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  • Interview
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  • Hanna Hohenthal
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  • 26.10.2012

Studieren mit Kind in Dresden

Die Doppelbelastung von Familie und Studium wirkt auf viele abschreckend. Unsere Lokalredakteurin Hanna hat sich mit Emilia Weiser unterhalten. Diese schafft es, ihr Medizinstudium in Dresden und die Betreuung ihrer dreijährigen Tochter Livia zu vereinen. In diesem Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen. Emilias Fazit: Medizin studieren mit Kind, das geht!

Studieren mit Kind - Foto: E. Weiser

 

> Emilia, erstmal herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Physikum. Erzähl uns doch zum Anfang etwas über eure Geschichte!

Ich habe meine Tochter kurz nach meinem Abitur bekommen. Anschließend habe ich ein Jahr Elternzeit genommen und währenddessen mein Pflegepraktikum und die Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert. Mit viel Glück und durch das mündliche Auswahlverfahren in Dresden habe ich hier anschließend sofort einen Studienplatz bekommen. Damit ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung, denn ich wusste schon seit Kindertagen, dass ich Ärztin werden will.

Mit Tochter und meinem damaligen Partner ging es also auf nach Dresden. Hier wurden wir mit einer, im deutschlandweiten Vergleich, guten Kinderbetreuung und humanen Mietpreisen empfangen. Leider mussten wir trotzdem ein halbes Jahr auf einen Krippenplatz warten, so dass ich im ersten Semester wirklich nur für Pflichtveranstaltungen das Haus verlassen habe und sich alles Lernen auf nachts verschob. Das wurde durch eine geregelte Kinderbetreuung aber schnell besser, besonders als wir einen Platz direkt in unserer Nähe bekamen. Seitdem bringe ich Livia täglich um 7:30 Uhr in den Kindergarten und hole sie gegen 16:00 Uhr wieder ab.

Durch die zahlreichen Pflichtveranstaltungen bleibt meist tagsüber wenig Zeit zum eigentlichen Lernen, sodass sich das meist bis spät in die Nacht zieht. Aber mit jeder Menge Toleranz gegenüber dem Schlafmangel, viel Kaffee und eisernen Nerven, gelang es mir schließlich, die Vorklinik innerhalb der vorgesehenen Zeit mit dem Physikum abzuschließen. Nun hoffe ich auf einen entspannteren klinischen Abschnitt.

 

> Wie reagiert dein Umfeld auf deine Situation?

Meine Eltern unterstützen mich sehr – nach anfänglicher Skepsis. Etwa einmal pro Semester, in der stressigsten Prüfungszeit, haben sie Livia beispielsweise für ein paar Tage betreut. Vor allem während des Physikums war das Gold wert.

Die Reaktion meiner Kommilitonen ist eher geteilt. Von den allermeisten wird meine Situation mit viel Akzeptanz aufgenommen oder mir wird sogar Unterstützung angeboten. Auch gelegentlich ein aufmunterndes Wort oder ein Stückchen Respekt vor meiner Situation haben mich häufig motiviert. Vor allem hat mir auch die Gemeinschaft mit anderen Müttern weitergeholfen – weil man so sieht, dass auch bei anderen zwischen Wickeltisch, Haushalt und Bücherbergen mal was daneben geht.

Leider erlebe ich aber auch immer wieder empörte Stimmen einiger weniger über Kinder in der Vorlesung und stillende Mütter im Seminar. Oder Unverständnis bei dem Wunsch nach mehr Familienfreundlichkeit. Aber gerade in einem Studium mit sehr hohem Frauenanteil, langen Wartezeiten vor dem Studienbeginn, einer langen Studiumsdauer und stressigen Berufsaussichten, sollte während der Ausbildung die Familienplanung unterstützt werden!

 

Emilia Weiser - Foto: H. Hohenthal

Emilia Weiser

 

> Wie verhält sich die TU Dresden gegenüber studierenden Müttern und Vätern?

An der TU im Allgemeinen gibt es umfassende Angebote für studierende Eltern. Das Campusbüro "Uni mit Kind" macht da sehr viel: Geburtsvorbereitung, Beratung, Krabbelgruppen und Infoabende zu verschiedensten Themen. Das Studentenwerk gewährt Zuschüsse zur Finanzierung der Erstausstattung und Freitischmarken. Durch die räumliche Distanz zum Hauptcampus kriegen wir davon an der Medizinischen Fakultät aber leider wenig mit. In den letzten Jahren entstand deshalb der Wunsch, auch an unserer Fakultät kinderfreundliche Strukturen zu etablieren. Dazu hat sich die Arbeitsgemeinschaft der MediEltern zusammengefunden.

 

> Was machen die MediEltern?

Seit 2010 existiert bei uns die studentische Gruppe "MediEltern". Wir setzen uns für verbesserte Bedingungen für Medizinstudenten mit Kind ein und möchten die Eltern untereinander vernetzen. Vor allem den Erfahrungsaustausch ist für viele hilfreich. Aber auch die Schaffung von Wickeleinrichtungen, Stillbereichen, Informationsveranstaltungen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten haben wir uns zum Ziel gesetzt und in weiten Teilen auch schon umgesetzt.

 

> Welche Maßnahmen oder Regelungen möchtest du in den nächsten 5 Jahren erreicht sehen?

Die Kinderbetreuung ist immer wieder ein wichtiges Thema. Ich hoffe, dass sich hier in den nächsten Jahren einiges tun wird. Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab einem Jahr ist hier auf jeden Fall ein großer Schritt in die richtige Richtung. Auch ein Umdenken der Lehrenden hin zu mehr Kinderfreundlichkeit im Studium würde mich sehr freuen.

 

> Fühlst du dich durch deine Mutterschaft, zumindest in Teilaspekten, dem Studium eher gewachsen?

Durch ein Kind wurde mir bewusst, wie wertvoll Zeit ist und wie ich sie am besten nutzen kann. Das hat mir in diesem Studium sehr geholfen. Ein weiterer Vorteil ist unbestreitbar, dass man gezwungen ist, regelmäßig Pausen zu machen, sich die Wochenenden vorrangig frei zu nehmen und sich dadurch gezwungenermaßen Erholung gönnen muss. Und natürlich steckt auch noch einmal eine andere Motivation hinter dem Studium, wenn man so schnell wie möglich, die Zukunft seines Kindes finanzieren möchte.

 

> Inwiefern fühlst du dich dem Studium durch dein Kind weniger gut gewachsen?

Die ständig fehlende Zeit ist ein Problem, wodurch häufig auch der Schlaf zu kurz kommt. Seit ich aber eine gute Kinderbetreuung habe, lässt sich vieles besser organisieren und einteilen. Darüber hinaus ist die Finanzierung für mich schwierig, weil mir neben Studium und Kind keine Zeit für einen Nebenjob bleibt.

 

> Wenn du die Zeit zurück drehen und dich noch einmal entscheiden könntest: Was würdest du anders machen?

Ich würde um einiges früher den Kontakt zu studierenden Müttern aufbauen, um sich besser gegenseitig unterstützen zu können. So könnte man vielleicht die Kinderbetreuung von Anfang an flexibler gestalten und Tipps austauschen. Ansonsten habe ich wenig bereut. Das Medizinstudium ist auch mit Kind in der Regel gut machbar, wenn man voll hinter diesem Wunsch steht.

 

Danke für das Interview, Emilia. Ich wünsche dir und Livia alles Gute für die Zukunft!

Informationen des Studentenwerks Dresden:

Das Campusbüro Uni mit Kind

Kontakt zu den MediEltern:

forummedieltern@googlemail.com
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