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  • Marisa Kurz
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  • 21.01.2016

Wege ins Medizinstudium: Studienplatz ohne Abitur

Marc studiert Medizin. In einem wichtigen Punkt unterscheidet er sich jedoch von seinen Kommilitonen: Marc hat kein Abitur. Er hat über das Auswahlverfahren der LMU München einen Studienplatz bekommen. Warum Marc ein hervorragender Beweis dafür ist, dass man gute Medizinstudenten nicht nur über einen numerus clausus finden kann.

Marc ist 32. Vor seiner Ausbildung zum Krankenpfleger, die er 2007 abgeschlossen hat, machte er einen Realschulabschluss. Um Medizin studieren zu können, wollte Marc zunächst sein Abitur an der Abendschule nachholen. Dann erfuhr er durch Zufall von der Möglichkeit, auch ohne Abitur Medizin studieren zu können. Seit einigen Jahren bieten Universitäten Aufnahmeverfahren für bestimmte Studiengänge an, für die man sich teilweise auch ohne Abitur bewerben kann. Das Ganze nennt sich „Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige“. Wer an einem Medizinstudienplatz an der LMU interessiert ist, muss eine Berufsausbildung in einem verwandten Fach und drei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Mehr Infos findest du hier.

2014 wurde Marc zum Aufnahmetest an der LMU, der aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil besteht, eingeladen. Mit über 20 anderen Bewerbern nahm er am Test teil. Der schriftliche Teil ähnelt dem „Test für medizinische Studiengänge“, kurz TMS. Gewöhnlich quälen sich Abiturienten durch diesen Test – in der Hoffnung, damit ihren Abi-Schnitt aufzubessern. Manche Universitäten verrechnen das Testergebnis nämlich mit der Abiturnote.

Im mündlichen Teil, einem 45-minütigen Gespräch mit dem Dekan der Vorklinik, sollte Marc erklären, warum er Medizin studieren will und wie er sich das Studium vorstellt. Er wurde gefragt, wie er mit Misserfolgen und Konfliktsituationen umgehen würde, wo er sich nach dem Medizinstudium sieht, aber auch danach, wie das Studium organisiert ist. Für seine Leistung im Test bekam Marc schließlich eine Note von der LMU. Mit dieser Note konnte sich Marc bei hochschulstart, der zentralen Vergabestelle für Medizinstudienplätze, bewerben. Die Note zählte sozusagen als Marcs „Abiturnote“, war allerdings nur für die LMU und nur für das Fach Medizin gültig. Einen schlechten Eindruck scheint Marc nicht gemacht zu haben. Die Note, die er von der LMU bekommen hat, war eine 1,0. Im Wintersemester 2014/15 wurde er zum Medizinstudium zugelassen.

Etwas über ein Jahr nach Studienbeginn ist Marc immer noch sehr glücklich im Studium. Schon im ersten Semester glänzte er mit Bestnoten in Anatomie, wurde schnell zum Liebling der Dozenten und auch zum Ansprechpartner für Kommilitonen. Inzwischen engagiert sich Marc als Junior-Mentor für die neuen Erstsemesterstudenten. Im Sommer wird er sein Physikum ablegen, nebenbei organisiert er clinical skills-Workshops für Studenten und setzt sich dafür ein, dass Live-Operationen der Tübinger Sectio Chirurgica in Hörsälen der LMU übertragen werden. 

Marc möchte in der neurobiologischen Grundlagenforschung arbeiten. Um sicherzugehen, dass ihm die Arbeit im Labor Spaß macht, belegt er schon jetzt ein Wahlfach zum Thema „Grundlagenforschung in der molekularen Medizin“. Da Marc die Arbeit mit Patienten nicht ganz aufgeben möchte, wünscht er sich eine klinische Tätigkeit, die er mit Forschung kombinieren kann.

Marc hat noch nie für ein Abitur gelernt – geschweige denn, es mit einer Spitzennote abgelegt. Er hat noch nie studiert, ist schon lange im Beruf und „aus dem Lernen raus“ – und er ist keine 17 mehr. Eigentlich erfüllt er nichts von dem, was Bewerber für einen Medizinstudienplatz mitbringen sollten. Und das Schöne ist: Das macht nichts! Denn Marc kann mit den besten Abiturienten des Landes nicht nur mithalten, sondern neben ihnen glänzen. Er bedauert es, dass die Möglichkeit, ohne Abitur Medizin zu studieren, nicht bekannter ist. Und da gebe ich ihm Recht: In unserem Studium sollte es noch viel mehr Menschen von seiner Sorte geben!

 

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