Zurück zu München TU
  • Glosse
  • |
  • Marlen Lauffer
  • |
  • 31.10.2013

Ein kulturelles Dilemma

Auch nach vier Jahren in der bayerischen Metropole München, diesem etwas größeren Dorf, stößt Lokalredakteurin Marlen immer wieder auf kulturelle Barrieren. Brötchen mag ihr dort niemand verkaufen, Würste gibt’s zum Frühstück, aber nicht zum Abendessen. Was eigentlich „Pfiat di“ heißt, hat sie bis heute nicht wirklich verstanden. Viel schlimmer aber noch, daheim im Badischen will sie auch niemand mehr verstehen – ein kulturelles Dilemma.

 

„Mit da Oidn is' koa Sünd.“ - “Bitte was?!“ - “ MIT – DA – OIDN - IS' – KOA – SÜND.“ Ich verstehe hier mal wieder gar nichts: „Gibt‘s das auch auf Deutsch?" Da sitze hier mit fünf (!) Bayern und versuche Schafkopf zu spielen. Bisher ohne Erfolg.  Die Tatsache, dass ich dieses Spiel bis vor 15 Minuten nicht annähernd beherrscht habe, wird dadurch noch erschwert, dass die „Herrschaften“ in einer mir unverständlichen Sprache auf mich einreden. Für jede Karte und jeden Zug gibt es bestimme Namen. Ich bin mir sicher, deutsch ist das nicht! Trotzdem scheinen das aber alle zu verstehen – alle außer mir.

 

 

Gemütlicher Kartenabend mit Bier - Foto: Kzenon, Shutterstock

 

Verständnisprobleme im Freistaat

Das war nicht das erste und sicherlich nicht das letzte Mal, dass ich mich in meiner Wahlheimat irgendwie fehl am Platze fühle. Die Menschen sprechen eine andere Sprache, haben andere Sitten und Bräuche und ich verstehe immer noch Nichts. Dabei wohne ich jetzt schon seit Anbeginn des Studiums hier. Ich erinnere mich noch an einen Aufsatz meines Bruders zum Thema „Culture Clash“, den er über seinen Schüleraustausch schreiben musste. So fühle ich mich auch bei diesem Thema.

Kürzlich wurde mir sogar gedroht mich "auszuweisen", als ich den Vorschlag machte in der Cafeteria ein belegtes Brötchen kaufen zu gehen. Ein Freund wollte mich zusammen mit einigen anderen in ein Auto zerren, zum Flughafen fahren und mit dem nächsten Flieger aus dem Land – also Bayern – verweisen. Natürlich alles nur ein Scherz, hinter dem doch ein kleiner Funken Wahrheit steckt.

Denn, wenn die Bayern eines sind, dann stolz. Stolz auf sich, ihr Land, also den Freistaat, ihre Sprache und ihre Kultur. Wo sonst gibt es ein Heimatmuseum? Wer hier nicht aufwächst kann das kaum verstehen und gehört auch nur bedingt dazu. Und das erst dann, wenn er sich an die vielen ungeschriebenen Gesetze und Regeln hält. Man sollte wissen, wie man sich als Bayer zu benehmen hat. Ich bin dann schon mal raus! Wohl direkt in der ersten Runde gescheitert, zum Recall gar nicht mehr zugelassen.

 

Falsch verstanden in der badischen Heimat

Eigentlich würde ich ja sagen: „Macht nichts, ich bin ja sowieso Badnerin." Allerdings ergibt sich hier ein kleines Problem. Letztens habe ich mich selbst dabei ertappt, als ich daheim eine „Brez’n“ bestellt habe. Zu meinem alltäglichen Wortschatz gehört das „mei“ mittlerweile dazu. Mein badischer Dialekt ist einem Kauderwelsch aus Hochdeutsch mit badischem Einfluss und bayerischen Sprenkelern gewichen! Das Ergebnis: Zu Hause bekomme ich schiefe Blicke zugeworfen, wenn ich mich zu sehr bayerisch benehme.

 

Heimat ist wo man sich wohl fühlt

Und da sitze ich jetzt in diesem Freistaat. Die einen wollen mich nicht haben, die anderen nehmen mich wohl nicht mehr zurück. Ich selbst fühle mich trotz der sprachlichen Barrieren eigentlich ziemlich wohl. Das Essen schmeckt gut, Bier gibt es in ausreichenden Mengen und ins Herz geschlossen hat man die Bayern auch ziemlich schnell. Meinen nächsten Sprachkurs mache ich dann besser auf dem bayerischen Land anstatt in Frankreich. Vielleicht wird es dann mit der Einbürgerung doch noch was! Das passende Dirndl hängt schon mal im Schrank, Zöpfe flechten kann ich auch und das Wichtigste habe ich bereits jetzt verinnerlicht: „Mia san mia!“

Mehr zum Thema

Artikel: Nur noch 30 Tage bis zur Klinik

Interview: MIND your Health

Artikel: Die Qual der Wahl – Klinik an der LMU oder TU?

Schlagworte