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  • Ida Reinhold
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  • 19.02.2018

Meine besten Lernmethoden

Es ist einer der wichtigsten Fragen: Wie lerne ich, was lerne ich und mit wem lerne ich? Hier meine Lieblings-Lerntipps.

Ein ganz normaler Medizinersamstag

 

Es ist Samstagmorgen und du hast den gaaanzen Tag zum Lernen Zeit. Also frühstückst du um 09.00 Uhr erstmal gemütlich. Dann, weil du ja so früh aufgestanden bist, gönnst du dir eine Stunde bei Facebook. Du musst schließlich wissen, welche neuen Memes und Katzenvideos es gibt.

Allerdings warst du noch nicht duschen. Du kommst aus der Dusche und deine Mama ruft an und meckert mit dir, weil du ihr immer noch nicht deine Studienbescheinigung geschickt hast, dabei braucht sie es doch unbedingt, um das Kindergeld neu zu beantragen. Dieser Anruf stresst dich so, dass du dir zwei Folgen deiner Lieblingsserie bei Netflix gönnst. Der innere Seelenfrieden muss schließlich auch gepflegt werden.

Es ist jetzt 13.00 Uhr. Eigentlich kannst du nun kochen, denn ein leerer Magen studiert nicht gerne. Dein Mitbewohner und du kochen also Nudeln (was auch sonst?). Ihr esst zusammen und quatscht ein bisschen. Dann ist 14.30 Uhr. Das Essen hat dich müde gemacht. Also trinkt ihr noch Kaffee zusammen.
15.00 Uhr. Mist, du musst langsam wirklich lernen. Zerknauscht setzt du dich vor deinen Schreibtisch und schlägst das Skript auf. Biochemie: Der Harnstoffsäurezyklus leuchtet dir freudig entgegen. Bäh… Wieso tust du dir das eigentlich an? Wen interessiert die Bildung von Carbamoylphosphat? Denkt ernsthaft irgendein Biochemiker, dass ich einem Patienten später erklären soll, wie das Argininosuccinat zu Fumarat und Arginin zerfällt? Deine Laune sinkt schon wieder. Dabei hat der Tag doch so gut angefangen.
Dein Handy leuchtete auf. Jaaa, Ablenkung. 20 min später bist du voll informiert darüber, was die Katze deines Kumpels gegessen hat und wieso sie das neue Hühnchen in Honig-Senf Soße mit Holundergeschmack nicht mehr mag. Gelernt hast du trotzdem nicht.

Okay, jetzt aber. Neuer Anlauf. Du schaffst es tatsächlich bis 18.00 Uhr im Skript rumzublättern und mehr oder weniger wichtige Sachen zu markieren. Dann fällt dir ein, dass ja Samstag ist und du nichts im Kühlschrank hast. Schnell zum Supermarkt, bevor der zu macht. 19.30 Uhr. Du hast vielleicht 1/18 von dem geschafft, was du eigentlich machen wolltest. Also wieder ran an den Schreibtisch. „Jetzt power ich richtig durch!“, sagst du zu dir selber.
Gesagt getan. Es ist 21.00Uhr als du das nächste Mal auf dein Handy guckst. „Wow, war ich heute fleißig. Es ist so Samstag und ich sitze immer noch am Schreibtisch. Jetzt habe ich mir wirklich eine Pause verdient.“

Jetzt rechne mal zusammen, wieviel du gelernt hast: 1,5h nach dem Mittagessen und dann nochmal 1,5h nach dem Einkaufen. Macht schlappe drei Stunden. Du fühlst dich aber trotzdem erschlagen, weil du die ganze Zeit mit den Gedanken an der Uni warst und dich gestresst hast, weil du lernen musst, es aber nicht wirklich getan hast. Im schlimmsten Fall kannst du nachts sogar nicht schlafen, weil du dir Sorgen machst, wie du die ganzen Biochemie Sachen überhaupt lernen sollst und dich fragst, wieso zum Teufel du den Samstag nicht besser genutzt hast.

Damit diese Situation nicht so oft vorkommt, solltest du vor dem Lernen einige Dinge klären.

 

1. Alleine vs. mit einem Lernpartner/-gruppe lernen?

Mit einem Lernpartner/einer Lerngruppe gibt es mehrere Vorteile:

