklinik der Universidad de Buenos Aires

Olivia, Medizinstudentin im PJ, zog es für ihr Chirurgie-Tertial an das andere Ende der Welt: nach Südamerika, genauer gesagt nach Argentinien. Während sie von Land und Leuten begeistert war, möchte sie von einem Chirurgie-Tertial in der Uniklinik von Buenos Aires dringend abraten: Es kümmert sich niemand um die Studenten - und dafür muss man auch noch Geld bezahlen.

Foto: Olivia Wild

Das Ende der Welt

Motivation und Vorbereitung

Ich studiere an der Uniklinik Gießen und mache gerade mein PJ. Schon lange vor dem Praktischen Jahr war mir klar, dass ich mein Chirurgie-Tertial im Ausland absolvieren wollte. Chirurgie war mein 2. Tertial und stand von Juni bis Oktober 2007 an. Da ich bereits eine Famulatur in Madrid gemacht hatte, habe ich entschieden, mein PJ-Tertial in einem spanisch sprechenden Land zu absolvieren. Da ich schon lange nach Südamerika reisen wollte, habe ich mir Argentinien ausgesucht, da es als sicheres Land in Südamerika gilt. Mein Freund hatte dieselben Pläne, also beschlossen wir, uns zusammen eine Stelle zu suchen.

Etwa ein Jahr zuvor haben wir Bewerbungen an verschiedene argentinische Krankenhäuser geschickt. Fündig geworden waren wir im Internet. Wir haben dann auch schnell eine Antwort von zwei Krankenhäusern in Buenos Aires erhalten, die anderen Kliniken haben nichts von sich hören lassen. Wir haben uns für das Hospital de Clínicas "José de San Martín" entschieden. Es liegt mitten im Zentrum von Buenos Aires und ist die Uniklinik der Universidad de Buenos Aires (UBA). Die genaue Kontaktadresse lautet:

dirdoc@hospitaldeclinicas.uba.ar  z.Hd. Dra. Myriam Levi.

Nachdem sie uns geschrieben hatte, dass ein PJ möglich sei, forderte sie uns auf, ihr diverse Unterlagen zu schicken: ein Motivationsschreiben, einen Lebenslauf, einen Sprachnachweis, ein Empfehlungsschreiben vom Dekan und die genauen Daten unseres Tertials.

Studenten können eigentlich zu jedem Zeitpunkt ihr PJ-Tertial beginnen, außer von Januar bis März, da zu dieser Zeit Sommerferien sind. Als wir dann die endgültige Zusage hatten, habe ich mir umgehend diverse Bücher gekauft, um mich auf das Land und die Sprache vorzubereiten. Ein absolutes Muss ist der

Zusätzlich kann ich noch diese Bücher empfehlen:

Ebenfalls machten wir uns schon von zuhause aus auf die Suche nach einer Wohnung, da wir keine Lust hatten, in einem Hostel zu leben oder uns in einer solchen Metropole auf Wohnungssuche zu begeben. Durch Internetrecherche haben wir zwei Kontaktadressen gefunden, über die man eine seinen Ansprüchen entsprechende Wohnung suchen kann:

kontakt@marvol.org  oder ByT Argentina.

 

Wir haben schließlich in einem Apartment gewohnt, nicht weit von der Klinik entfernt und mitten in der City. Zusammen haben wir 360 € gezahlt - inklusive Telefon und Reinigungsservice. Internet hat noch einmal 5 € im Monat gekostet.

Den Flug haben wir etwa fünf Monate im Voraus gebucht. Verschiedene Airlines wie Iberia, Lufthansa, Air France, Alitalia oder Aerolinas Argentinas bieten Flüge in verschiedenen Preisklassen an. Wir sind mit Alitalia über Mailand geflogen und haben 850 € gezahlt; das war das günstigste Angebot zu der Zeit. Es gab am Service der Airline nichts auszusetzen und alles hat problemlos geklappt.

Das Krankenhaus

Schon als wir das Krankenhaus von außen gesehen hatten, konnten wir erahnen, was uns drinnen erwarten würde. Es war total heruntergekommen: In den Treppenhäusern waren überall zerbrochene Fenster, sodass man aus dem zwölften Stock einen schwindelerregenden und ungesicherten Blick nach unten werfen konnte. Die Fenster in den Patientenzimmern waren mit Klebeband abgeklebt, damit niemand herausfiel. Dann waren fast alle Fahrstühle defekt, sodass man entweder die Treppen laufen musste - bis in den zwölften Stock, wo sich der OP befindet - oder sich ewig lange in einer Schlange am einzigen Fahrstuhl anstellen musste.

