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  • Carina Wels
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  • 26.05.2015

How to: Survive the midtwenties?

Lokalredakteurin Carina beschäftigt sich gerade mit der Sinnkrise der Mittzwanziger. Hier wagt sie den Versuch, à la ,,Selbsthilfe-Ratgeber’’ einen Weg der aus Krise zu finden.

 

Viele junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren trifft die Quaterlife Crisis. Foto: evgenyatamanenko – Fotolia.com

 

Seit geraumer Zeit manifestiert sich ein eigenartiges globales Phänomen, vorwiegend bei Hochschulabsolventen zwischen 20 und 30 Jahren ... Es ist verunsichernd, angsteinflößend, quälend, dramatisch ... Es ist die QUATERLIFE CRISIS!


Ja, es ist genau das, wonach es sich anhört: Die Quaterlife Crisis ist die Sinnkrise der Mittzwanziger und damit das Pendant zur Midlife Crisis. Die Quaterlife Crisis (QLC) ist ein Begriff aus der Populärpsychologie, der 1997 in den USA als Analogie zur allseits bekannten und gefürchteten Midlife Crisis gebildet wurde. Populär wurde der Name für die Krise jedoch erst 2001 durch den Bestseller ,,Quaterlife Crisis – Die Sinnkrise der Mittzwanziger’’ der amerikanischen Autorinnen Abby Wilner und Alexandra Robbins, die sich beide während ihren Zwanzigern in der besagten Krise wiederfanden.


Überraschung: Das Ende war erst der Anfang!


Nach dem Studium befinden wir uns in einem höchst fragilen Übergangszustand. Anstatt stolz zu sein und sich über das Geschaffte und über den neuen Lebensabschnitt zu freuen, machen sich bei Mitzwanzigern negative Gefühle breit. Sie fühlen sich zutiefst verunsichert, leiden unter großen Selbstzweifeln, Lebensangst, Panikattacken oder sogar Depressionen. Die Uni bietet eben keine Kurse über das Leben an.

So stehen sie da, nach vielen (für alle Mediziner: außerordentlich vielen) Semestern, akademisch hervorragend geschult und theoretisch auf die meisten berufsbezogenen Problemstellungen vorbereitet. Und doch schafft es die simple Konfrontation mit der realen Welt, sie völlig aus ihrem hübsch abgehefteten Konzept zu bringen. Durch all die neuen Verantwortungen und gelinde gesagt ein paar neue Spielregeln im Berufsleben, steuern wir geradewegs in eine Identitätskrise.


Natürlich sind da draußen zweifelsohne viele Dinge zum Fürchten – die Sorgen sind also keineswegs nur subjektiv. Wir leben in Zeiten, in denen die Sicherheit des Arbeitsplatzes oft nicht mehr gewährleistet werden kann, in denen wir mit großem Konkurrenzdruck, (vorherrschend) starren Hierarchien und Machtspielen umgehen müssen. Dazu kommen häufig finanzielle Herausforderungen: Versicherungen, Umzug, Bafög oder Studienkredite müssen zurückgezahlt werden u.v.m.


Diese Konstellation aus vermeintlicher Überforderung, Zukunftsangst und quälenden Selbstzweifeln schafft die perfekte Basis für die Krise – und bevor man sich versieht, ist man schon mittendrin.


QLC – Aussichtslose Diagnose? Nein, keineswegs. Das Gute einmal vorweggenommen: die Krise ist temporär. Jenseits der Dreißig ist die QLC ausgestanden und dann heißt es: geduldig warten bis die Midlife Crisis einsetzt.


Gibt es denn keine Alternative zum Abwarten? Klar doch!


Weisheit 1: ,,Ich weiß, dass ich nicht weiß.’’


Bereits in der Antike stellte der griechische Philosoph Sokrates kritische Nachfragen über das, was man zu wissen meint. Das Zitat steht im direkten Gegensatz zu dem Sicherheitsbedürfnis des Menschen, das aber in unserem Fall kontraproduktiv wirkt und eher verängstigt und lähmt, als antreibt.


Nach Sokrates ist ein sicheres Wissen bei den Menschen grundsätzlich nicht zu finden. Vermeintliches Wissen ist nur ein beweisloses ,,Für-Selbstverständlich-Halten’’, und bei näherer Betrachtung unhaltbares Scheinwissen. Demnach kann man von seinen Ansichten einzig so lange überzeugt sein, bis sich die Annahme entweder bestätigt oder zerwirft.


Meinen wir also eine Vorahnung zu haben, wie es mit uns weitergeht, so fühlt sich dieses Szenario plötzlich an wie Gewissheit. Und somit sind wir der Schöpfer unseres eigenen Dilemmas.


