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  • Patricia Paul
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  • 30.06.2015

Patientenkommunikation einmal anders

Jeder frisch gebackene Physikums-Absolvent kennt das Gefühl: Dieses nervöse Grummeln in der Magengegend, wenn die erste Famulatur ansteht. Als absoluter Beginner auf Klinikterrain ist vieles neu und wartet darauf entdeckt zu werden. Unumgänglich ist der richtige Umgang mit dem Patienten. Aber keine Sorge - gute Kommunikation mit dem Patienten ist erlernbar!

 

 

Foto: Digital Vision

 

Es braucht einige Zeit und Erfahrung, um als Famulant ein Gespür dafür zu bekommen, wie Fragen gestellt werden sollten, damit der Patient sich mitteilt und anvertraut. Aber irgendwann wirst du immer besser - und kannst dir nebenbei auch noch die Krankheitsgeschichte des Patienten merken.

 

Jeder Arzt hat seinen eigenen Stil in der Patientenkommunikation, doch das Ziel ist immer dasselbe: Den Patienten gedanklich dort abzuholen, wo er sich gerade befindet. Dabei ist es wichtig, die richtigen Worte zu finden.

 

Stellen wir uns folgende Situation vor:

 

Der Arzt bittet den Famulanten, die morgendliche Blutentnahme durchzuführen. Daraufhin macht sich der Famulant auf den Weg ins Stationszimmer, um die Blutentnahmen vorzubereiten und die dazugehörigen Utensilien mitzunehmen. Auf dem Weg ins Patientenzimmer erhält der Famulant schon den Folgeauftrag: Bitte nach der Blutentnahme noch Patientin Müller in Zimmer 18 sonografieren! In Gedanken schon bei Frau Müller betritt der Famulant Zimmer 6, um bei Frau Rüdiger, die gewünschte Blutentnahme durchzuführen.

 


Im Zimmer sieht die Kommunikation folgendermaßen aus:


Famulant: "Guten Tag, Frau ...äh... (Famulant schaut auf das Schild am Bett, das leider sehr schlecht lesbar ist) Rüligen. Die Blutentnahme steht an.“


Patientin: „Guten Tag. Sind Sie sicher, dass Sie zu mir wollen? Mein Name ist Rüdiger. Hoffentlich können Sie das, was Sie da tun. Ich liege hier schon seit zwei Wochen und kenne Sie noch nicht. Bestimmt sind Sie der neue! Übrigens habe ich große Angst vor Nadeln und eine Pflasterallergie.“


Famulant: „Natürlich kann ich das, sonst wäre ich ja nicht hier. Ich bereite nun alles vor, dann legen wir los. Wie geht es uns denn heute?“


Patientin: „Wie es uns geht, weiß ich nicht. Mir geht es miserabel, ich liege hier seit zwei Wochen, weiß nicht, was mit mir gemacht werden soll und verstehe das Ärztelatein nicht.“

Famulant: Ich lege ihnen nun das Stauband an und staue ihr Blut. Ihr Arm könnte durch den erzeugten Druck schmerzen.


Der Famulant sprüht das Desinfektionsmittel auf die Haut der Patientin und sticht mit der Nadel in die ausgewählte Vene.


Ich fülle nun die Röhrchen mit Ihrem Blut.


Patientin wird blass und schwitzt während der ganzen Prozedur.


Famulant: Ist Ihnen schlecht? Wird Ihnen etwa übel oder ist Ihnen einfach nur kalt?


Die Patientin lässt die weitere Prozedur stillschweigend über sich ergehen. Es graut ihr schon vor der nächsten Blutentnahme.

 


Dass diese Patientenkommunikation miserabel war, leuchtet ein. Doch wie kann man besser kommunizieren? Hier nun die Situation, wie sie perfekt gewesen wäre, um das gleiche Ziel - die erfolgreiche Blutentnahme - zu erreichen:


Famulant: Guten Tag. Ich möchte gerne zu Frau Rüdiger.


Patientin hebt den Kopf und macht sich bemerkbar.


Famulant: Frau Rüdiger, zu Ihnen wollte ich. Mein Name ist Max Mustermann, ich bin Medizinstudent und heute für Ihre Blutentnahme zuständig. Wie geht es Ihnen?


Patientin lächelt den Famulanten an und erklärt ihm, dass es ihr den Umständen entsprechend gut gehe, sie aber Angst vor Spritzen habe. Zudem möchte sie noch gerne wissen, wofür diese Blutentnahme ist.


Famulant: „Das Schlimmste Ihres Krankenhausaufenthaltes haben Sie schon überstanden, Ihre Operation. Wir kontrollieren Ihre Blutwerte, um die Heilung ihres Körpers zu beobachten. Hören Sie jetzt mal in Ihren Körper hinein und konzentrieren Sie sich ganz auf Ihre Atmung. Ich lege nun ein Band um Ihren Oberarm. Es wird kurz frisch (Famulant sprüht das Desinfektionsmittel auf). Hören Sie nun in sich hinein, welches Bein wird schwerer?

 

Während die Patientin über diese Frage nachdenkt und abgelenkt ist, befindet sich die Nadel auch schon in der Vene. Nachdem alle Blutröhrchen gefüllt sind, löst der Famulant die Stauung und bittet die Patientin, noch eine Weile auf die Einstichstelle zu drücken.

 


Was war in dieser Situation anders? Der Famulant hat sich ganz auf die Patientin eingelassen und ihre Sorgen und Ängste ernst genommen und reflektiert. Mit seinen behutsam gewählten Worten hat er die Patientin dort abgeholt, wo sie gedanklich war - nämlich bei ihrer Angst vor dem bevorstehenden Nadelstich.

 


Ganz wichtig ist: Der Famulant hat sich gedanklich geordnet, bevor er das Patientenzimmer betreten hat. Er, hat sich den Namen der Patientin gemerkt und sie damit angesprochen - ein wichtiger Faktor für die vertrauensvolle Arzt-Patienten- bzw. in diesem Fall Famulant-Patienten-Beziehung.

Achte doch in Zukunft einmal darauf, wie häufig Negativsuggestionen im Stationsalltag angewendet werden, ohne es zu merken.


Hier eine kleine Auswahl:

 

Negativ formuliert Positiv formuliert
 "Es wird jetzt mal kalt."  "Es wird kurz frisch.“
 "Sie brauchen keine Angst zu haben."  "Bleiben Sie ruhig.“
 "Es tut mal kurz weh.“  "Welches Bein ist gerade schwerer?“ (Überraschungseffekt und Ablenkung nutzen zum Setzen der Nadel)
 "Versuchen Sie sich zu entspannen.“  "Ich lade Sie ein, die Schultern zu entspannen und einmal in sich hineinzuhorchen.“





Probier es mal aus! Aus eigener Erfahrung kann ich nur Positives berichten. Am Anfang kam ich mir dabei etwas komisch vor, besonders, wenn andere um mich herumstanden. Aber irgendwann ist das eigene Selbstbewusstsein so groß, dass die positiven Formulierungen zur Gewohnheit werden und du darüber gar nicht mehr Nachdenken musst.

 


Für einen Patienten ist der Krankenhaus-Aufenthalt eine Situation fernab von seinem gewohnten Alltag und Umfeld. Es ist quasi eine Ausnahmesituation, daher sind die meisten Patienten für therapeutische Kommunikation mit positiven Suggestionen empfänglich.

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