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  • Melanie Poloczek
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  • 08.11.2019

Eselsbrücken bauen – Tipps und Tricks für die Gedächtnisstütze

Auf dem Rücken der Pferde liegt das Glück dieser Erde – oder doch auf dem der Esel? Stumpfes Auswendiglernen ist im Medizinstudium keine Seltenheit, wird mit der richtigen Eselsbrücke aber zum Kinderspiel. Wie du dir deine eigenen Eselsbrücken baust, erfährst du hier.

 

 

Was für den einen die Abgänge der Bauchaorta sind, sind für den anderen die Strukturformeln der Aminosäuren, Zytostatika mit Nebenwirkungen, Tubuli der Niere, Begrenzungen der Fossa pterygopalatina oder die allseits beliebte Unterarmmuskulatur – die Rede ist von den Schrecken des Medizinstudiums. All der Faszination für den menschlichen Körper zum Trotz: So manches Wissen will nicht im Gedächtnis bleiben. Die Fülle an Lernstoff, aber auch die Stupidität einiger Themen – nämlich derer, die nur stumpf auswendig gelernt werden können – machen das Lernen nicht immer zu einem Zuckerschlecken.

Das Sprichwort sagt: Man muss sich nur zu helfen wissen; im besten Fall durch Eselsbrücken. Während Hirnnerven („Onkel Otto onaniert…“) und Arteria maxillaris („Theo Lingen fabriziert…“) dank allseits bekannter Merkspruche bis ans Lebensende nicht mehr vergessen werden, spuckt die Suchmaschine für die meisten Themen keine fertigen Eselsbrücken aus. Das stellt den Lernenden vor genau zwei Möglichkeiten: Eselsbrücken anderer finden und wiederverwenden, oder – und das ist meist vonnöten – selbst zum Brückenbauer werden.

Das Rad nicht neu erfinden


Wem die wenigen Merkhilfen, über die man in Lehrbüchern hin und wieder stolpert, nicht genügen, der kann im Internet aktiv nach Eselsbrücken suchen. Es gibt ganze Eselsbrücken-Sammlungen für Vorklinik und Klinik, in denen andere Medizinstudenten ihre besten Gedächtnisstützen für die kommenden Generationen vermerkt haben und die fortwährend ergänzt werden können – auch von dir!
Wer diese Sammlungen durchstöbert, wird viel Brauchbares finden, sich aber nicht mit jeder Eselsbrücke anfreunden können. Einige scheinen komplizierter als das Wissen selbst, andere versteht man selbst nach dreimaligem Nachdenken nicht. Das ist nicht unüblich, schließlich beruhen fremde Eselsbrücken auf den Assoziationen anderer. Die besten Merkhilfen stammen oft aus eigener Feder.

Selbst kreativ werden


Neue Eselsbrücken bauen – das kannst du nicht? Du hast es vielleicht schon mal versucht, bist aber kläglich daran gescheitert und denkst, dass diese Lerntechnik den kreativen Köpfen vorbehalten ist? Dann irrst du! Denn auch für Eselsbrücken gilt: Übung macht den Meister. Wer regelmäßig Eselsbrücken baut, wird mit der Zeit schneller, spontaner und auch sicherer in seiner Sache werden. Hat man zu Beginn noch minutenlang an neuen Merkhilfen getüftelt, oft gefolgt von Frustration, denkt man später nicht einmal darüber nach, welche Regeln man befolgen könnte – mit etwas Übung verselbstständigt sich diese Lerntechnik schon fast.

Für den Anfang gibt es hier trotzdem ein paar Tipps mit Beispielen:

Die erste Assoziation


Wer eine Eselsbrücke bauen will, spielt oft mit seinem ersten Einfall. Das sind häufig Wörter, die dem Fachbegriff stark ähneln, zum Beispiel „Flixbus“ für Infliximab, oder „Mineralwasser“ für Mineralcorticoide. Die erste Assoziation hat dabei einen ziemlich hohen Stellenwert: Man muss nicht lange nach ihr graben, tief im Gedächtnis verwurzelt ist sie trotzdem. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass die neue Eselsbrücke funktionieren wird, denn sie knüpft an eigene Vorlieben an und macht das Lernen individuell – auch dann, wenn die Eselsbrücke so gut ist, dass Kommilitonen und Freunde sie recyceln werden.

Anfangsbuchstaben


Wem nicht direkt ein ähnliches Wort auf der Zunge liegt, etwa weil das Fachwort zu kryptisch ist, dem bleibt das bewährte Zurückgreifen auf den oder die ersten Anfangsbuchstaben. Ein bekanntes Beispiel: Die Eselsbrücke „Never let monkeys eat bananas” (Neutrophile, Lymphozyten, Monozyten, Eosinophile und Basophile; gelistet in absteigender Häufigkeit). Diese Methode findet im Medizinstudium häufig Anwendung, weil es oft Auflistungen und Reihenfolgen sind, die stumpf auswendig gelernt werden müssen, beispielsweise Arterienabgänge. Die Eselsbrücken zur Arteria maxillaris („Theo Lingen…“) oder zu den Arteriae iliacae („Ilse sitzt glut-glühend oben…“) bedienen sich allesamt der Anfangsbuchstaben und vereinfachen das Merken von Reihenfolgen.

