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  • Juliana Sciabica
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  • 04.08.2015

Zweitstudium Medizin

Was mich dazu (zurück-)brachte mit 26 Jahren Medizin zu studieren.

 

© shutterstock 

 

Einige mögen mich für verrückt halten, andere für mutig. Was genau mich antrieb, mit 26 Jahren ein weiteres Studium aufzunehmen - und dann auch noch das berüchtigte Medizinstudium - ist schwierig zu beschreiben. Schließlich ist es nicht so, dass mir nach einer Ausbildung zur Kinderkrankenschwester und einem Bachelorabschluss in Kommunikationswissenschaften die Möglichkeiten zum Geld verdienen fehlten.

 

Dennoch: Das Medizinstudium übte auf mich, einen sehr großen Reiz aus. Um diesem nachgehen zu können, muss man sich wahlweise in zwei Stärken üben: Entweder Disziplin während der Schulzeit, um Spitzennoten zu sammeln. Oder Geduld in der Nachschulzeit, um Wartesemester anzuhäufen. Ich entschied mich für letztere und wartete, mal mehr, mal weniger überzeugt – und zwar ganze 14 Semester.

 

Während dieser Zeit absolvierte ich Ausbildungen, die mich dem Berufswunsch Ärztin zumindest indirekt näher gebracht haben. Indirekt deshalb, weil ich in dieser Phase meines Lebens sehr viel über mich selbst und meine Wirkung auf andere Menschen erfahren habe. Ich habe meine Stärken und Schwächen kennengelernt, die ich nun einsetzen bzw. an denen ich arbeiten kann.

 

Während der Ausbildung war ich manchmal näher an Patienten dran, als mir lieb war. Die Atmosphäre in einer Klinik inklusive der Schicksale ihrer Patienten und Mitarbeiter ist so anziehend und geheimnisvoll, dass schon unzählige TV Serien produziert wurden, die ihre Zuschauer mit schier unendlichen spannenden Geschichten in den Bann ziehen.

 

Eine Zeit lang war ich Teil dieses Spektakels und überzeugt, eine Rolle darin spielen zu wollen. Allerdings war meine Traumrolle eine andere als die der Krankenschwester. Ich wollte mehr wissen über den Menschen, über das Zusammenspiel der verschiedenen Organe, das selbst die Überragendsten aller Ingenieure ins Staunen versetzen würde. Um diese menschliche Komplexität selbst kennenzulernen zu dürfen, führt kein Weg an einem Medizinstudium vorbei.

 

Nach drei Jahren Ausbildung verließ mich jedoch langsam die Geduld. Das scheinbar unerreichbare Ziel rückte mit stetig steigender Wartesemesterzahl immer weiter in die Ferne. Um von meinem Wunsch des Medizinstudiums Abstand nehmen zu können, orientierte ich mich in eine völlig andere Richtung und begann ein Studium, das mir die Tür zu einer mir bisher unerschlossenen Welt öffnete: die schillernde Medienwelt.

 

Die Medienwelt ist eine ganz andere als die des Krankenhauses. Gegensätzlicher könnten sie kaum sein. Der glitzernde Schein der Werbeindustrie steht der knallharten Realität in der Klinik gegenüber. Launen eines Creative Art Directors kollidieren mit ICD 10 Vorgaben der WHO. Viele Aspekte meines neuen Jobs in der Medienbranche, wie das Ausleben meiner Kreativität, wusste ich sehr zu schätzen und war mit viel Freude erfolgreich dabei. Doch trotz allem Enthusiasmus, den ich an den Tag legte - er war nicht aufzuwiegen mit der Faszination und der Leidenschaft, die ich noch immer für die Medizin empfand.

 

Der einzige Weg, diese Sehnsucht zu stillen war letztendlich, sich der Herausforderung eines Medizinstudiums zu stellen. Genug Wartesemester hatte ich gesammelt und kehrte zurück zu dem Spektakel, von dem ich mich einst abwendete. Zwar war ich wieder das unterste Glied einer hierarchischen Kette, dafür aber in freudiger Erwartung auf meine persönliche Hauptrolle.

 

Vor zwei Jahren ist mein Traum vom Medizinstudium endlich in Erfüllung gegangen. Das Studium ist toll. Anders kann ich es kaum beschreiben. Natürlich hat es seine Tücken, aber bei all dem Lernen erinnere ich mich immer wieder daran, wie lange ich jenes herbeigesehnt habe und gewinne so wieder neue Motivation. Fast täglich erschließen sich mir neue faszinierende Erkenntnisse über die Funktionsweise des Menschen, sowohl körperlicher als auch geistiger Natur.

 

Mittlerweile bin ich am Ende des vierten Semesters und stehe kurz vor dem Physikum. Es ist harte Arbeit, aber am Ende wird alles gut – da bin ich mir sicher. Ich glaube, das Schwierigste am Medizinstudium ist tatsächlich, erstmal einen Platz zu bekommen. Und da ich den jetzt habe, ist der für mich persönlich härteste Teil schon mal geschafft.

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