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  • Bericht
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  • Tim Vogel
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  • 21.05.2013

Spannendes Pflegepraktikum in Kalkutta

Abenteuer Medizin: Bei einem einmonatigem Besuch in der Millionenmetropole Kalkutta andere Menschen, andere Krankheiten und eine chaotische, aber funktionierende Stadt entdecken. Wie Medizinstudierende im Dschungel von Dreck, Armut und Lärm in den Slums von Bengalis Hauptstadt bestehen und was man dabei lernen kann, berichtet Tim Vogel.

In Indian traffic you always risk your life, but you never die

3 Uhr morgens, Flughafen von Kalkutta, West-Bengali, Indien: 23 Stunden Reise mit den Stationen Leipzig - München - Doha - Dehli -Kalkutta. Nun warte ich darauf, dass ich von einem Mitarbeiter des IIMC (Institute for Indian Mother and Child) für mein einmonatiges Pflegepraktikum in Kalkutta vom Flughafen abgeholt werde. Um etwa 8 Uhr, verabredet war 6 Uhr, trifft der Mitarbeiter ein. Ein erstes Beispiel für das indische Zeitverständnis.    

Durch den chaotischen Linksverkehr geht es in ein vergleichsweise ruhiges Viertel zum "Guesthouse" des IIMC, meiner Heimat für den nächsten Monat. Im Guesthouse warten schon einige "Volunteers", welche mich schnell über die künftigen Lebensbedingungen aufklären: Strom gibt es manchmal, fließend Wasser recht häufig und Moskitos und Durchfall quasi immer. Dafür und auch für viele weitere Probleme gibt es eine einfache und häufig genutzte Erklärung: This is India.

 

Es gibt grad Wasser, das muss man nutzen

Nach einer ersten Dusche begebe ich mich mit den neuen Volunteers in die Indoor Clinic, welche etwa 1h Stunde mit TukTuk und Metro vom Guesthouse entfernt liegt. Wir sind alle Medizinstudierende verschiedener Semester aus Schweden, Spanien, Belgien, Italien, Polen, Dänemark und Norwegen. "Clinic" ist nach meinen ersten Eindruck ein recht optimistischer Begriff für ein Gebäude mit 30 Metallbetten und einer Krankenschwester. Nichtsdestotrotz stellt sich schnell heraus, dass eigentlich alles da ist was man braucht. Wie auch in europäischen Krankenhäusern gibt es einmal täglich eine Visite mit indischen Ärzten. Die Patient_innen sind vor allem Frauen und Kinder mit Brandverletzungen und Hautinfektionen, die sich kein öffentliches und erst recht kein privates Krankenhaus leisten können.

 

Riscotta und Aufgaben für alle - bene! 

Am Abend gibt es eine erste Vollversammlung der 23 neuen Volunteers: Die Italiener_innen haben für alle Riscotta mit Nudeln gekocht und wir besprechen den Dienstplan für die kommenden Tage. In der Indoor Clinic führen wir mit Ärzten jeden Tag die Visite durch, wechseln Verbände, erheben Vitalparameter und Anamnese, geben Medikamente aus und spielen mit den Kindern.

Zudem muss jeden Tag auch eine der fünf Outdoor Clinics des IIMC betreut werden. Die Outdoor Clinics liegen in einem Umkreis von 80km um und in den Slums von Kalkutta und sollen dort die medizinische Versorgung verbessern. Außerdem unterstützen wir mit Schulbesuchen, Essenausgaben, Vorträgen und Ähnlichem die Entwicklungshilfe des IIMC. Nach der Besprechung, geht es ab aufs Dach. Beim Blick über die Stadt und einem dänischen Bier lernen sich alle neuen Volunteers erst mal richtig kennen. Alkohol wird in Indien nur selten verkauft, umso häufiger aber von Medizinstudierenden importiert.  

 

Anamnese auf Bengali - Tomar batha kotai?  

Die ersten Tage vergehen recht schnell. Nach einem Crashkurs in Bengali können wir mittlerweile eine Anamnese erheben. Beeindruckend ist vor allem die Arbeit in den Outdoor Clinics: Dort stehen teilweise über 800 Menschen an, von denen nur ein Bruchteil aufgrund personeller Kapazitätsprobleme behandelt werden kann. Es häufen sich vor allem Infektions-, insbesondere Hauterkrankungen, Mangelerscheinungen und Verbrennungen. Dem Krankheitsspektrum entsprechend begrenzen sich die Behandlungsmöglichkeiten auf zwei Vitaminspritzen, eine Schmerzmittelspritze und 4 Hautcremes.

Neben der medizinischen Arbeit leisten wir Entwicklungshilfe. Diese ist spannend, weil man dabei viel mit den Menschen insbesondere mit den Kindern in den Schulen in Kontakt kommt. Viele erzählen, was sie später mal werden wollen. Sie nennen Berufe wie Arzt/Ärztin, Informatiker_in oder Ingeneur_in. Außerdem spielen wir gegen eine von Real Madrid geförderte Schulmannschaft.

Wir gewöhnen uns alle recht schnell an die neuen Lebensverhältnisse, allerdings gibt es einige Tage in denen unser Guesthouse selbst zur Klinik wird: Einige von uns bekommen hohes Fieber und starken Durchfall - zum Glück gibt es in indischen Apotheken alles rezeptfrei zu kaufen.

 

Ein Resümee

Der Monat neigt sich dem Ende zu, wir ziehen ein erstes Resümee. Kalkutta ist eine wunderbare und faszinierende Stadt, in welcher man viel entdecken kann. Die Arbeit beim IIMC insbesondere mit den Kindern, macht uns allen unglaublich viel Freude. Einziges Manko ist, dass wir manchmal aufgrund unterschiedlicher Arbeitseinstellungen mit den Ärzt_innen nicht so viel helfen können wie wir gerne wollen. Daher steht der fachliche Lernaspekt wahrscheinlich nicht im Vordergrund. Was wir aber von den Menschen dort lernen können ist wertzuschätzen, was uns hier in Europa an medizinischer Versorgung, aber auch an allgemeinem Komfort zur Verfügung steht.

 

Der Weg ins Ausland

Grundsätzlich kann einen meines Erachtens solch ein Auslandsaufenthalt vor allem menschlich weiterbringen. Der Weg dorthin ist mit ein bisschen Eigeninitiative leicht zu meistern: Die Bundesvereinigung der Medizinstudierenden Deutschlands (bvmd) bietet auf ihrer Website zahlreiche Berichte über mögliche Auslandspraktika an. Die Berichte sind größtenteils von Famulant_innen verfasst, allerdings gibt es bei einigen Plätzen auch die Möglichkeit des Pflegepraktikums. Bei der erweiterten Suche kann man einfach eine entsprechende Auswahl treffen. Über die angegebenen Kontaktdaten kann man sich direkt bei der Organisation oder dem Krankenhaus bewerben. Die Anforderungen (Englischtest, Fachsemester usw.) sind hierfür ebenso unterschiedlich wie die Organisationen und Länder in denen sie liegen. Im Falle des IIMC reichte eine Online-Bewerbung mit schriftlicher Ergänzung gewisser Zeugnisse.

Des Weiteren sollte man vorher mit dem Landesprüfungsamt die Anerkennung des Krankenpflegepraktikums oder der Auslandsfamulatur abklären. Außerdem empfiehlt sich, insbesondere wenn man in eher tropischen Regionen reist, eine gründliche reisemedizinische Beratung sowie entsprechende Impfungen in Anspruch zu nehmen.

 

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