- Du musst morgens aufstehen: macht eine feste Uhrzeit aus, wann ihr euch trefft. Beispiel: Dein Kumpel ist Samstagmorgen um 10.00 Uhr bei dir. Genug Zeit, um zu duschen, sich anzuziehen und zu frühstücken.
- Zusammen könnt ihr euch vom Ablenken abhalten. Beispiel: Du lässt dich immer von deinem Handy/Laptop/Netflix/deiner Katze/deinem Bett usw. ablenken? Dein Lernpartner nimmt dein Handy an sich und macht es aus. Folge: Du kannst gar nicht mehr an dein Handy und das Problem ist gelöst :)
- Dich blockiert beim Lernen die Angst vor der Prüfung (z.B. mündliche Prüfungen?). Lass dich abfragen. Es ist etwas ganz anderes, wenn du in deinem Zimmer deiner Wand den Plexus brachialis aufsagst, als wenn dich jemand abfragt. Auch wenn es dein bester Freund ist.
- Du bist eine absolute Niete in ———— (setzte dein Hassfach ein)? Dein Kumpel kann es aber richtig gut? Perfekt. Er erklärt es dir und wiederholt selbst dabei, du lernst leichter und lieber, als wenn du es aus irgendeinem dicken Buch lernen musst. Außerdem haben wissenschaftliche Studien erwiesen, dass du dir Dinge viel besser merken kannst, wenn du sie jemandem erklärst. Macht euch dies zu Nutzen und erklärt euch gegenseitig die Ruhedehnungskurve des Gesamtatemapparats anstatt nur stumpf die Formel auswendig zu lernen.

So, natürlich ist mit gemeinsamen Lernen auch nicht alles auf einmal „easy peasy lemon squeezy“. Ihr müsst trotzdem lernen. Es gibt auch einige Nachteile einer Lerngruppe bzw. hier die Vorteile vom alleine lernen:

- Du kannst alleine dein Lerntempo bestimmen: Wenn dein Kumpel viel schneller oder viel langsamer lernt als du, dann bringt das Ganze nichts. Denn dann ist einer immer gelangweilt und der andere vollkommen überfordert und es wird ineffizient.
- Du bist nur für dich selber verantwortlich. Eine Lerngruppe kann auch zu Differenzen führen, wenn einer z.B. immer alleine die Zusammenfassungen schreibt und die anderen sich quasi nur „bereichern“. Wenn du alleine lernst, schuldest du Niemandem Rechenschaft oder musst Verantwortung übernehmen.

Ich habe einfach nicht mehr positive Punkte fürs alleine lernen gefunden. Vielleicht auch, weil ich seit dem ersten Semester einfach super mit meinem Lernpartner lernen kann. Außerdem könnt ihr Lernpausen nutzen, um gemeinsam zu kochen oder einen kurzen Spaziergang zu machen. Die Gemeinsamkeit hilft auch, sich nicht so überfordert zu fühlen. Fast, als hättest du dein Leben unter Kontrolle.
Wenn ihr noch mehr Vorteile findet vom alleine lernen, schreibt mir, dann nehme ich die mit auf!

Nachdem du (oder ihr?) geklärt habt, mit wem ihr lernt, kommt jetzt das: Mit was lerne ich?

 

2. Vorlesungsfolien vs. Buch vs. Zusammenfassung

Vorteile und Nachteile von Vorlesungsfolien:

Für Klausuren bieten sich oft die Vorlesungsfolien an. Die Prüfungsfragen werden in der Vorklinik so gut wie immer von dem Professoren gestellt, der auch die Vorlesung hält. Wenn du dich deshalb ausschließlich am Buch orientierst, könnte es passieren, dass du wichtige Schwerpunkte und Themen, die dein Prof für wichtig hält, nicht mitbekommst. Ich hatte es oft, dass ich mir Themen im Buch durchlas und so dachte: Nice to know, aber nicht soo wichtig. Und dann bin ich im Präpkurs und der Tischdozent fragt uns eine halbe Stunde über genau diese Sache aus.

Leider haben Professoren oft keine Ahnung davon, wie man brauchbare Folien zusammenstellt. In Physio sind z.B. oft irgendwelche (gefühlt wild durcheinander gewürfelte) Diagramme von Volumen-Druck-Kurven, null Text dazu, also versteht man so gut wie gar nichts.
Was hilft? In die Vorlesung gehen (nicht so mein Fall) und mitschreiben, Buch nehmen und VL-Folien ergänzen (siehe unten) oder Folien ganz ignorieren und darauf vertrauen, dass in den Büchern alles wichtige steht.

Vorteile und Nachteile von Büchern:

Bücher sind didaktisch am klügsten aufgebaut. Die Struktur und Erklärungen, die in den Vorlesungsfolien fehlen, findest du hier. Außerdem sind Lehrbücher (außer einige nicht so qualitätsvolle Kurzlehrbücher) so umfangreich, dass du dir sicher sein kannst, kein Thema aus Versehen zu vergessen.

Allerdings sind die Erklärungen in Büchern zu 99% als Fließtext geschrieben. Die meisten nutzen dann den Großteil ihrer Lernzeit zum Aufschreiben in Stichpunkten, machen also eine Zusammenfassung (s.u.). Problem dabei ist, dass es eben immer sehr umfangreich ist und die dicken Lehrbücher oft sehr tief in die Materie eindringen. Wir nennen das immer, dass es etwas „overkill“ ist. Und in Details verrennen ist nie gut. Wenn du von dir selber weißt, dass du dazu neigst, pass auf, dass du erstmal die Basics drauf hast!

Vorteile und Nachteile von Zusammenfassungen:

Zwei Möglichkeiten: Selber eine schreiben (dauert lange, ist aber genau) oder auf Zusammenfassungen der höheren Semester zurückgreifen (geht schneller, aber kann Fehler enthalten).