Das Krankenhaus - Foto: Olivia Wild

Das Krankenhaus

Die Stationen waren trostlose Gänge, in denen heruntergekommene Verbandswagen standen, und die Patientenzimmer waren Doppelzimmer oder gemischte Sechserzimmer, in denen die Betten mit spanischen Wänden abgetrennt wurden. Die Patienten lagen auf durchgelegenen Pritschen und wenn sie nicht in abgenutzten Laken schlafen wollten, mussten sie ihre Bettwäsche von zuhause mitbringen. Auch sonst mangelte es an allem; zum Beispiel gab es nicht immer Handschuhe. Stauschläuche gab es gar nicht, da wurde dann einfach ein Handschuh fest um den Arm geknotet.

Wir haben auf verschiedenen chirurgischen Stationen rotiert, wobei wir immer um 7 oder 7:30 Uhr an der Visite teilgenommen haben und dann in den OP gegangen sind, denn auf Station gab es für uns nichts zu tun. Die Residentes, also Assistenzärzte im ersten Ausbildungsjahr, mussten sich um alles kümmern, was in der Visite besprochen wurde, das heißt sie mussten Papierkram erledigen und an die richtige Stelle im Krankenhaus bringen, Verbände wechseln, Temperatur, Blutdruck und Puls messen, Blut abnehmen, Patienten zum Echo, EKG oder in den OP bringen oder auch mal Windeln wechseln; sie mussten halt viele Aufgaben übernehmen, die bei uns das Pflegepersonal oder der Hol- und Bringedienst leisten, ganz selten durften sie mal in den OP.

Für uns hatte eigentlich niemand Zeit, sodass wir unser Praktikum selbst gestalten mussten. Also haben wir uns jeden Tag eine OP angeschaut. Mehr konnten wir auch nicht sehen, da insgesamt nur etwa fünf OPs pro Tag stattfanden. Das lag unter anderem auch daran, dass von den 20 OP-Sälen nur etwa die Hälfte in Betrieb war, und dass während unserer Zeit das Klinikpersonal streikte.

Im OP konnten wir lediglich zuschauen. Positiv jedoch war, dass wir jederzeit Fragen stellen konnten, die uns immer nett beantwortet wurden. Operiert wurde immer mindestens zu dritt: ein erfahrener Arzt und zwei Assistenzärzte, wobei der eine Assistenzarzt Haken gehalten hat und der andere unter Anleitung operiert hat. Oft kamen dann noch andere Ärzte dazu, haben sich daneben gestellt und gequatscht. Im OP herrschte immer eine lockere Atmosphäre mit witzigen Sprüchen und Musik. Die Ärzte arbeiteten ihren Möglichkeiten entsprechend gut und waren auch theoretisch sehr gut ausgebildet. Die argentinischen Studenten in ihrem praktischen Jahr hatten waren theoretisch, so unser Eindruck, besser ausgebildet als wir.

Eine chirurgische Ambulanz, so wie wir sie kennen, gibt es nicht. Es gibt zwar eine Notaufnahme, doch dort durften wir nicht arbeiten.

Ein bis zwei Mal pro Woche fanden Fortbildungen statt, meist wurden Patientenfälle vorgestellt, die dann in der Gruppe diskutiert wurden. Das war eigentlich das Einzige, was wir an Ausbildung erhielten - und dafür mussten wir auch noch 70 US-Dollar Studiengebühren im Monat zahlen.

Sprachprobleme gab es eigentlich keine, nachdem wir uns an den argentinischen Akzent gewöhnt hatte. Mit den Patienten hatten wir kaum Kontakt. Die Ärzte sprechen bei der Visite nur über den Patienten und nicht mit ihm. Es nehmen meistens derart viele Ärzte an der Visite teil, dass die Patienten nur verschüchtert unter ihrer Bettdecke hervorlugen.