Das Problem der QLC ist, dass man die realistischen Risikofaktoren nicht nur am Rande registriert, sondern diese bereits als gewiss voraussetzt. Man entwickelt emotionale Reaktionen auf die nicht existente Situation und kultiviert diese ständig weiter. Bis man sich selbst so verängstigt hat, dass man resigniert und seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden lässt.


Plötzlich also findet man sich depressiv und sozial abgeschottet, ohne jeglichen Antrieb, mitten in der Krise – und das nur, weil man aus dem Nichts meinte zu wissen, dass es genauso kommen wird. Resümierend hätte man also mit offenkundigem Nichtwissen und abwarten wesentlich bessere Ergebnisse erzielt.


Wenn man eine Situation fälschlicherweise als real definiert, ist sie in ihren Konsequenzen real. Somit wird ein echtes Problem aus unechten Zutaten kreiert.


Nun haben wir also verstanden, wie wir da hingekommen sind, wo wir uns gerade befinden. Als nächsten Schritt wechseln wir die Disziplin von der Philosophie zur Psychologie und betrachten die Bredouille mit der gleichen empirischen Denkweise.


Weisheit 2: ,,Der zuverlässigste Weg in die Zukunft zu sehen, ist das Verstehen der Gegenwart.’’


Dieser kluge Satz stammt vom amerikanischen Zukunftsforscher John Naisbitt. Es ist also unabdingbar zu verstehen, in welcher Situation man sich gerade wirklich befindet, ungeachtet aller nicht objektiven Beurteilungen. 

QLC-Geplagte müssen also nur nüchtern die Gegenwart betrachten und schon sind sie geheilt. So ändern sie automatisch ihre Situation und somit auch die künftige.
Wir sollten uns also folgende Fragen stellen: ,,Wieso bin ich, wo ich gerade bin?’’ und ,,Was hat dazu geführt?’’


Doch wie geht man vor? Zum Beispiel mit einer strikt wissenschaftlichen Arbeitsweise. Die Methodik, die wir im Studium gelernt haben, können wir hervorragend instrumentalisieren, um unsere Situation realistisch zu begutachten und uns wieder auf Kurs zu bringen.


Die Verfahren der Deduktion, Induktion, Analyse, sowie der Synthese haben wir nun bereits durchlaufen. Wir verstehen jetzt, warum wir QLC-Kranke sind. Nun geht es darum, die Denkweise wieder so zu ändern, dass wir uns wohlfühlen. Oft hilft es, das vorhandene Selbstbild durch Fremdbilder zu ergänzen – also mit Freunden, Familie, Therapeuten oder Leidensgenossen über die Probleme zu reden. Auf unserer ,,tabula rasa’’ ist nun wieder reichlich Platz für positive Inhalte!


Anschließend sollte man seine persönlichen Ziele definieren und den Fokus ganz klar darauf setzen. Um das Vertrauen in sich selbst zu stärken, kann man sich immer wieder die bereits erzielten Erfolge vor Augen halten. Ebenso wichtig sind Erfolgserlebnisse, auch wenn sie noch so klein sind, denn als positiver Input erfüllen sie ihren Zweck zuverlässig.

Logischerweise folgt nun dem psychischen Rüsten der Wiedereinstieg in das Berufsleben. Es mag sich zu Beginn nicht gut anfühlen, aber natürlich wäre es so viel einfacher, wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen und den Rückzug anzutreten.


Gefühle kann man durch stetiges Verhalten komplett revidieren. Hierzu fällt mir eine passende Metapher ein: Wenn man das erste Mal in England auf der linken Spur Auto fährt, fühlt es sich für uns Deutsche eine Zeit lang falsch an. Man kommt nicht umher sich immer wieder bewusst zu machen, dass man trotz des Gefühls eines Fehlverhaltens, genau richtig handelt. Nach und nach passt sich das richtige Gefühl dem richtigen Verhalten an, bis hin zur Synchronisierung beider.


Handelt man also lange genug richtig nach intellektueller Überzeugung, erzeugt man so mit der Zeit eine emotionale Angleichung. Gefühl und Tat werden wieder in Einklang gebracht. Unsicherheiten, sowie Selbstzweifel werden beseitigt und die Grundlage für ein neues korrigiertes Denk- und Verhaltensschema geschaffen. Ein Schema, das umgesetzt persönliche Erfolge bringt und sich dabei sogar gut anfühlt. Nun sollten die eigenen Potenziale wieder wahrnehm- und steuerbar sein.


Damit ist es nun Zeit, die große Quaterlife Crisis endlich ad acta zu legen. Das Gute daran: Nach diesem Procedere sind wir nun zumindest methodisch gerüstet, wenn in zwanzig Jahren die nächste Crisis an die Tür klopft.


Weisheit 3: ,,Erfahrung ist die einzige Quelle der Erkenntnis.“ (Zitat von Immanuel Kant)   

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

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