Reime


Eine der bekanntesten und ersten Eselsbrücken, der man in der Anatomie begegnet, ist der Merkspruch zu den Handwurzelknochen: „Ein Kahn, der fährt im Mondenschein, im Dreieck um das Erbsenbein“. Es ist weniger das Bildnis (unter einem Kahn kann man sich noch etwas vorstellen, unter einem Erbsenbein schon weniger) als der Reim, der diese Eselsbrücke unvergessen macht. Wer geübt im Dichten ist, muss die Fachwörter nicht zwingend durch Assoziationen austauschen. Entweder man bedient sich wie oben, falls angebracht, der deutschen Übersetzung, oder aber man stimmt die Reime auf das eigentliche Fachwort ab. Auch auf lateinische Begriffe lassen sich Reime finden (z.B. „Aus der Mesenterica superior geht unterm Pankreas alles bis zum CBP hervor“). In dem Fall würde man nicht stumpf den Lehrstoff, sondern sein Gedicht auswendig lernen – sicherlich nicht für jeden etwas, aber es soll bekanntlich Menschen geben, die sich schon im Deutschunterricht mit John Maynard und Herrn von Ribbeck nicht schwergetan haben.

Geschichten und Bildnisse


Beim Lesen der obigen Tipps dürfte bereits aufgefallen sein, dass Eselsbrücken oft ein Bild vor Augen schaffen, meist in Form von Lebewesen, die eine Handlung ausführen. Das sollen sie auch, denn Eselsbrücken sind das Gegenmittel der Abstraktion und auch Situationen und Geschichten selbst können zur Eselsbrücke werden. Situative Eselsbrücken eignen sich besonders gut für Topographien in der Anatomie oder Kreisläufe in der Biochemie.
Zwei Beispiele:

1. Begrenzungen des Mittelohrs
„Ich surfe auf der Jugularis (V. jugularis = kaudal), hinter mir ragt der Mast empor (Pars mastoideus = dorsal), vor mir geht die Carotis auf (Canalis caroticus = ventral), außen trommle ich (Trommelfell = lateral), mittig ist das Labyrinth (Pars labyrinthicus = medial) und über mir ist das Dach (Tegmen = kranial).“

2. Die Blutgerinnung
- Extrinsischer Weg: „Meine 3. Ex bekam von Guido 7 von 10 Punkten“ (Faktoren III  VII  X; Ex = extrinsisch)
- Intrinsischer Weg: „Am 12.11. haben sich 98 Indianer die Zähne ausgeschlagen“ (XII  XI  IX + VIII  X; Indianer = intrinsisch; Zähne = X)

Es gibt kein „too much“


Vielleicht ist dir die ein oder andere Eselsbrücke unangenehm; sie mag inhaltlich wenig Sinn ergeben (Wieso sollte ein Kahn im Dreieck um ein Erbsenbein fahren?) oder so schmutzig sein, dass du sie mit keinem deiner Kommilitonen teilen möchtest. Selbstverständlich kannst du deine Eselsbrücken für dich behalten (in erster Linie sind sie schließlich auf dein Gedächtnis maßgeschneidert), generell gilt für Merkhilfen aber: Es gibt kein zu viel, ganz egal, wie komisch die Eselsbrücke sein mag. Im Gegenteil, gute Eselsbrücken sind wortwörtlich merkwürdig, das heißt befremdlich, aber würdig, gemerkt zu werden.
Auch bist du nicht der Einzige, der beim Eselsbrückenbauen als erstes „schmutzige Einfälle“ hat – ein Blick in die Eselsbrückensammlung verrät, dass sich tausende Medizinstudenten die Hirnnerven mit dem „onanierenden Onkel Otto“ gemerkt haben. Zur Abhärtung hier ein weiteres Beispiel, das vielleicht DIE Eselsbrücke meiner Vorklinikzeit war, Thema Innervation der suprahyoidalen Muskulatur:

„Diana wird vorne von Milo genommen, während hinter ihr Falko mit einem Stift einlocht, nur der Gert, der hat Komplexe“
(M. digastricus, venter anterior + M. mylohyoideus = N. mylohyoideus;
M. digastricus, venter posterior + M. stylohyoideus = N. facialis;
M. geniohyoideus = Plexus cervicalis)

Fazit


Viele Eselsbrücken vereinen mehrere der oben vorgestellten Schemata, oder greifen auf ganz andere zurück. Je komplizierter der Lernstoff, desto ausgeklügelter ist die Eselsbrücke, sollte aber immer noch leichter zu merken sein als das Ursprungswissen. Dass eine Eselsbrücke das Lernen nicht ersetzen, sondern nur als Erinnerungshilfe unterstützen kann, darf dabei nicht vergessen werden. Eine Eselsbrücke etwa, die mir hilft, Präparate einer Wirkstoffgruppe zuzuordnen, verrät mir nichts über die Pharmakokinetik hinter den Medikamenten; auch kann man sich für die Klausur nicht zweihundert Eselsbrücken auf einen Streich merken. Hilfreich sind sie trotzdem, daher: Viel Vergnügen beim Brückenbauen!

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