Gesundheitsversorgung und medizinische Ausbildung

Es gibt in Buenos Aires private Krankenhäuser und öffentliche, in denen die Patientenversorgung kostenlos ist und in denen man keine Krankenversicherung benötigt. In diesen Häusern besteht natürlich chronischer Geldmangel, unter anderem auch dadurch, dass staatliche Gelder in private Taschen fließen. Einige Abteilungen werden durch Stiftungen finanziert.

Das Medizinstudium dauert wie bei uns 6 Jahre und beinhaltet ebenfalls einen Praxisteil zum Ende der Ausbildung. Doch anders als bei uns, besteht die Tätigkeit im PJ dort nur aus Zuschauen. Ansonsten herrscht in der Ausbildung das Konkurrenzsystem, das heißt: Studenten und Ärzte müssen sich im Hinblick auf weitere Ausbildungsstellen immer wieder gegen ihre Konkurrenten durchsetzen, was intensives Lernen und hartes Arbeiten für minimales Gehalt bedeutet.

Ein Assistenzarzt im ersten Jahr der Facharztausbildung arbeitet eigentlich rund um die Uhr. Er muss zwei Dienste pro Woche machen, der Arbeitstag beginnt um 5 Uhr morgens und dauert mindestens bis 22 Uhr, einen Tag im Monat hat der Mediziner dann frei. Kein Wunder, dass die überarbeiteten und übermüdeten Assistenzärzte bei den Fortbildungen und Fallvorstellungen regelmäßig eingeschlafen sind.

Die Ausbildung zum Chirurgen dauert in Argentinien vier Jahre, nach jedem Jahr muss der Assistenzarzt eine Prüfung ablegen. Hat man jedoch erst einmal den Facharzttitel und die nötige klinische Erfahrung erlangt, ändert sich das Arbeitsleben schlagartig; man stolziert geschniegelt und gestriegelt durch die Klinik und es scheint, der Arbeitsstress hätte sich in Luft aufgelöst.

Foto: Olivia Wild

Wichtiges Organisatorisches

Vom LPA Hessen wurde uns für die Anerkennung des Auslands-Tertials vorgeschrieben, uns in der ausländischen Uni einzuschreiben oder, falls dies nicht möglich sei, vom Dekan ein Zertifikat unterschreiben zu lassen, in dem steht, dass wir den argentinischen Studenten gleichgestellt waren. Doch leider unterschreibt der Dekan nichts, wenn man nicht immatrikuliert ist und einschreiben hätte man sich von Deutschland aus müssen. Da man uns aber in der Zusage der Klink nichts davon geschrieben hatte, konnten wir uns dann doch nach einigem Hin und Her nachträglich immatrikulieren. Dies war notwendig, um an alle Nachweise und Stempel für das LPA zu gelangen. Wir haben von anderen PJlern gehört, dass sie dieses Zertifikat für ihr LPA nicht benötigt hätten.

Klärt also unbedingt vorher mit dem LPA, was notwendig ist, damit Euer Aufenthalt anerkannt wird.

Wenn eine Gleichstellung oder eine Immatrikulation erforderlich ist, müsst ihr unbedingt vor der Abreise in der "Facultad de Medicina" die notwendigen Immatrikulationsunterlagen anfordern. Hier die Email-Adresse:

"Relaciones Internacionales - FMED - UBA": relint@fmed.uba.ar 

Leider versäumt die Klinik es gerne, diese organisatorische Finesse den Studenten mitzuteilen. Wenn man alles im Vorfeld regelt, erspart man sich viel Ärger mit der wirklich höchstgradig unfreundlichen Sekretärin, die dort vormittags im Büro für ausländische Studenten arbeitet. Die Immatrikulation an der Uni kostet noch einmal 100 €, was uns natürlich im Vorfeld nicht mitgeteilt worden ist.

Beziehung zu den Gastgebern und zur Bevölkerung

Die Ärzte, mit denen wir Kontakt hatten, waren alle sehr nett und aufgeschlossen. Sie erklärten gerne was sie taten und plauderten auch mal einfach mit uns Studenten. Leider hatten wir keine richtige Bezugsperson und somit fühlte sich auch kein Arzt für uns verantwortlich.

Foto: Olivia Wild

Die Argentinier sind ein überaus freundliches und hilfsbereites Volk. Man kommt immer wieder ins Gespräch, wird sehr nett behandelt, und wir hatten auch nicht das Gefühl, als Tourist übers Ohr gehauen zu werden. Als Europäer, und besonders als Deutscher, ist man sehr gesehen und hört immer wieder, dass jemand Vorfahren oder Verwandte in Deutschland hat. Die porteños, also die Bewohner von Buenos Aires, orientieren sich insgesamt stark an Europa.

