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  • Bericht
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  • Benjamin Kroh
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  • 10.03.2015

IPOKRaTES students – bedside-teaching seminar Internal Medicine

Benjamin war einer der Glücklichen, die am IPOKRaTES Seminar teilnehmen konnten. Auf der Tagesordnung standen neben Seminaren und Bedside-teachings auch Kneipenbesuche und eine Faschingsparty.

Auch wenn ich noch mitten in der Klinik stecke – der Begriff „Eid des Hippokrates“ ist mir schon bekannt. Wovon ich allerdings noch nichts gehört habe, war IPOKRaTES. IPOKRaTES steht für International Postgraduate Organisation for Knowledgetransfer, Research and Teaching Excellent Students, das bedeutet für die Teilnehmer eine Lehrwoche in der Inneren Medizin.

Eine Kommilitonin schwärmte mir von IPOKRaTES vor: Bedside-Teaching, spannende Seminare mit klinischem Bezug zu den verschiedenen Disziplinen eines Internisten und abwechslungsreiche Nachmittage mit den Kursteilnehmern. Das alles unter der Schirmherrschaft eines amerikanischen Gastdozenten der Columbia University, eine der sieben Colleges der Ivy-League.

Mein Interesse war geweckt und ich registrierte mich online für den Kurs Internal Medicine unter Prof. Steve Mackey im Februar diesen Jahres.

Infos zur Teilnahme gibt's hier: www.ipokrates.info

Um die unterhaltsamen gemeinsamen Stunden vollständig wiederzugeben, hier ein paar Auszüge aus meinem diary:

 

Sunday, 08.02.2015

Im Rahmen der Vorbereitungen bekam ich eine Einladung von Nora, der Organisatorin dieses IPOKRaTES Seminars. Es wurde also jeder vorab informiert, wann welche Veranstaltung in der Woche stattfinden würde. Unser Stundenplan beinhaltet jeden Morgen eine Lecture von dem Gastdozenten Prof. Mackey. Danach würden wir die Möglichkeit haben, an zwei ausgewählten Patienten der Kardiologie/ Pulmonologie, Hämtologie, Nephrologie, Endokrinologie und Hepatologie an jedem Tag der Woche abwechselnd eine Anamnese durchzuführen.

 

Prof. Mackey  Foto: Benjamin Kroh

Der Gastdozent Prof. Steve Mackey von der Columbia University

 

Im Anschluss jeder Anamnese durften wir den Patienten vorstellen: den einen Patienten auf Englisch und zwar Prof. Steve Mackey, den anderen einem renommierten Dozenten der Kölner Uniklinik Lehrkörper der jeweiligen Disziplin. Nach einem gemeinsamen Lunch in der Uniklinik würde Prof. Mackey nachmittags Inhalte des jeweiligen Tages vertiefen. Nora und das Organisationsteam planten für jeden Tag der Woche ein gemeinsames Abendprogramm.
Doch dazu mehr am jeweiligen Tag – heute ist erstmal Sonntag und um 10:00 Uhr muss ich mich im KIS-Gebäude der Universität zu Köln zum Get-Together und einer gemeinsamen ersten Lecture einfinden.

Als ich den Seminarraum betrete, sehe ich einige bekannte Gesichter aus den verschiedenen Semestern der humanmedizinischen Kölner Fakultät. Mindestens die Hälfte der 16 Teilnehmer ist mir aber unbekannt – kein Wunder, denn sie kommen von anderen Universitäten aus Österreich und Deutschland. Und fast wäre er mir gar nicht aufgefallen: unsere Gastdozent hat sich direkt unter uns Studenten gemischt! „You just call me Steve“, begrüßt er uns. Das Eis ist gebrochen und gemeinsam stellen wir uns vor: Maurice aus Halle, Judith aus Münster und Thomas aus Innsbruck ... Die Teilnehmer des Seminars sind bunt gemischt: vom Alter, der medizinischen Vorerfahrung und ihrer Anreise. „Spätestens beim Bowlen werdet ihr Gelegenheit haben, euch näher kennen zu lernen“, sagt Nora. Zwei Stunden später sollte sie Recht behalten. „But first, let’s have a lecture“ meint Steve und wir folgen ihm in den benachbarten Seminarraum.

