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- Paul Gibiser
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- 12.01.2015
Spezielle Studienmodule und das erste Mal präppen
Ein großer Präparierkurs, wie er an den meisten anderen Unis Gang und Gebe ist, existiert an der Uni Graz nicht. Lediglich einzelne Extremitäten werden beim Studium des Bewegungsapperates seziert. Abhilfe schaffen sogenannte SSMs – Spezielle Studienmodule – in denen Medizinstudenten die Chance haben, die Anatomie doch noch am vollständigen Präparat zu erlernen.
Illustration: Anatomie, Quelle: Fotolia
Was sind SSM's?
Diese SSM's finden auf rein freiwilliger Basis statt. Es gibt ca. 40 SSM's, die noch dazu in unterschiedlichen Zeitslots stattfinden. Das bedeutet, dass nicht jedes der SSM's zur gleichen Zeit stattfindet und man darauf achten muss, wann das jeweilige Modul am besten in den Zeitplan passt. Viele klinische und vorklinische Institute bieten gänzlich verschiedene SSM's an. Der Sinn dahinter ist, dass jeder Student seine Schwerpunkte individuell setzen kann.
Da ich nun im 2. Studienjahr bin, war auch für mich die Zeit gekommen, mein 1. SSM zu besuchen. Ich habe mich für eines der drei begehrten Anatomie SSM's entschieden. Zur Auswahl standen "Topographische Anatomie der Extremitäten", "Topographische Anatomie der Kopf-Hals Region" und "Topographische Anatomie der Eingeweide". Ich habe ersteres, also die Extremitäten ausgewählt.
SSM Ablauf
Zuerst meldet man sich über das Anatomie Institut für eines der drei Module an. Die Anmeldung ist jedes Jahr ein großes Chaos und vergleichbar mit einem Musikfestival. Campingsessel, Pizzaschachteln und Kaffeebecher überall wo man hinschaut, weil sich die meisten Studenten bereits Stunden vor Beginn der Modulanmeldung auf dem Gelände der Vorklinik platzieren, um auch wirklich einen der begehrten Plätze zu ergattern.
Als ich meine Anmeldung hinter mich gebracht hatte, war die Erleichterung groß. Der weitere Verlauf des Moduls sieht so aus, dass wir nachmittags Anatomievorlesungen haben, die 70 Minuten dauern. Direkt im Anschluss gehen wir in den Seziersaal, um das Gelernte am Präparat anzuwenden.
An jedem Tisch befinden sich neben der Leiche zwei Studenten, die die Eingeweide sezieren. Zwei weitere sind für die Kopf-Hals-Region zuständig und vier Leute sezieren an den Extremitäten. Innerhalb eines Präpariertisches gibt es unterschiedliche Sezierzeiten, sodass nicht alle Studenten gleichzeitig am Präparat arbeiten. Lediglich eine halbe Stunde lang sind alle acht gleichzeitig am Tisch beschäftigt, was oftmals dazu führt, dass einige Studenten in dieser Zeit nicht sezieren können, weil einfach kein Platz mehr am Präparat frei ist.
Die Präparatausgabe
Einen Tag bevor das Modul startete, fand die sogenannte Präparatausgabe statt. Dort wurde unsere Anwesenheit kontrolliert und noch einmal die Regeln innerhalb des Seziersaals erklärt. Im Anschluss durften wir unsere Leiche begutachten.
Wie für viele andere war es auch für mich eine kleine Überwindung, die feuchten Tücher das erste Mal vom Präparat zu entfernen. In solchen Situationen wird einem bewusst, welch Privileg es eigentlich ist, an einem Präparierkurs teilnehmen zu dürfen. Dort haben sich Menschen für uns zur Verfügung gestellt, die über ihr Leben hinaus Gutes tun und uns als Lernobjekt dienen wollen. Das beklemmende Gefühl, einen „echten“ Menschen zu sezieren, verschwindet aber während dem Sezierkurs. Man konzentriert sich auf die zu erreichenden Tagesziele und gewöhnt sich an die Situation.
Die Benotung
Es gibt einen Zwischentest und einen großen Abschlusstest, die an der von uns präparierten Leiche stattfinden. Auch der Zwischentest zählt zur Endnote dazu. Bis zum Ende des Studiums müssen wir insgesamt fünf solcher SSM's erfolgreich belegt haben.
Die Aussichten
Unser Jahrgang ist der letzte, der mit den Anatomie SSM's konfrontiert ist. Diejenigen Studenten, die einen Jahrgang unter mir sind, haben bereits wieder einen großen Sezierkurs im Curriculum. Für meinen Jahrgang ist diese Entwicklung sehr schade, weil es gleichzeitig bedeutet, dass wir ab nächstem Jahr kein Anatomie SSM mehr besuchen können, weil es in dieser Form schlichtweg nicht mehr existiert. Ob hier schon das letzte Wort gesprochen ist, wissen wir allerdings noch nicht zu 100%.