Lebenshaltungskosten und Devisen

Seit der Wirtschaftskrise 2001 ist Argentinien für uns Deutsche ein sehr günstiges Land. Der Umrechnungskurs Euro/Argentinischer Peso betrug zu unserer Zeit etwa 1€/4,4Pesos. Pesos bekommt man in Deutschland nicht, man kann aber ein paar US-Dollar mitnehmen, die als Zahlungsmittel gerne angenommen werden. Ansonsten hat man überall die Möglichkeit an Bankautomaten mit der deutschen Girokontocard gegen eine Gebühr von etwa 4 € Geld abzuheben. Hat man ein Konto bei der Postbank, so kann man 10 Mal pro Jahr kostenlos im Ausland Geld abheben.

Sehr von Vorteil ist der Besitz einer Visa-Card, sie wird überall akzeptiert, und man muss somit nicht so viel Bargeld mit sich herumtragen.

Die Lebenshaltungskosten sind in wirklich allen Bereichen sehr niedrig. Hier ein paar Beispiele: Bus- und U-Bahnfahrt 0,20 €; Steak 4,00 €; Flasche Wein 2 €; Kaffee 1€; 2Std. Spanisch-Privatunterricht 15 €; Kino 3 €. Kleidung ist viel günstiger als bei uns.

Freizeit

Das Freizeitangebot in Buenos Aires ist riesig. Wir haben uns am Anfang stark an die Tipps im Lonely Planet gehalten und haben so die Stadt richtig gut kennen gelernt. Dann haben wir an den Wochenenden verschiedene Ausflüge gemacht wie nach Iguazu zu den größten Wasserfällen Amerikas, nach Rosario, wo wir Wale besichtigt haben, zur Península Valdés usw.

Foto: Olivia Wild

Da man als Europäer mit einem noch sechs Monate gültigen Reisepass nur ein Visum von 90 Tagen erhält, muss man einmal das Land verlassen, um dann bei der Einreise wieder 90 Tage zu erhalten. Wir waren über ein verlängertes Wochenende in Santiago de Chile, was absolut lohnenswert war. An das Ende unseres Tertials haben wir noch einen zweiwöchigen Urlaub gehängt und sind bis ans Ende der Welt, nach Ushuaia, gereist und von dort aus durch Patagonien bis nach Mendoza.

Wurden die Erwartungen erfüllt?

Ich bin seit meinem Argentinien-Aufenthalt ein großer Südamerika-Fan, aber nur was Land und Leute betrifft. Von dem Krankenhaus und dem Chirurgie-Tertial hingegen bin ich total enttäuscht. Ich muss von der Abteilung für Chirurgie in diesem Krankenhaus abraten. Man erhält keine vernünftige Lehre, wird nicht in den Klinikablauf integriert, es kümmert sich niemand um die Studenten - und dafür darf man dann noch so viel Geld bezahlen.

Wir haben uns schließlich beschwert, und ein anderer PJler hat vor lauter Frust das Krankenhaus gewechselt. Also wer etwas aus seinem Chirurgie-Tertial mitnehmen möchte, sollte unbedingt ein anderes Krankenhaus auswählen.

Wir haben uns behandelt gefühlt, als wären wir die wohlhabenden Europäer, denen man das Geld aus der Tasche ziehen kann. Aber ich möchte noch einmal betonen: Dieses Gefühl hatten wir wirklich nur in diesem Krankenhaus. Auf unseren Reisen und in unserem Alltag in Buenos Aires haben wir dieses Verhalten nie erlebt, ganz im Gegenteil. Mein Freund und ich sind uns einig, dass wir dieses Land in wundervoller Erinnerung behalten werden, uns aber nicht vorstellen könnten, dort zu leben oder gar zu arbeiten.

Falls Ihr Interesse an einem Auslandstertial in Argentinien habt, könnt Ihr Euch gerne bei mir melden. Ich kann Euch dann sicherlich ein paar Tipps geben. Schreibt einfach eine E-Mail an die Via medici online-Redaktion, diese leitet die Mail dann an mich weiter:

via.online@thieme.de

 

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