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  • Bericht
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  • Amira Abdel Bayen
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  • 09.12.2013

Der Präpkurs an der Uni Essen

Der Präpkurs – offiziell auch Kursus der makroskopischen Anatomie genannt – ist DER Kurs der Vorklinik. Erst wenn man schon präparieren durfte, fühlt man sich wie ein echter Medizinstudent. Für viele ist dieser Kurs ein Traum, für andere jedoch eher ein Albtraum. Denn was schon Freunde, Verwandte oder Nachbarn wissen wollen, fragen viele Studenten sich selbst: Ist es nicht eklig, ja sogar abartig, sich an den Körper eines Menschen ranzumachen? Sicher war sich Amira darüber auch nicht. Bis der erste Tag des Präpkurses gekommen war …

Student mit Skelett - Foto: imagesource

Foto: imagesource  

In Essen fängt der Präpkurs schon im ersten Semester statt und zwar etwa ab der sechsten Woche. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Kurs ist, dass man die Klausur in der „Anatomischen Propädeutik“, auch Osteologie genannt, bestanden hat.

In den ersten fünf Wochen musste ich mich also erst einmal durch sämtliche Knochen, Gelenke und Bänder durcharbeiten und fleißig lernen. Wer in dieser Phase Unterstützung sucht,  kann sich für Tutorien an der Uni anmelden. Hier können sich die die Studenten Skelette anschauen und mit Gruppenmitgliedern diskutieren. Außerdem gibt es zu Beginn jedes Tutoriums einen kleinen Test – eine sehr gute Vorbereitung auf die Klausur.

Die fünf Wochen gehen schneller rum, als es einem Erstsemester lieb ist. Schwubs steht auch schon die allererste Klausur vor der Tür. 45 Minuten hatten wir für 30 Multiple-Choice-Fragen Zeit. Die Ergebnisse hatten wir schon am nächsten Tag und es haben fast alle ganz locker bestanden. Die nächste Woche – und somit der Präparierkurs – konnte also kommen.  

 

Der erste Tag

Das erste Mal im Präpariersaal stand mir bevor, und ich wusste nicht so richtig was mich hinter den verschlossenen Türen erwartete. Zwei Wochen vorher konnten wir uns über die Fachschaft ein Präparierbesteck bestellen, aber auch auf dem Bücherflohmarkt in der ersten Semesterwoche wurden einige fündig. Auch Schürzen und Handschuhe konnten über die Fachschaft bestellt werden. Kittel besorgten wir uns  über das Internet oder in der Fachbuchhandlung.

Für den Kurs wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt. Während Gruppe A das Glück hatte den Besuch im Präpariersaal schon am ersten Kurstag hinter sich zu bringen, durfte Gruppe B noch mikroskopieren. Dann war es soweit: Ich schleppte mich mit einem mulmigen Gefühl in den Vorraum, legte dort Kittel, Handschuhe und Schürze an und dann ging es auch schon los. Wir marschierten alle ziemlich angespannt in den Präpariersaal und waren aufs Schlimmste gefasst. Aber wir wurden ziemlich langsam in diesen spannenden Kurs eingeführt. Alle Präparate waren verhüllt und uns wurden erst einmal grundlegende Dinge erklärt.

Bei den Präparaten handelt es sich um Spender, die sich zu Lebenszeiten dazu bereit erklärt haben ihren Körper nach ihrem Tod der Wissenschaft und der Lehre zur Verfügung zu stellen. Gegen Ende des Kurses müssen wir die Bestattung organisieren. Das finde ich gut, denn so können wir uns am Ende endgültig von den Toten verabschieden.

Allen Tischen wurden jeweils ein Dozent, ein Assistent und ein Hiwi zugeteilt. Schrittweise wurde das Präparat enthüllt und wir wurden immer wieder gefragt wie es uns ginge. Bei uns ist auf jeden Fall niemand umgekippt. Der Formalingeruch war nicht so schlimm wie erwartet – ich hatte ihn mir stechender vorgestellt. Er ist wirklich schwer zu beschreiben. So richtig werde ich mich aber trotzdem nicht an den Geruch gewöhnen. Der erste Atemzug ist auch nach einem knappen Monat immer noch eine Überwindung für mich.

Jedem Studenten wurde eine Region zugeteilt, mit der er sich intensiv beschäftigen musste. Jeder von uns ist quasi ein Experte in dieser Region. Was muss so ein Experte wissen? Jeden Nerv, jede Vene und Arterie – zumindest alles was oberflächlich (oder auf schlau auch epifazial genannt) liegt. Außerdem mussten wir uns zeitgleich auf das Rumpftestat vorbereiten. Gott sei Dank standen uns die Assistenten mit Rat und Tat zur Seite.

 

Mein Fazit

Ihr könnt euch auf dieses erste wichtige Ereignis im Studium freuen, auch wenn ihr anfangs ein komisches Bauchgefühl habt. Aber das erste Mal ein Skalpell in der Hand zu halten, ist schon cool. Ob man nun Spaß am präppen hat oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Nach dem Austausch mit meinen Kommilitonen merke ich, dass nicht jeder so eine Freude dabei verspürt wie ich es tue.

Aber eins kann ich schon jetzt aus diesem Kurs mitnehmen: Nicht alles was wir als Medizinstudenten oder auch später als Ärzte tun, wird von unseren Mitmenschen einfach so akzeptiert. Für manche Außenstehenden ist das, was ich momentan im Kurs erlebe abartig, unnormal, sogar „brutal“.

Ich finde hingegen, dass dieses Praktikum eine einmalige Chance ist. Wann kann man denn sonst einen menschlichen Körper erkunden ohne Angst zu haben einen Nerv zu durchtrennen und diesen Menschen vielleicht sein Leben lang zu lähmen?  

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