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  • Daniel Soriano
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  • 24.05.2016

Hmmm - knackige Früchtchen

Wir alle kennen sie, die Studien über Rohkost: Das oberlehrer-gesunde, herbstlaub-frische, chips-knackige Junggemüse und die Früchte in regenbogen-bunt, herrlich anzusehen und vitaminreich. Das macht sich gut in der Werbung, macht sich gut als Deko – aber als tatsächliches Essen? Ich schritt zum Äußersten und wagte den Feldversuch.

 

Obstkorb - Foto: ©Maike Bergmann/Thieme

 

Es begab sich also zu der Zeit, als mein Tertial in dem Lande der Inneren Medizin sein Ende nahm. So schmückte ich einen Korb mit den Frühjahrsernten aus Spanien, Holland und anderen agrikulten Ländern, frisch gereifte Früchte, die von zarten Kinderhänden gepflückt, liebevoll sortiert und nur wenige zweitausend Kilometer weit mit umweltplakettenbeschmückten LKWs gereist waren. Da wären die klassischen guatemalischen Bananen, griechische Weintrauben, andalusische Erdbeeren und eine Reihe von südamerikanischen Kumquats, Satsumas, Mandarinen, Orangen, Grapefruits, Sardinen, Clementinen, Vaselinen und Margerinen. Dazu noch einen Strauß frisch gepflückter Veilchen – fertig.


Um mein Outfit zu perfektionieren, zog ich mein rotes Regencape an und eilte durch den dunklen Klinik-Wald. In meinen Händen hielt ich fest umklammert den Korb, den ich zu meiner Großärztin schleppen sollte. Zu Anfangs war ich begleitet von Schmetterlingen und einer frühlingshaften Melodie, die von fern durch die Fenster hallte. Doch schon bald drang ich tiefer in den Wald ein und kein Vogelgezwitscher war mehr zu hören, nur mühsam quälten sich die Sonnenstrahlen durch die sperrigen Äste. Den Weg erkannte ich kaum noch. Dann ein Knacken. Das Pochen meines Pulses. Hinter einem dicken Infusionsbaum lugten schon die ersten gierigen Augen aus den ewigen Schatten nach mir und meiner kostbaren Fracht. Ich schob mich vorsichtig an den lefzenden Ungestümen vorbei, hier bleckten mir Fangzähne entgegen, dort ein schlurfender Gang, hinter einem Vorhang zog eine blutverzierte Nachtschwester eine Spritze auf, neben ihr blitzte das Blatt einer Säge auf.
Dann.
Ein falscher Tritt.
Die Diele knarzte.
Tausend blutunterlaufene Bindehäute richteten sich auf mich.

Kuchen, flüsterte es aus dem Gestrüpp.
Dann nichts.
Kuchen, Kuchen, Kuchen – hallte ein Echo den Gang hinunter.
Kuchen, hab ich Kuchen gehört, pssst, Kuchen? Es gibt Kuchen, hast du gesehen? RUMMSS, RUMMMSS - ICH RIECHE, RIECHE KUCHENFLEISCH!!!!

Die Ereignisse überschlugen sich.
Ich rannte.
Rechts.
Dann die zweite links.
Wieder rechts, dann rechts.
Hinter der dritten Tanne nach schräg unten.
An der Pforte vorbei sieben Treppen nach oben.
Dort!
Ein Aufzug.
Knopf drücken – nochmal drücken – drückendrückendrücken.
Drücken.
DRÜCKEN!!


Hinter mir leuchten in der Nacht tausendundein Augen. Nachdem ich sie alle gezählt hatte, waren sie mir erstaunlich nah. Ihr fauliger Atem beschlug meine Brille.
Der Aufzug war noch immer nicht da.
Um die Spannung noch weiter zu steigern, bewegten sich die Monster im Wald als wäre die Luft aus Wachs. Der Autor überspannte den Bogen, als die Luft so dick war wie Blei. Für einen Moment bewegte sich nichts.


Dann entschied ich mich für das Unausweichliche.
„Hier habt ihr euren Kuchen!“, rief ich und warf den Korb die Treppe hinunter.
KUUCCHHEEENN – die Meute ergoss sich wie ein Quecksilberstrom die Stufen hinab.
DING – der Aufzug war da.
Aus der Tiefe Geschrei – DAS IST GAR KEIN KUCHEN! FASST IHN!
Ich floh in den Aufzug. Während sich die Türen zusammenzogen, brandete die erste Welle der Flut die letzten Treppenstufen hinauf. Eine Hand schwang eine Flasche Narkosegas, die Türen schlossen sich, ich atmete erleichtert auf, da klirrte es und mir wurd--

BLACK SCREEN

Als ich erwachte, ruhte eine feste Großärztin-Hand auf meiner Schulter.
>> Daniel?
- DAAA! - ich - uff - Kuchn. Ich meine, Kcuhen, khuchn - ahm - kcn…
>> Du siehst schrecklich aus! Geh nach Hause – schlaf dich aus. Immerhin dein letzter Tag. Dann schwob sie hinfort, eine Melodie von Taylor Swift pfeifend. In ihrer Hand jonglierte sie eine Banane.
Ich drehte mich um. Arztzimmer. Niemand da. Ein leerer Korb.

Fazit: Vitamine sind gesund. Wer hätte das gedacht.

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