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  • Bericht
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  • Annika Simon
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  • 14.12.2015

Zwischen Hafenrundfahrt und Klinefelter Syndrom – Hospitation in einer Urologischen Praxis

Am besten lernt man Medizin durch Praxis! Dieser Leitsatz hat sich im Laufe meines Studiums immer bewahrheitet. Und so nutzte ich kürzlich die einmalige Gelegenheit, in einer urologischen Gemeinschaftspraxis mitzulaufen. Soviel kann ich schon mal verraten: Mit diesem Lerneffekt kann kein Buch mithalten!

Der erste Eindruck kennt keine zweite Chance

Schon nach wenigen Minuten war ich total beeindruckt: Die urologische Gemeinschaftspraxis in Mitten von Hannover war sehr geräumig und modern eingerichtet. Nach einer freundlichen Begrüßung bekam ich zunächst eine kleine Führung und konnte mir einen Überblick verschaffen. Natürlich zeigte mir der Urologe auch die Kaffeemaschine – wahrscheinlich das wichtigste technische Gerät in jeder Arztpraxis. Noch bevor der erste Patient zu uns ins Behandlungszimmer kam, lernte ich die Grundlagen der recht komplexen Praxissoftware kennen. Diese ist gerade bezüglich der Abrechnung und der Organisation der Sprechstunden ein wichtiger Grundpfeiler einer jeden Praxis. So konnten wir am PC schon lesen, welche Patienten heute kamen und was der Anlass ihres Besuchs war noch bevor sie den Raum betraten.

 

Ein bunter Strauß voll Krankheitsbilder

Die ersten Patienten waren Männer im mittleren Alters mit einem Termin zur Krebsvorsorge. Der Urologe führte dazu erst mal ein Anamnesegespräch. Anschließend erfolgten eine Ultraschalluntersuchung von Blase und Nieren sowie die typische „Hafenrundfahrt“. Dabei wird die Prostata von anal über den Enddarm abgetastet. Spürt der Untersucher dann eine derbe, höckerige Vorsteherdrüse, liegt der Verdacht auf eine pathologische Veränderung nahe. Da das Prostatakarzinom „der Krebs des älteren Mannes“ ist, gehören Vorsorgeuntersuchungen zum täglich Brot einer urologischen Praxis. Daneben konnte ich aber auch einige andere urologische Konsultationsanlässe kennenlernen. So stellte sich ein junger Mann mit einer akuten Clamydieninfektion und einem juckenden Ausschlag am Penis vor.

Eine etwa 40-jährige Frau mit der Grunderkrankung einer Multiplen Sklerose hatte einen Termin zur Zystoskopie, also zur Blasenspiegelung. Für diese Untersuchung gab es einen speziell ausgestatteten Raum. Über die Harnröhre führte der Arzt eine kleine Kamera ein und konnte somit genau die Beschaffenheit der Blaseninnenwand betrachten. 

Kurz vor der ersten Kaffeepause kam ich dann noch in den Genuss einer kleinen Seltenheit im urologischen Praxisalltag: einer ambulanten OP. Unter örtlicher Betäubung entfernten wir einen kleinen gutartigen Knoten am Penisschaft eines doch sehr nervösen jungen Mannes. Ich durfte assistieren und hatte richtig Mitleid, als der Urologe das Messer ansetzte. Es handelte sich um eine Art Zyste, die an sich harmlos aber natürlich nicht sehr ästhetisch war. Zudem können „Knoten“ am Penis natürlich besonders beim Geschlechtsverkehr für Schmerzen sorgen oder eventuell einen Partner abschrecken. Frei nach dem Motto „Wer einen schönen Penis haben will, muss leiden“ bis der Patient die Zähne zusammen und ließ sich von seiner Zyste befreien. Nach wenigen Minuten war der Eingriff auch schon vorbei und der Patient ging nach einer Stunde Überwachung sichtlich erleichtert aus der Praxis.

Schließlich lernte ich einen Patienten kennen, der unter dem sogenannten Klinefelter Syndrom leidet. Dabei handelt es sich um eine genetische Erkrankung, bei der die betroffenen Männer zwei X Chromosomen haben und unter anderem an einer verminderten Testosteron Produktion leiden. Das Klinefelter Syndrom tritt nur bei einer von 1000 männlichen Lebendgeburten auf und lässt sich auch an kleinen Hoden – dem sogenannten Hypogonadismus – erkennen. Zudem sind die meisten Betroffenen unfruchtbar, sodass die Krankheit manchmal erst bei unerfülltem Kinderwunsch diagnostiziert wird. Da diese Chromosomenaberration also sehr selten ist, kannte ich sie bisher nur aus Lehrbüchern. Das war schon eine spannende Erfahrung.

 

Fazit

Rückblickend war mein kleiner Ausflug in die ambulante Urologie eine echte Bereicherung. Ich habe nicht nur erstaunlich viele verschiede Krankheitsbilder gesehen und bei einer Mini-OP assistiert, der Urologe erzählte mir zudem auch viel über Praxisorganisation und die Tücken unseres Gesundheitssystems. Ich kann Hospitationen dieser Art also nur jedem Kommilitonen empfehlen!

Weiterführende Link

Deutschen Gesellschaft für Urologie 

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