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  • Bericht
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  • Franziska Ippen
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  • 11.06.2014

Gerechter Medikamentenzugang für alle

Der Gang zur Apotheke ist nicht in allen Ländern selbstverständlich. Besonders in der Dritten Welt fehlt es zum Teil an lebensnotwendigen Medikamenten. Das möchte die Studentenorganisation Universities Allied for Essential Medicines ändern. Lokalredakteurin Franziska Ippen sprach mit Vertretern von UAEM über die Ziele der Oganisation.

 

Alte Aula der Uni Heidelberg - Foto: Simon Gottwalt

Alte Aula der Uni Heidelberg - Foto: Simon Gottwalt

 

In den letzten Jahren wurden im Bereich der pharmazeutischen Forschung immer wieder große Erfolge gefeiert. Es wurden Medikamente hervorgebracht, welche die Symptome bestimmter Erkrankungen stark lindern, die Entstehung von Krankheiten verhindern oder gar eine Krankheit heilen können. Dennoch existiert gerade in ärmeren Ländern dieser Welt immer noch das Problem, dass der Zugang zu überlebensnotwendigen Medikamenten nicht gegeben ist. Die Studentenorganisation Universities Allied for Essential Medicines (UAEM) macht sich genau in diesem Bereich stark.

 

Was ist UAEM genau?

Die Organisation UAEM ist ein internationales Netzwerk von Studenten und Forschern aller Fachrichtungen, das im Jahr 2001 in Yale (USA) gegründet wurde. Ein Teil dieses Netzwerks ist UAEM Germany, die 2009 gegründet wurde und derzeit aus sechs Lokalgruppen an den Fakultäten in Berlin, Freiburg, Heidelberg, München, Münster und Leipzig besteht. UAEM Germany ging dabei ursprünglich aus der studentischen Initiative „Innovation für Alle“ (InfA) hervor und steht im Austausch mit Studierenden und Forschern weltweit.

Dabei arbeitet UAEM Germany nicht nur mit UAEM international zusammen, sondern auch mit anderen Organisation, wie zum Beispiel mit Ärzte ohne Grenzen, med4all, der BUKO Pharma-Kampagne und dem Forum für Internationale Gesundheit (foring). Auf lokaler Ebene in Heidelberg arbeitet die UAEM zudem auch mit der Sozietät Georg Forster zusammen.

Die Sozietät Georg Forster stellt eine Plattform für alle Dozierenden und Studierenden der Medizinischen Fakultät dar, die an globalen Gesundheitsfragen interessiert sind. Im Rahmen von vier Terminen pro Semester beschäftigt sie sich mit diversen Problemfeldern, wo Gesundheit mit wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Einflüssen im Konflikt steht.

 

Hintergründe und Ziele des Engagements von UAEM

UAEM verfolgt das Ziel, pharmazeutische und medizinische Innovationen, die auf Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung beruhen, allen Menschen zugänglich zu machen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich etwa 10 Millionen Menschen an Krankheiten, die mit Medikamenten zum Teil einfach behandelbar wären.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Die nötigen Medikamente sind einerseits so teuer, dass sie für diese Menschen unbezahlbar sind, andererseits gibt es für die Behandlung von Krankheiten, die in ärmeren Ländern gehäuft auftreten, oftmals kaum gut wirksame oder moderne Medikamente, da weltweit nur etwa ein kleiner Bruchteil aller Forschungsgelder für die Bekämpfung der Erkrankungen investiert werden, die jedoch einen Großteil der globalen Krankheitslast ausmachen. Die Forschung konzentriert sich eher auf Bereiche, in denen hohe Gewinne zu erzielen sind – und die gibt es nur auf den Märkten der Industrieländer.

