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  • Moritz Völker
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  • 02.07.2015

Faktor Mensch – sicheres Handeln in kritischen Situationen

Menschen machen Fehler. Gerade auch da, wo sie im Team zusammenarbeiten und sich einer auf den anderen verlassen können muss, wie etwa im OP. Das Projekt Faktor Mensch zeigt neue Wege auf, wie Fehler vermieden werden können.

 

Notfall - Foto: Kirsten Oborny

Foto: Kristen Oborny 

 

Witten ist bekannt für ein sehr reichhaltiges Seminarangebot an den Wochenenden. Oftmals kann man sich gar nicht entscheiden, welche Veranstaltung man am besten besucht und wird mit der Zeit auch ein wenig müde die Wochenenden zusätzlich in der Uni zu verbringen. Hier möchte ich aber gern von einem Seminar berichten, das mir besonders gut gefallen hat und von dem ich mir erhoffe langfristig vieles für mein ärztliches Handeln zu übernehmen.

 

Der Kurs "Faktor Mensch - sicheres Handeln in kritischen Situationen“ wurde von den Univertretern des Hartmannbundes an der UWH initiiert. Es kamen insgesamt 40 Studierende aus fast allen Fakultäten NRW’s die das Team Resource Management (TRM) an diesem Wochenende kennen lernen wollten. Dabei handelt es sich um einen Grundgedanken, der versucht die Ressourcen in einem Team optimal zu nutzen, um somit das Auftreten von unerwünschten Ereignissen zu reduzieren.

 

In dem Modell –das in der Luftfahrt schon seit vielen Jahrzehnten Anwendung findet- geht es darum, Risiken frühzeitig zu identifizieren und zu kontrollieren. So helfen schon strukturelle Kleinigkeiten wie Patientenarmbänder und die Markierung des zu operierenden Beines vor der OP, unvorstellbare Fehler zu verhindern.

 


Gemeinsam haben wir das Funktionieren oder auch das nicht Funktionieren von Teams erörtert sowie das Entstehen von Teamdynamiken. Viele brachten ihre Erfahrungen aus Rettungsdienst, von Intensivstation oder aus dem OP mit und gemeinsam fanden wir heraus, welche Persönlichkeiten dazu neigen welche Aufgaben in Gruppen zu übernehmen und wie verschiedene Menschen in einem Team interagieren. Dass ein Team aus verschiedenen Charakteren bestehen muss wurde schnell deutlich. So braucht es immer aktivere Führungskräfte, die Ideen anpacken, Aufgaben verteilen und ergebnisorientiert arbeiten. Genauso sind aber die „Tüftler“, die Ideen umfassend ausarbeiten und durchdenken essentiell.      

  

Auch Pessimisten sollten vertreten sein, die Schwachstellen entdecken und Grund für die weitere Ausarbeitung geben. Diese Liste kann natürlich noch viel weiter gehen, soll aber ausreichen um einen Eindruck zu bekommen, dass viele verschiedene Köche in einem Team nicht unbedingt der Brei verderben.

 


Daniel Marx, Anästhesist, Gründer von Faktor Mensch und Dozent an diesem Tag, verwies im Seminar auch immer wieder auf die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung und schaffte es uns diese mehrmals mit Beispielen aufzuzeigen. Dabei wurden auch viele persönliche Erfahrungen ausgetauscht, denn „Fehler sind dazu da aus ihnen zu lernen, nicht um sie zu wiederholen“ so einer von Daniels einprägsamen Sätzen.       


Immer wieder wurde auch auf den wichtigen Unterschied zwischen Kompetenz und Performance hingewiesen. Gerade Mediziner neigen dazu, Kritik an ihrer Tagesperformance auf ihre fachliche Kompetenz zu beziehen. Konflikte im Team sind dabei die Folge. Das aber Ärzte genauso viele Fehler machen wie Rettungsdienstler oder die Krankenpflege stand für uns alle außer Frage. Entscheidend ist es, diese zu erkennen, zu kommunizieren und zu korrigieren -im Sinne der Patienten. Der Schlüssel, so wurde schnell klar, ist die Kommunikation auf allen Ebenen.       

 


Hinderlich für die offene Kommunikation von Fehlern sind zum Beispiel steile Hierarchiestrukturen. Eine Verkettung von Fehlern kann die Folge sein und muss frühzeitig durchbrochen werden. Und das bedeutet in der Praxis: Offene Ansprache aller Unregelmäßigkeiten. Da haben wir als Mediziner jedoch oft ein Problem, denn Kritik am Chefarzt ist bis heute nicht gern gesehen. Dabei zeigen die Statistiken der Luftfahrt ganz klar, dass in asiatischen Airlines, wo es ebenfalls diese Kultur der Ehrerbietung gegenüber Vorgesetzten gibt, die Unfallzahlen am höchsten sind. Da bringen auch Fehlermeldesysteme nichts, in denen das erste Feld oft der eigene Name ist.      

 


Das der „Faktor Mensch“ ein ständiger Begleiter ist, der sich vor allem in kritischen Situationen zeigt war uns allen am Ende des Tages klar. Strategien diesem zu begegnen wurden uns jedoch im Verlauf des Tages in vielfältiger Weise vorgestellt. Wenn auch manchmal aufgrund der Thematik nur schwer greifbar, wurde uns gezeigt, dass jeder der an der Patientenbehandlung beteiligt ist immensen Input geben kann. Vom Chefarzt über den Rettungsdienstler bis zum Pflegepraktikanten bringt jeder seine eigenen Erfahrungen und Perspektiven mit, welche für den Patienten lebensrettend sein können.      

 


Was hier manchmal schwer nachvollziehbar klingt, wurde im Seminar durch praktische Elemente und Videos ergänzt um das brisante und komplexe Thema der Fehlerkultur im Gesundheitssystem und den Umgang mit diesen für uns alle transparent darzustellen.

 


Am Ende waren wir alle zugleich begeistert und erschrocken von der Realität, wie auch motiviert die gewonnenen Erfahrungen später selbst umzusetzen. Viele blieben nach dem Seminar noch da um Diskussionen zu vollenden und Erfahrungen auszutauschen. Ich bin sehr froh einen der raren freien Samstage für dieses fantastische Seminar „aufgebracht“ zu haben und werde den Faktor Mensch zukünftig wesentlich bewusster im Hinterkopf behalten.

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