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  • Johanna Reiser
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  • 09.04.2010

Palliativmedizin als Pflichtfach

Menschen sterben lassen zu können und sie dabei medizinisch zu begleiten, fällt vielen Ärzten schwer. Auch weil sie in ihrem Medizinstudium darüber nichts gelernt haben. Das soll sich nach einem neuen Gesetzentwurf des Bundestages ändern. Ab 2014 ist für die 2. ärztliche Prüfung ein Leistungsnachweis erforderlich.

Bisland "unzureichende Ausbildung" in Palliativmedizin

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin prangerte schon bei der letzten Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄappO) 2002 die unzureichende Ausbildung von Medizinern in der Palliativmedizin an: Die neue AO räume Ausbildungsinhalte zur Behandlung schwerstkranker Menschen weiterhin keinen angemessenen Platz ein. Palliativmedizin und Schmerztherapie als fakultative Prüfungsfächer am Ende des Medizinstudiums sei eindeutig zu wenig vertreten.

 

Lernen, ob Diagnostik und Therapie angemessen sind

Der Gesetzesentwurf der CDU und SPD vom Mai 2009 erkennt an, dass "eine adäquate Versorgung Schwerstkranker und Sterbender Aufgabe aller Ärztinnen und Ärzte" ist und "Voraussetzung für eine wirksame Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung in der letzten Lebensphase" darstellt. Auch wird einleitend angeführt dass "fehlendes Wissen vielfach unnötiges Leiden durch wohlgemeinte, aber fachlich nicht indizierte Therapien in der letzten Lebensphase verursacht". Deshalb sollen die ausbildenden Universitäten künftig sicherstellen, dass die angehenden Ärzte Fachkenntnisse in der Versorgung Schwerstkranker erlangen und
"sensibilisiert werden für die Angemessenheit diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen".

 

Leistungsnachweis für 2. ÄP ab 2014

Konkret bedeutet das für Medizinstudenten, die ab oder nach dem Oktober 2014 ihr 2. Staatsexamen ablegen, dass sie verbindliche Leistungsnachweise im Fach Schmerz- und Palliativmedizin zu erbringen haben. Die Anzahl der zu absolvierenden Querschnittsfächer erhöht sich somit von zwölf auf 13; dazu kommen die bestehenden 22 Fächer und fünf Blockpraktika. Trotzdem solle die Gesamtstundenzahl von 868 Stunden nicht überschritten werden, da es den Universitäten freisteht, in anderen Fächern kompensatorisch Stunden zu kürzen.

Den Unterricht sollen langfristig eigene Lehrstühle für Palliativmedizin sichern. Bis zu diesem undefinierten Zeitpunkt sollen Lehrbeauftragte - wie auch im Fach Allgemeinmedizin - die geforderten Inhalte vermitteln.

 

Kommentar

Sicherlich ist die Änderung der Prüfungsordnung hinsichtlich der Palliativmedizin als ein Schritt in die richtige Richtung zu werten: In unserer alternden Gesellschaft wird es immer mehr Menschen geben, welche nicht-kurativer medizinischer Expertise bedürfen. Ärzten schon während des Studiums und nicht erst wie bisher nebenbei in der Praxis dafür benötigtes Wissen zu vermitteln ist da nur konsequent; nur dann macht die Stärkung von Patientenrechten wie in aktuellen Beschlüssen zur Patientenverfügung Sinn. Die Frage nach der Behandlung am Lebensende ist eben nicht nur medizinischer, sondern auch gesellschaftlicher, moralischer, finanziellen und somit politischer Natur.

Dass dieser Fachbereich bisher auf soviel Unwillen seitens der Universitäten gestoßen zu sein scheint - nur fünf deutsche Universitäten haben sich bisher Lehrstühle für Palliativmedizin etabliert - deutet darauf hin, dass ein größeres Umdenken nötig ist:

Menschen kompetent und würdevoll medizinisch zu betreuen, auch wenn keine Aussicht mehr auf Heilung besteht.


Die Autorin Johanna Reiser studiert Medizin.

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