Dies ist besonders dann problematisch, wenn es um pharmazeutische Grundlagenforschung an öffentlichen Forschungseinrichtungen geht, die mit Steuergeldern finanziert werden. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Schutzimpfung gegen Gebärmutterhalskrebs, die auf Forschungsergebnissen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) beruht. Diese Impfung wird in Entwicklungsländern zwar verhältnismäßig günstig angeboten, da die Preise jedoch für die dort lebenden Menschen dennoch nicht erschwinglich sind, bleibt der Wirkstoff für viele unerreichbar. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, denn dasselbe Problem gilt ebenfalls für andere Wirkstoffe und überlebenswichtige Medikamente, zum Beispiel gegen HIV/AIDS. Hier wurden durch massiven öffentliche Druck drastische Reduzierungen bei den Preisen für Medikamente der ersten Generation erreicht. Neuere, bessere Medikamente sind allerdings weiterhin unerschwinglich.

Genau an diesen Problempunkten setzt das Engagement der UAEM an. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass Wirkstoffe und Medikamente, die auf den Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung – wie beispielsweise durch Steuergelder – beruhen, allen Menschen zugänglich gemacht werden. Sie fordern, dass Universitäten die privatwirtschaftliche Nutzung ihrer patentierten Erfindungen an Bedingungen knüpfen, die auch ärmeren Patienten eine Behandlung ermöglichen. Diese Bedingungen müssen dabei in gerechten Lizenzen vertraglich geregelt sein.

Ein weiteres Problem stellen die in der Forschung „vernachlässigten Krankheiten“, wie beispielsweise Malaria, Tuberkulose oder die Schlafkrankheit dar. Diese sind weltweit betrachtet vorherrschend, doch in Europa und Nordamerika kaum präsent und somit nicht lukrativ für Pharmaunternehmen. UAEM macht sich dafür stark, dass diese Krankheiten zumindest an öffentlichen Forschungseinrichtungen nachhaltig einen höheren Stellenwert erreichen und sich diese Einrichtungen ihrer globalen Verantwortung bewusst werden.  

Die Basis aller Überlegungen ist, dass überlebenswichtigen Medikamenten, die eine hohe Bedeutung für die weltweite Bevölkerung haben, eine höhere Forschungspriorität zukommen muss als Lifestyle-Produkten, deren Entwicklungen rein finanzielle Ziele verfolgen.

 

Informationsveranstaltung der UAEM und der Sozietät Georg Forster

Um auf die zuvor genannten Missstände aufmerksam zu machen, organisiert UAEM Heidelberg etwa einmal pro Semester Diskussionsabende, an denen Gastredner eingeladen werden und/oder Filme über dieses Thema gezeigt werden.  

In diesem Rahmen organisierte UAEM in Zusammenarbeit mit der Global Health Sozietät der Universität Heidelberg den Vortrag und Diskussionsabend „Vom Labor zum Patienten – Wie können Innovationen allen zugute kommen?", der am 16.4.2014 in der Alten Aula der Universität Heidelberg stattfand.

 

Roas Jahn, Europakoordinatorin von UAEM - Foto: Simon Gottwalt

Roas Jahn, Europakoordinatorin von UAEM - Foto: Simon Gottwalt

 

Dabei stellte sich die Studentische Organisation UAEM Heidelberg genauer vor und gab einen kurzen Überblick über das Spannungsfeld zwischen öffentlicher Forschung und dem Zugang zu daraus entstehenden Innovationen, um Ansätze für einen gerechteren Medikamentenzugang für alle zu diskutieren. Der Gastredner dieser Veranstaltung war kein geringerer als Prof. Harald zur Hausen, der 2008 für seine Entdeckung, dass HPV-Viren Gebärmutterhalskrebs auslösen können, den Nobelpreis für Medizin verliehen bekam.  