Wenn du selber eine schreibst, solltest du dir gut überlegen, ob du es anstatt der guten alten Handschrift nicht lieber auf deinem Laptop schreiben willst. Dann kannst du es nämlich ganz einfach ausdrucken. Und wir wissen ja alle: „Ausgedruckt ist halb gelernt!“ Wenn du es doppelseitig ausdruckst, hebst du sogar deine Moral. Ein Wunder ist geschehen: anstatt 60 Seiten sind es nur noch 30 die innerhalb von 24 Stunden auswendig lernen musst.

Wenn du einen Lernpartner hast (s.o.) könnt ihr euch die Zusammenfassung teilen, denn jeder macht einen Part und dann fügt ihr die Teile einfach zusammen. So seid ihr doppelt so schnell. Wissenschaftliche Studien haben zwar ergeben, dass du dir Dinge am besten merkst, wenn du es handschriftlich in Schreibschrift aufschreibst. Aber das hilft auch keinem, wenn du mit deiner handschriftlichen Zusammenfassung dreifach so lange brauchst. Außerdem kannst du dein Laptop auch ganz einfach z.B. mit in Zug nehmen und dabei zusammenfassen.

Besonders fürs Physikum eignen sich natürlich die Endspurtskripte des Thieme Verlags. In der Vorklinik fragen allerdings manche Professoren weit über das Physikumswissen hinaus. Es gibt aber nicht wenige, die nur mit den Endspurts durch die Klausuren kommen.

Du weißt jetzt, mit wem du lernst und mit welchen Materialien du lernst. Aber was lernst du?

Tipp: Es gibt bei kmed zu jeder Prüfung einen Lernzielkatalog (Achtung, meist „overkill“), aber du kannst auch Bremser/Tutoren/Freunde aus höheren Semester fragen, was wichtig ist. Wenn du dann noch in den Seminaren aufpasst, was oft abgefragt wirst und Altklausuren anschaust, weißt du genau, was du lernen musst.

 

Die allerletzte Frage vor dem Durchstarten: Wie lernst du?

Auswendig lernen mal anderes:
1. Sage dir deine Lerninhalte laut auf. Durchlesen und aufschreiben hilft oft, aber gerade für die Mündliche musst du oft einfach mal laut das Thema durchsprechen. Alleine mit der Wand reden kommt den meisten aber sehr komisch vor. Lernpartner (s.o.) sind natürlich perfekt.

Alternativen: Rede mit deinem Haustier/Kuscheltier (falls du noch eins hast) oder Fotos. Es hört sich vielleicht affig an, aber es funktioniert wirklich gut, da du das Gefühl hast, dass dir jemand zuhört.

2. Nimm dich auf. Lade dir auf dein Handy eine Recorder-App/Diktiergerät (kostenlos) runter, die dich aufnehmen und wieder abspielen kann. So kannst du deine Lerninhalte aufnehmen und sie dir später wieder anhören z.B. kurz bevor du schlafen gehst. Auch wenn du zu müde oder zu unkonzentriert bist, um etwas Neues zu lernen, kannst du sehr gut wiederholen und so selbst Phasen, in denen du sonst vermutlich gar nichts getan hättest, etwas schaffen. Doppelter Effekt: Du lernst sogar schon beim Einsprechen des Themas!

3. Denke dir Geschichten zu dem Thema aus (z.B. Märchen). Es ist absolut effektiv und es gibt auch bei Youtube schon Videos wie du dir z.B. den Citrat-Zyklus in quasi 5 min merken kannst. Mit einer Geschichte. Wir haben es selber ausprobiert und uns noch ein Jahr später an das Video erinnert.

4. Nutze Eselsbrücken. Ein gesammeltes Werk gibt es hier.

5. Denk dir selber Eselsbrücken aus. Je dümmer, desto besser. Dabei entwickelt jeder seine eigene Vorliebe. Ich z.B. kann mir Dinge super gut anhand von Buchstaben merken. Wie: „Normochrom“ hat ein H, also muss es für den MCH (mittlerer korpuskulärer Hämoglobingehalt) stehen. „Normozytär“ hat kein H, also muss es für den MCV (mittleres korpuskuläres Volumen) stehen. Falls ich es dann in der Klausur vergesse, reicht es, wenn ich diese Regel kann: H und H gehören zusammen, um es kreuzen zu können. Oder in Anatomie: Anteflexio hat ein X, also muss es sich um die Neigung zwischen Cervix und Corpus handeln. Anteversio hat kein X, also muss ein sich um die Neigung des ganzen Uterus zur Körperachse handeln.
Andere mögen lieber Zahlen oder die typischen Merksprüche. Die mag ich nicht so gerne, weil ich mir die nicht merken kann. Aber das macht ja nichts. Jedem das seine.

6. Wechsel den Ort. Setzt dich in Park/Garten/Küche, wo auch immer, und lerne dort auswendig. Ein Tapetenwechsel hilft manchmal wahre Wunder!

So, jetzt hoffe ich, dass du wieder durchstartest und wünsche dir gutes Gelingen beim Lernen!

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