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  • Maren Hönig
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  • 02.03.2021

Vom Medicus zum Insta-Doc

Schlechte Ausbildung, fehlendes Wissen – ein Medicus war in der Antike nicht sehr angesehen. Heutzutage sind dank der guten Lehre Ärztinnen und Ärzte so gefragt wie nie und teilen auf sozialen Medien ihr Wissen. So auch Felix.

 

Heilen und Helfen sind schon immer in jeglichen Kulturkreisen wesentlicher Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens. Wer lebt, stirbt eines Tages und auf dem Weg dorthin bleiben Krankheiten oder Verletzungen oft nicht aus.
Wer bei den alten Griechen, Römern, Ägyptern oder Kaukasiern ein Heiler war, konnte entweder durch scheinbar vortreffliche Kräuter- und Pflanzengemische eine wirksame Medizin bereiten oder Schmerzen auf ganz pragmatische Weise durch Operationen lösen. Nicht umsonst entwickelte sich aus dem Griechischen Wort für „Hand“ - χειρ (cheir) - die heutige Chirurgie. Die Medizin begann als Handwerk, wie man es in vielen Disziplinen heute noch immer erkennt.

Im Gegensatz zu heute, war es mit dem Ansehen der antiken Heiler nicht immer hoch bestellt. Durch ihre zum Teil überaus waghalsigen Versuche, den Menschen zu helfen, brachten sie häufiger den Tod als ihn zu verhindern oder gar Heilung zu verschaffen. So etablierte sich im alten Rom der Wortwitz des „Me(n)dicus“, bei dem nur ein einziger Buchstabe (das „n“) die Bezeichnung für „Arzt“ von der eines „Lügne“s trennt. Auch im Mittelalter galten Heiler vielmehr als Hexer mit Verbindung zu Übernatürlichem, weil alle anderen nichts von dem verstanden, was sie taten.

Seit einigen Jahren sind Ärztinnen und Ärzte nicht nur in der Praxis oder dem Krankenhaus zu finden. Gemütlich auf dem Sofa sitzend mit dem Handy in der Hand findet man zum Beispiel auf Instagram etliche „Doc“-Profile. Ausgebildete Mediziner, die in den sozialen Medien präsent sind und dort insbesondere eine Zielgruppe ansprechen, die primär jung, gesund und eher seltener hilfebedürftig ist.
Wie kommt es, dass diese Profile so beliebt sind, welchen Zweck erfüllen sie und ist die mediale Präsenz für Mediziner in Zeiten der Digitalisierung womöglich unabdingbar?

Das habe ich doc.felix gefragt, dem über 190.000 Abonnenten auf Instagram folgen. Felix erzählt mir, wir groß der Einfluss von Influencern auf das Verhalten und Denken ihrer Follower ist. Pflegt ein „Influencer“ einen gesunden und aktiven Lifestyle und transportiert seinen Followern die nötige Motivation, dann folgen diese. Influencer sind nah und greifbar, sie tangieren den persönlichen Alltag.
Oft haben sie viel mehr Einfluss als Ärztinnen und Ärzte, die ihre Patientinnen und Patienten nur einmal pro Quartal sehen und ihnen dann in wenigen Minuten erzählen, dass eine Gewichtsabnahme, gesunde Ernährung und mehr Sport sinnvoll wären. „Aus der Praxis, aus den Ohren, aus dem Sinn“ schenken die Betroffenen den Worten nicht viel Beachtung. Auf Instagram hingegen sehen Menschen jeden Tag, wie gut ein gesundes Leben für den Körper ist.
Dieser Einfluss motivierte auch Felix zu seinem Instagram Account doc.felix.


Was Felix auf seinem Instagram-Profil nahezu täglich erlebt, sind jedoch auch konkrete Anfragen á la „ich habe hier eine Wunde, was denkst Du soll ich tun?“. Natürlich ist die Plattform Instagram für derartige Beratung nicht die Richtige. Dem Anspruch auf eine korrekte Diagnosestellung kann ein Social Media Profil nicht gerecht werden und der Zweck dessen wird dadurch fehlinterpretiert.