 

Das Allgemeinwohl sollte über dem Profit stehen

Prof. Stephen Hashmi, Prorektor für Forschung und Struktur der Universität Heidelberg, äußerte sich bei dieser Veranstaltung ebenfalls kritisch zu diesem Thema. Er betonte vor allem, dass der Zugang zu Medikamenten sich im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Verwertung und dem universellen Zugang öffentlicher Forschung befindet, in dem die Pharmaindustrie mit dem Vertrieb von Medikamenten sehr hohe Renditen erwirtschaftet. Für seltene und/oder vernachlässigte Erkrankungen (orphan diseases/neglected diseases) fehlt allerdings dieser Markt, weshalb in diesem Bereich wenig Forschung betrieben wird.

Zudem beschrieb Prof. Hashimi aktuelle Lösungsansätze: Im Beispiel eines Open Source Projekts, versucht der Chemiker Matthew Todd aus Sidney in Zusammenarbeit mit Google eine Internetplattform zur Entwicklung von Substanzen zu kreieren, die anschließend der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden sollen. Dieser Ansatz ist natürlich gegen die Interessen der Industrie – die Zukunft wird hierbei zeigen, welcher Ansatz sich langfristig durchsetzen wird.

Prof. Hashmi betonte dabei, dass die Universität Heidelberg von diesem Spannungsfeld nicht ausgenommen ist. Auch am Forschungsstandort Heidelberg spielen IP-Richtlinien eine große Rolle: Das neue Landeshochschulgesetz besagt beispielsweise, dass Publikationen möglichst Open Access erfolgen sollten. Patente hingegen sollen im Namen der Uni gemacht werden, um Einnahmen im Bereich der Forschung zu sichern.

Die eigene IP-Politik der Universität Heidelberg sieht Hashmi vor allem als gesetzlichen Auftrag zum Weiterreichen von Wissen und Nutzen der Allgemeinheit. Dieser Ansatz existiert auch an vielen anderen Universitäten, wie zum Beispiel Harvard, Yale oder der University of Edinburgh, an denen man sich für die Verfügbarkeit von Gesundheitstechnologien und privater Technologien in Entwicklungsländern einsetzt. Diese Lizenzen konnten in der Vergangenheit jedoch an den genannten Universitäten im Gegensatz zur Universität Heidelberg schon durchgesetzt werden.

 

Impfungen gegen Krebs müssen für alle verfügbar sein

Im Anschluss an diese Einleitung sprach Prof. Harald zur Hausen zunächst allgemein über die Pathogenese verschiedener Krebserkrankungen. Er betonte, dass Impfstoffe gegen manche der ursächlichen Pathogene, zum Beispiel für HPV und Hepatitis B Viren vorhanden sind. Diese Impfungen tragen zur Primärprävention der Krebserkrankungen bei, und eine schnelle Ausrottung der Viruserkrankung ist zudem möglich, sofern keine schnelle Anpassung des Virus erfolgt. Dabei führte er vor allem die Erfolge der Impfprogramme gegen Masern, Mumps und Röteln auf, deren Inzidenz in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist.  

 

Nobelpreisträger Prof. Dr. Dr. Harald zur Hausen - Foto: Simon Gottwalt

Nobelpreisträger Prof. Dr. Dr. Harald zur Hausen - Foto: Simon Gottwalt

 

Trotz der vorhandenen Formen der Primärprävention fügte Prof. zur Hausen hinzu, dass die Sekundärprävention in diesem Bereich ebenfalls von besonderer Bedeutung ist, da zuverlässige Tests und Früherkennungsprogramme nötig sind, um Patienten möglichst frühzeitig effektive Behandlungen anbieten zu können.

Da die Krebserkrankungsrate weltweit steigt, vor allem in Ost-Asien und Afrika, sieht Prof. zur Hausen einen entscheidenden Lösungsansatz in der Prävention dieser Erkrankungen. Da jedoch oftmals eine lange Latenzzeit zwischen Infektion und Erkrankung liegt, ist es schwer, in diesen Bereichen epidemiologische Studien durchzuführen. Besonders durch die verfügbaren Impfstoffe, wie gegen Hepatits B oder einige Vertreter der humanen Papillomviren (HPV), könnte eine kostengünstige und langfristig wirksame Krebsvorbeugung realisiert werden, betonte zur Hausen.

