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  • Maren Hönig
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  • 20.04.2021

Selbstexperiment Meditation - Von Jedi-Rittern und einem gesunden Mindset im Medizinstudium

Über ein Jahr lang hat sich Maren in täglicher Meditation geübt. Doch wie kam sie dazu? Was hat sie motiviert, dranzubleiben und welche Veränderungen hat sie bemerkt? Und nicht zu vergessen: Wie hat sie eine Verbindung zu Meister Yoda hergestellt? Hier kommen die Erkenntnisse ihres Selbstexperiments!

 

 

Die Idee, mit Meditation zu beginnen, kam durch einen guten Freund - ebenfalls Medizinstudent - der dies schon länger für sich entdeckt hatte und absolut überzeugt ist. Außerdem weckten einige Podcasts und Bücher mein Interesse. Immer wieder wurde diese Technik hervorgehoben, um erfolgreicher zu sein und eine bessere Verbindung zu sich selbst zu finden.

Generell glaube ich, dass man etwas nicht allumfassend bewerten kann, bevor man es nicht wenigstens einmal selbst versucht hat. Also entschied ich mich, einfach mal mit Meditation zu beginnen. Aufhören könnte ich ja noch immer. Entschluss gefasst, los geht’s!

Auf YouTube habe ich mir zu Beginn eine 10-minütige geführte Meditation ausgesucht. Ich setzte mich also abends im Schneidersitz auf mein Bett, schloss die Augen und… dachte an  ungefähr 1000 Dinge. Ich war alles andere als meditativ entspannt. Hmm, so hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt.

Tag zwei und einige Google-Sessions zu „Meditation lernen“ später befand ich mich erneut im Schneidersitz auf meinem Bett. Die geführte Meditation hörte ich diesmal über Kopfhörer, um noch fokussierter und möglichst wenig abgelenkt zu sein. Es war bereits eine Verbesserung, dennoch war mein Kopf nicht still, wie ich es erwartete und alle Meditations-Gurus es scheinbar so hervorragend konnten. Einen Benefit konnte ich  aus dem Meditieren bis dato nicht ziehen. Doch ich hörte nicht auf, versuchte es weiter.

Der Fortschritt kam schnell. Schon nach einer Woche freute ich mich auf die abendliche Zeit, in der ich den Fokus auf meine Atmung und mein Innerstes richtete. Die Tage vergingen, es waren bald über zwei Monate, in denen ich täglich im gleichen Setting mit Kopfhörern auf den Ohren eine geführte Meditation absolvierte. Von anfänglich 10 Minuten steigerten sich diese auf bis zu 15 oder manchmal 20 Minuten Länge.

Das Gefühl dabei lässt sich nur schwer in Worte fassen, doch was ich sagen kann: Man denkt irgendwann nicht mehr an zig andere Dinge, die anstehende To-Do-Liste, den zurückliegenden Tag oder was noch alles auf die nächste Einkaufsliste gehört. Nein, man spürt. Man kommt an. Im Hier und Jetzt. Bei sich. Bei Dingen, die man im Alltag zu oft vernachlässigt.

Es mag esoterisch klingen, aber an manchen Tagen war ich so tief in der Meditation, dass ich das Gefühl hatte, zu schweben. Als realistischer Mensch und an evidenzbasierte Wissenschaft glaubend, kann ich dieses Phänomen nicht erklären, aber es ist wahr. Nach inzwischen über einem Jahr hat sich dieses Gefühl noch verstärkt. Jeden Tag freue mich darauf, zu meditieren und ich fühle mich inzwischen ohne Meditation richtig unwohl. Wie kann das sein? Wo bleibt der wissenschaftliche Beweis?

Studien belegen, dass regelmäßiges Meditieren dazu führt, Bereiche in unserem Gehirn in der Gegend der Amygdala zu verändern und umzustrukturieren. Areale, die für Emotionen, die Bewertung und das Entstehen von Angstreaktionen verantwortlich sind. Von derartigen Studien und  den nachweislichen Veränderungen erfuhr ich erst vor wenigen Wochen. Gespürt habe ich es schon viel früher, ohne es derart benennen zu können.

Es ist kein Geheimnis, dass Medizinstudierende und junge Ärztinnen und Ärzte einem hohem Druck und häufig damit einhergehenden Ängsten ausgesetzt sind. Die Angst, zu versagen, den Ansprüchen der Klausursteller oder des Chefarztes nicht gerecht zu werden. Die Angst, Uni und Job, Familie, Freunde, Hobbys nicht unter einen Hut zu bekommen. Ängste entstehen unbewusst und nur selten wollen und können wir uns ihnen stellen. Das liegt daran, dass unsere Psyche bekanntermaßen einem Eisberg gleicht. Dort, wo sich unsere Ängste verbergen - im Unterbewusstsein - ist der Teil des Eisbergs, der unter der Wasseroberfläche schlummert.

Ob Meditieren eine mögliche Lösung ist, muss jede*r für sich selbst herausfinden. Ich persönlich kann das Gefühl, das ich in der Meditation entwickle, mit in mein tägliches Handeln und Denken nehmen. Es ist da, unbewusst und nicht im Zentrum stehend, wie beim Meditieren selbst. Eine tiefe, innere Gelassenheit, ein positiver Kraftpol.

Luke Skywalker sagt in Star Wars Episode VIII (Die letzten Jedi) zu Rey: „Die Macht ist keine Fähigkeit, die man besitzt. Es geht nicht darum, Steine hoch zu heben. Es ist ein Energiefeld zwischen allen Dingen - eine Spannung, ein Gleichgewicht, das die Galaxis zusammen hält.“ - und genau so fühlt es sich an. Dieser Zustand, das innere Gleichgewicht, die innere Ruhe. Vielleicht ausgelöst durch eine Umstrukturierung im Bereich der Amygdala, vielleicht durch die tägliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Unterbewusstsein: Meditation ist viel mehr als nur 10 Minuten möglichst an nichts zu denken.

Natürlich kommen Gedanken auf, auch Emotionen und Sorgen. Aber Meditation ermöglicht das Hineingehen, annehmen und spüren, was sie in einem auslösen. Gleichzeitig kann man daraus die Erkenntnis ziehen, dass diese Emotionen im Hier und Jetzt keine dringliche Relevanz haben, sondern zu einem anderen Zeitpunkt sinnvoll bewertet werden können.

Vermutlich gibt es viele Skeptiker, die dies als spirituellen Hokuspokus belächeln und es unsinnig finden, sich lediglich „hinzusetzen und zu atmen“. Auch ich war anfangs misstrauisch, doch durch meine Erfahrungen kann ich mir guten Gewissens eine Meinung darüber bilden und die Meditation für mich als sehr gewinnbringend bezeichnen.

Für mich ist der Nutzen der Meditation die Macht. Die Macht, aus einem inneren Gleichgewicht heraus, losgelöst von Emotionen, Ängsten und Zweifeln besonnene Entscheidungen zu treffen.

Aktuell betreffen meine täglichen Entscheidungen nur wenige Menschen - hauptsächlich mich selbst, meine Freunde und Familie. Aber eines Tages werden die Entscheidungen, die ich treffe, meine Patienten (das Leben anderer Menschen!) maßgeblich beeinflussen. Ist es da nicht wichtig, diese im höchsten Maße gewissenhaft zu fällen?

Bis dahin führe ich die Technik der Meditation weiter fort, kann sie dir nur ans Herz legen und halte es mit Meister Yodas Worten: „Öffnet euch. Spürt die Macht, die euch umgibt. Eure Sinne nutzen ihr müsst.“

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