Ein großes Risiko der Telemedizin ist insbesondere der immer größer werdende Richtigkeits-Anspruch unserer Zeit. In Jahrhunderten, in denen Diagnosen ohne bildgebende Verfahren und den heutigen Stand der Wissenschaft gestellt werden mussten, war ein Irrtum seitens eines Arztes anders zu verantworten. Man hatte schlicht keine ausreichenden Möglichkeiten, eine gänzlich korrekte Diagnose unter Ausschluss jeglicher Differenzialdiagnosen zu stellen. Würde man in Zukunft den Arzt-Patienten-Kontakt ausschließlich in virtuellen Räumen vollziehen, wären Diagnosen und Therapieempfehlungen somit sicher zu oft fehlerhaft.

Die Schnelligkeit und Direktheit von Social Media erlaubt es nicht nur Beauty-, Fashion- und Fitness-Profilen eine ständige Inspiration und Motivation zu sein, sondern auch dem Profil eines Arztes, dessen Ziel das Erhalten und Bewahren der Gesundheit der Menschen ist. Dies ist auch Felix sehr wichtig. Er will seine „Follower“ basierend auf wissenschaftlichen Fakten und dem eigenen Vorleben dazu inspirieren, Wege zu gehen, ein gesundes und bewusstes Leben zu etablieren und so dazu motivieren, Krankheiten proaktiv vorzubeugen.
Die mediale Präsenz ausgebildeter Ärztinnen und Ärzte ist quasi ein neues „therapeutisches Tool“, das sinnvoll genutzt werden kann – und auch genutzt werden sollte! Wieso sollten in Zukunft für uns (werdende) Ärztinnen und Ärzte die digitalen Medien nicht ebenso selbstverständlich und unabdingbar sein wie das Röntgenbild bei der Diagnosestellung eines Knochenbruchs?

Das Ziel von doc.felix und ähnlichen Profilen ist nicht der Ersatz einer realen Arzt-Patienten-Begegnung. Natürlich ist es ihm wichtig, gerade in Zeiten des social distancing, Patienten von zuhause aus zu ermöglichen, online Kontakt mit ihrem Arzt aufzunehmen (z.B. über die Plattfrom cyberdoc). Dennoch hält er den persönlichen Kontakt für immens wichtig und unersetzbar. Ein Prinzip wie ein „medizinisches Call-Center“ oder medizinische Beratung einzig über digitale Medien ist auch in seinen Augen vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet nicht vorstellbar.

Durch den kontinuierlichen Austausch und die ständigen neuen Impulse auf den Sozialen Medien, können wir trotz Social Distancing vielleicht sogar mehr Nähe schaffen, als wir zunächst vermuten. Mittels kleiner „Gesundheits-Hacks“ können auch medizinische Laien sich wissenschaftlich fundierte Informationen von Ärztinnen und Ärzten einholen, die ihnen auf Augenhöhe in einer zwanglosen Plattform wie Instagram o.ä. begegnen. Insbesondere in Zeiten einer Pandemie bietet dies Halt und erlaubt auch ohne persönlichen Kontakt für sich selbst und einen guten Lebensstil zu sorgen.

Mein Fazit aus dem Gespräch mit Felix: Vom Handwerker zum inspirierenden Content-Creator – Der Arzt-Beruf hat im Wandel der Geschichte vom Lügner (Mendicus), über den Hexer, den Halbgott in Weiß bis hin zum Arzt als „Influencer“ bereits viele Gestalten angenommen und wird seinen Stellenwert und Handlungsbereich zukünftig womöglich noch weiter verändern. Was sich durch jegliche Epochen zieht; ein Arzt ist vor allem eines: Jemand, dem wir vertrauen müssen, da wir ihm das Wichtigste, das wir besitzen, in die Hände legen: unsere Gesundheit! Wie wir als (zukünftige) Ärztinnen und Ärzte klug mit dieser Verantwortung umgehen und trotz Social Distancing von uns aus offen auf die Menschen zugehen können indem wir soziale Medien nutzen, liegt allein in unserer Hand.

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