So erläuterte Prof. zur Hausen am Beispiel der von ihm entwickelten Schutzimpfung, welche wichtige Rolle Zugang zu Medikamenten im Bereich der Primärprävention spielt: Das Cervixkarzinom ist derzeit die zweithäufigste Krebsform bei Frauen, wobei jährlich etwa 530 000 Fälle verzeichnet werden – hauptsächlich in Entwicklungsländern. Derzeit sterben immer noch ca. 265 000 Frauen an dieser Erkrankung.

Zur Hausen merkte an, dass es sich bei der Schutzimpfung gegen das Cervixkarzinom um eine extrem nebenwirkungsarme aber effektive Impfung handle, doch sprach ebenso an, dass die Preise für diese Impfung am Anfang deutlich zu hoch angesetzt waren. Darauf reagierten die Pharmafirmen. Zudem sei jetzt in einigen Staaten diese Impfung durch die Hilfe der Bill and Melinda Gates Stiftung in größerem Umfang möglich geworden.

Doch auch im Bereich der Verabreichung sieht zur Hausen noch Entwicklungspotenzial: für eine weltweite Verbreitung dieses Wirkstoffs wäre eine nichtinvasive Impfung, zum Beispiel in Form eines Nasensprays, ideal, merkt er an. Auf diese Weise bestehe nicht die Notwendigkeit der dauerhaften Kühlung des Medikaments, was die Verbreitung der Impfung in aller Welt deutlich erleichtern würde.  

Allerdings ist es so, dass diese Impfung vor sexueller Aktivität erfolgen muss. Er empfiehlt daher, dass Mädchen im Alter von 9-14 Jahren sich impfen lassen sollten. Zur Hausen geht aber noch einen Schritt weiter: Er setzt sich dafür ein, dass auch bei Jungen die HPV-Impfung angewendet werden soll, da in diesem Fall viel höhere Erfolgsraten erzielt werden könnten. Bei globaler Anwendung dieser Impfung, so zur Hausen, würde die Inzidenz aller Krebsraten um 15% sinken.  

Poster von Prof. Dr. Dr. zur Hausen (pdf)

 

Abschließend fügte er noch hinzu, dass im Bereich der Universitäten, Forschungseinrichtungen und Pharmafirmen ein deutliches Umdenken bezüglich der innovativen Medikamente stattfinden sollte, da die genannten Einrichtungen auch in der gesellschaftlichen Verantwortung für das gesundheitliche Wohlergehen ärmerer Länder stehen. Damit innovative Medikamente, möglichst schon zur Primärprävention von Krebserkrankungen, überhaupt entwickelt werden könnten, muss verstärkt in Grundlagenforschung investiert werden.

 

Euer Engagement zählt!

UAEM ist in Europa noch recht jung und daher noch im Wachstum. Inzwischen gibt es bereits über 30 Lokalgruppen in insgesamt 15 Ländern Europas. Auch in Zukunft möchte die Organisation weiter wachsen und an möglichst vielen Universitäten mit einer Lokalgruppe vertreten sein, um ihr Engagement vertiefen zu können. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Lokalgruppen sind ein essentieller Bestandteil der Organisation, die an ihren Universitäten vor Ort mit der Universitätsverwaltung Kontakt aufnehmen und versuchen, ihre Universitäten zur Annahme von gerechten Lizenzierungsmodellen zu bewegen. UAEM freut sich daher über neue Gesichter in bereits bestehenden Lokalgruppen und bietet zudem auch gerne Unterstützung an, wenn jemand eine neue Lokalgruppe eröffnen möchte. Ausdrücklich sind auch Studierende anderer Fachrichtungen als der Medizin eingeladen mitzumachen, denn Medikamentenzugang ist ein interdisziplinäres Thema.

 

Weitere Infos

https://www.facebook.com/uaemheidelberg?fref=ts

http://www.uaem-europe.org/

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