Nach wenigen Minuten weiß ich, was meine Kommilitonin mit Steves einzigartiger Art, eine Vorlesung zu halten, meinte: er referiert völlig frei, zitiert klinischen Bezug (und IMMER Verweise auf aktuelle Artikel des New England Journal of Medicine) und fasziniert durch sein unglaubliches Detailwissen. Er zeigt Differentialdiagnosen auf und nennt Stolperfallen im Examen. Alles natürlich auf Englisch. „Was heißt denn Sünnkopieh“,  fragt mich Maria aus München. Gemeinsam überlegen wir und stellen lachend fest, dass Steve wohl Synkope meint. Die Woche über haben wir noch einige lustige Missverständnisse, die sich aber komplett aufklären.

Um sechs Uhr machen wir uns gemeinsam auf zum Bowlen. Gottseidank bin ich nicht der einzige, der einen Stroke mit Strike a Pose verwechselt. Haltungstechnisch hat unsere Gruppe bestimmt gewonnen! Und da Sport bekanntlich hungrig macht, ziehen wir eine Stunde später weiter zu Oma Kleinmann, eine der beliebtesten Anlaufstellen für bürgerliches Essen im Studentenviertel. „Here, we all will have a typical Schnitzel“, erzählt uns Nora. „I hope you enjoy your meal“. Unsere leeren Teller sprechen Bände. Müde falle ich am Sonntagabend ins Bett.

 

Monday, 09.02.2015

Vorab hat uns Nora informiert, dass wir jeden Tag für die klinische Inspektion Stethoskop, Kittel, Reflexhammer und EKG-Lineal mitnehmen sollen. So stehen wir nach einer weiteren Lecture am Montagmorgen in unseren Kitteln auf der Kardiologie. Wir haben uns jeweils zu viert zusammengefunden und werden von einem IPOKRaTES Mitorganisator begleitet. Unser Guide für diese Woche, Dorothee, stellt uns unseren ersten Patienten vor. Aus unserer Gruppe übernimmt Marcel die Anamnese des Patienten, der bedingt durch einen STEMI auf eine Herztransplantation wartet.

30 Minuten später tritt Steve an das Krankenbett: „What is the chief complaint“. In nur einem Satz sollen wir das Krankheitsbild und den Einlieferungsgrund des Patienten benennen. Ohne Attitüden und engagiert hilft er uns dabei – und zeigt uns nebenher, wie wir mit der Augenlampe gestaute Halsvenen sichtbar machen und das Herz auskultieren. Schade, dass wir nur eine halbe Stunde mit Steve haben, dann muss er weiter zur nächsten Gruppe. „Somit haben wir garantiert, dass jeder an jedem Tag mindestens eine Anamnese mit Steve durchführt“, erklärt mir Maxime, der als Organisationsleiter von zurückliegenden 5 Kölner IPOKRaTES Seminaren zum alten „IPOKRatES-Eisen“ gehört.

 

Kittelfoto IPOKRaTES - Foto: Benjamin Kroh

Benjamins Gruppe B in der Klinik

 

Zu unserer Freude wird das Mittagessen vom Kölner Internisten und Universitätsdozenten Prof. Halleck übernommen. Er hat die didaktische Schirmherrschaft des Seminars inne und unterstützt das Kölner IPOKRaTES-Team bei der Umsetzung. Und da es sich mit gestärktem Magen besser lernt (und einem kostenlosen Kaffee, der jeden Tag bereit steht), lernen wir diesen Montag das Pulmonary Function Lab kennen.

Prof. Frank und sein Team beschreiben jedem Teilnehmer einen Atemfunktionstest und erklären Differentialdiagnosen zwischen COPD und Asthma. Ausgeruht und so gar nicht aus der Puste (wie man es sonst vom Universitäts-Alltag mit Praktika und Vorlesung kennt) komme ich nach Hause. Gleich geht es los zu einer Stadtführung und einem gemeinsamen Kneipenabend in der „ExVertretung“. „I have already been here“, so Steve, „but I will definetely come back“. Noch vor dem großen Feiertag in Köln (Altweiber) ist unser Gastdozent von der Domstadt so begeistert, dass er verspricht wiederzukommen. Mission accomplished!

 

Tuesday, 10.02.2015

Auch heute Morgen gibt es wieder eine gemeinsame Lecture mit Steve. Im Unterschied zu den vorangegangenen Tagen wird Steve die Anamnese vor der Gruppe leiten. Unser Patient ist der englischen Sprache mächtig und zur Not übersetzt Nora simultan. Heute sind wir der Hämatologie zugeordnet. Später übernehme ich die Anamnese in unserer Vierer-Gruppe. Der 58-jährige Patient wurde mit Kopfschmerzen und Grippe-ähnlichen Symptomen eingeliefert. „Nachts habe ich immer geschwitzt“, so Herr B. Seine Thrombozytenzahl wurde untersucht – mit erschreckenden Ergebnissen: sie lag bei nur noch 3.000 Stück. „Schließlich fühlte sich auch noch mein Kinn so taub an“ – ich übersetze es Steve. „That it is“, fügt er schnell hinzu. „Keep that in mind!“

Im Verlauf der weiteren Anamnese diagnostizieren wir eine Burkitt-Leukämie mit Knochenmarks-Infiltration. „Always be aware of the fact that no sensitivity in the chin may be a hint to this kind of lymphoma, especially if there is a massive decrease in lycocytes“. Diese Lehrstunde werde ich so schnell nicht vergessen.

An diesem Morgen haben können wir außerdem unter Anleitung von Professor Halleck gemeinsam die Differentialdiagnose einer Lebererkrankung erarbeiten. „Wie geht nochmal das Auskratzen der Leber“, frage ich Maxi. Der Professor himself erklärt geduldig jeden vom uns wie man die Größe einer Leber mit der Kratzdiagnostik bestimmt – wortwörtlich Bedside-Teaching!

Am Nachmittag folgt ein Seminar über die Blutgerinnung. Für mich sonst ein schweißtreibendes Thema. Und erstaunlicherweise schafft Steve es auf seine unterhaltsame Art und Weise die Blutgerinnung zu besprechen. Ich wusste gar nicht, dass das Lernen der Blutgerinnung sogar Spaß machen kann!

 

Wednesday, 11.02.2015.

Bergfest – heute werden wir schon die Hälfte des Seminars absolviert haben. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Gespannt warten wir auf eine gemeinsame morgendliche Anamnese mit Steve und Frau S., 76-jährig und der Nephrologie zugewiesen. Frau S. schildert ihr Nierenleiden ruhig und mit kleinen Erinnerungslücken. Sie beteuert keine operativen Eingriffe gehabt zu haben, erinnert sich aber im Gespräch dann doch, einen Stent erhalten zu haben. „Oh, that’s interesting, so when did this happen?“, fragt Steve. Unseren verblüfften Gesichtern zum Trotz behält er die Ruhe und bleibt amerikanisch-locker. Später erklärt er uns, dass es wichtig ist, dieselben Fragen unterschiedlich formuliert erneut zu stellen. Nur so kann man sicher sein, dass sich Patienten auch wirklich an alles oder zumindest vieles erinnern. Frau S. und wir behalten unsere gute Laune und führen erneut in Vierergruppen Anamnesen an zwei ausgewählten Patienten durch.

Neben Steve erleben wir heute auch eine andere Überraschung: am zweiten Patientenbett begrüßt uns Universitäts-Professor Dr. Benzing. „Lassen Sie uns den Rahmen nutzen und eine mündliche Prüfung durchspielen. Schließlich hilft es, wenn Sie ein Gefühl für die Fragen bekommen. Denken Sie in Themenblöcken, nicht in Diagnosen! Und glauben Sie mir, mein und unser Anliegen ist es bestimmt nicht, Sie auf die falsche Fährte zu locken.“ Puhh – der Knoten hat sich gelöst und gemeinsam erörtern wir die verschiedenen Möglichkeiten eines Schocks und dessen Symptome.

Wir treffen die anderen Kursteilnehmer gut gelaunt in der Cafeteria der Uniklinik. „Und was ziehst du morgen an?“ – das Thema Kostüm beherrscht heute die Mittagspause. Steve ahnt noch nicht, welches Kostüm er abends von unserer Organisatorin überreicht bekommt. Gewohnt lässig hält er seine Vorlesung am Nachmittag zum Thema SLE – systemic lupus erythematosus.

Um 19 Uhr treffen wir uns im Brauhaus „Päffgen“. Dem Organisationsteam ist es wichtig, sowohl Steve als auch den auswärtigen Teilnehmern die rheinische Kultur näher zu bringen. Was liegt da näher, als ein Kölsch und „Himmel und Ääd“ im urigen Brauhaus. „One Eisbein for me“ ordert Steve. Solange wir auf das Essen warten, bekommt Steve endlich seine Verkleidung für den Abend: Nora überreicht ihm einen bunten Karnevalshut mit den Worten „You will better be prepared, the city is going crazy“. Steve freut sich über das Präsent und probiert es gleich aus. Sein Hut „tanzt“ auf Knopfdruck – der Tisch lacht und ein weiterer Seminartag klingt lustig aus.

 

Thursday, 12.02.2014

Der Donnerstag steht ganz im Sinne der Hormone. Morgens sind wir der Endokrinologie zugeteilt und Prof. Dr. Krone bespricht mit uns das Krankheitsbild eines Hypophysenadenoms. Die 61-jährige Patientin schildert uns den Krankheitsverlauf: bedingt durch eine verschwommene Sicht suchte sie erst ihren Hausarzt auf, der sie in das örtliche Krankenhaus überwies. Dort wurde ein MRT gemacht und der Tumor entdeckt. Ausgehend von ihrer Diagnose erörtert Professor Dr. Krone mit uns alle möglichen Ausfälle der Hypophyse. In entspannter Atmosphäre wiederholen wir negatives Feedback und Hormonwechselwirkungen.

Nachmittags wechselt das Kursprogramm und unser Outfit. Nora hat uns vorab informiert und darum gebeten, ein Karnevalsoutfit, ein paar alte Schuhe und eine alte Jacke einzupacken. Und so tauscht unsere Gruppe die weißen Kittel gegen Piratenhüte, Dirndl und Schminke. Selbst Steve fällt es schwer, uns alle wieder zu erkennen. Bei strahlendem Sonnenschein machen wir uns auf in das Untergeschoss der Psychiatrie. Dort sind Karten für die Krankenhaus-eigene Karnevalsparty reserviert – FreiKölsch inklusive. Bei Buletten und Bier „stonn mer zesamme“ – egal ob aus Halle oder Tübingen. In die Polonaise reiht sich jeder ein!
Da ein Foto mehr spricht als tausend Worte, schaut’ selbst:

 

Karnevalsparty - Foto: Benjamin Kroh

 

 

Friday, 13.02.2014

Freitag der 13., was ein Pech. So halb stimmt diese Vorahnung, schließlich ist heute unser letzter Tag des IPOKRaTES Seminars. Unsere Gruppe B macht sich fertig, denn es geht in den obersten Stock des Krankenhauses, auf die gastroenterologische Station. Dort erheben wir heute zum letzten Mal an zwei Patienten die Anamnese. In der zweiten Anamnese können wir sogar unter Anleitung selbst sonographieren. Da zehn Augen mehr sehen als zwei und der Patient geduldig ist, haben wir somit gemeinsam auch den Ultraschall geübt. Und schließlich essen wir zum letzten Mal in vertrauter Runde in der Uniklinik.

„Welcome to our last lecture“, begrüßt uns Nora. Dann folgt eine große Überraschung: Dr. Herold, DER Autor des Nachschlagewerks der Inneren Medizin, ist zu uns gekommen, um Steve zu treffen und uns aktuelle Ausgaben seines Buchs zu überlassen. Wir stellen uns in zwei Reihen auf: manche lassen sich ihren Herold signieren, andere nehmen bereits die Urkunde von Steve entgegen. Jedem Teilnehmer ist klar, dass bald unsere gemeinsame Lehrwoche zu Ende geht. Man erinnert sich an schöne gemeinsame Stunden: am Krankenbett und in der Freizeit.

 

Prof. Mackey und Studenten - Foto: Benjamin Kroh

Prof. Steve Mackey lässt sich gerne mit den Teilnehmern fotografieren.

 

Doch damit nicht zu viel Wehmut aufkommt, überrascht uns Steve mit seinem humorvollen Esprit: „Yesterday is history, tomorrow a mystery and today is a gift.“ Mit seinen Worten im Kopf verabschieden wir uns voneinander – bis zum nächsten IPOKRaTES Seminar!

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