- Kommentar
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- Robin Rätz
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- 07.05.2015
Homöopathie - Über den Tellerrand blicken
Robin überlegt, ob sie die AG Homöopathie besuchen soll. Bevor sie sich anmeldet, recherchiert sie erstmal, denn sie will wissen: Was können die kleinen weißen Kügelchen?
Foto: Thieme/Chris Meier
Wie alles begann:
Es ist Semesterbeginn. Der Kursplan steht, die wichtigsten Lehrbücher sind schon gesichert und die ein oder andere Veranstaltung wurde bereits erfolgreich absolviert. Endlich habe ich Zeit, mich den zahlreich eintrudelnden Verteilermails mit kostenfreien- und pflichtigen Zusatzveranstaltungen zu widmen.
Die Auswahl fällt schwer aufgrund der vielen interessanten „Wissensabonnements“.
Es gibt Ringvorlesungen zum Thema Katastrophenmedizin, eine Vortragsreihe über Medizinethik, ein bunter Strauß an Mitmach-AGs (Rauchprävention, Mit Sicherheit verliebt und und und); es werden Gremienplätze vergeben, zur Mitarbeit bei der nächsten European Students Conference aufgerufen ... und irgendwo mittendrin, zwischen Luxusworkshop auf den Kanaren und der Information, dass das Praktikum, das in etwa zwei Stunden stattfinden wird, an einen anderen Ort verlegt wurde, springt mir die Info über eine neue Homöopathie-AG ins Auge.
Teilnehmen können, ich zitiere „über den Tellerrand-Blicker, Homöopathie-Begeisterte, Skeptiker und Ahnungslose“. Ich fühle mich gleich mehrfach angesprochen und lese weiter. Ich erfahre, dass meine Uni eine Hochschulambulanz für Naturheilkunde besitzt. Das ist mir neu, die Info im Text gut gesetzt, ich fühle mich zum Weiterlesen angeregt. Dann kommt das Versprechen, am Ende des Kurses mit einer kleinen homöopathischen Hausapotheke ausgestattet zu werden: ein Gratis-Gimmick! Sie haben mich im Sack! Die Info über eine mögliche Exkursion in den Botanischen Garten lasse ich großzügig unter den Tisch fallen.
Was ich über Homöopathie weiß ...
Ich resümiere, was ich bereits über Homöopathie weiß und was ich da in meinem Kopf zusammenklaube, fällt recht mager aus. Mir fallen lediglich Stichworte ein: alternative Medizin, Naturheilkunde, Kügelchen, Hypochonder. Aber irgendwas muss dran sein an den an farblose Liebesperlen erinnernden Mittelchen. Immer mehr Ärzte bilden sich weiter, um die Zusatzbezeichnung Homöopathie zu erlangen und die Pubmed-Suche bringt zahlreiche Studien zutage, die sich mit der Wirksamkeit homöopathischer Mittel bei verschiedenen Erkrankungen beschäftigt haben. Also mache auch ich mich schlau.
... und was ich wissen wollte
Das Wort Homöopathie stammt ursprünglich wohl aus dem Altgriechischen und bedeutet soviel wie „ähnliches Leiden“. Vor etwa 200 Jahren wählte Samuel Hahnemann, der Begründer der klassischen Homöopathie, diese Bezeichnung, um der auf Selbstversuchen mit Chinarinde fußenden neuen Lehre einen Namen zu geben. Ganz konkret meint er damit Ähnliches möge mit Ähnlichem zu heilen. Er fand heraus, dass die Einnahme der Chinarinde (einer Pflanze aus der Familie der Rubiaceae) Symptome auslöst, die denen der Malaria sehr ähnlich sind. Es heißt, dass er daraus die Ähnlichkeitsregel (Simileprinzip) ableitete, eine der wichtigsten Grundpfeiler der Homöopathie. Diese Regel besagt, dass ein gesetzter Reiz (wie etwa die Einnahme bestimmter Substanzen), wenn er Symptome ähnlich denen der zu behandelnden Erkrankung auslöst, den Körper zur Selbstheilung anregen kann [1].
Globuli und Co.
Heute sind bereits über 2000 homöopathische Mittel bekannt und stetig kommen neue hinzu. Als Ausgangssubstanzen dafür dienen unter anderem Pflanzen, Mineralien und Metalle; es werden Stoffe tierischen Ursprungs verwendet und sogar auf eine Stoffgruppe zurückgegriffen, die krankhafte Absonderungen, Krankheitserreger und ihre Stoffwechselprodukte, Organpräparate und zugehörige Zersetzungsprodukte sowie Extrakte aus Körperflüssigkeiten enthält [2]. Um das jeweilige Mittel gemäß Ähnlichkeitsregel auch der passenden Erkrankung zuordnen zu können, müssen die fertigen Präparate in der Arzneimittelprüfung auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Dieses Verfahren dient der Protokollierung möglicher Symptome, die auftreten können, wenn gesunde Probanden die zu prüfenden Mittel einnehmen.
Den Ablauf der Arzneimittelprüfung hat Hahnemann selbst in seinem „Organon der Heilkunst“ festgelegt [3]. Es besagt, dass die Probanden vier bis sechs Globuli von der Potenz C30 in Wasser auflösen und über mehrere Tage hinweg einnehmen sollen. Diese Vorgabe wurde 2002 durch zusätzliche Richtlinien des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte ergänzt. Seither sortieren die Probanden die auftretenden Symptome nach neu und alt. Erst nach einer weiteren Bestätigung dieser Symptome in einer erneuten Prüfung oder während einer Therapie, werden diese in die homöopathische Arzneimittellehre aufgenommen [4].
Die Materia Medica und das Repertorium
Die erhobenen Daten werden durch Informationen aus der Toxikologie, der Pharmakologie und durch klinische Beobachtungen ergänzt und als Arzneimittelbild in einer Materia Medica zusammengefasst. Darunter wird eine Sammlung an homöopathischen Mitteln verstanden, deren Wirkspektrum im Kopf-zu-Fuß-Schema angeordnet ist. In der Praxis hat sich das Repertorium bewährt, das, statt die Symptome den Mitteln zuzuordnen, es genau andersherum aufzieht: hier können Symptome nachgeschlagen werden, um zu erfahren, welche Mittel zur Behandlung infrage kommen.
Vice versa – Medikation mal anders
Der wohl größte Unterschied zwischen Homöopathie und klassischer Schulmedizin ist die Tatsache, dass eine vermeintlich höhere Dosierung durch die Wahl einer höheren Potenz tatsächlich ein Weniger an real enthaltendem Wirkstoff bedeutet. Das liegt an der Art und Weise, wie homöopathische Mittel hergestellt werden: sie werden „verschüttelt“. Die verschiedenen Potenzen D,C, Q und LM entsprechen je einer Verdünnungsreihe (D für Dezimal 1:10, C für Centisemal 1:100, Q und LM für Quinquagiesmillesimal 1:50.000). Die Zahlen hinter den Buchstaben, wie bspw. D6 oder C30, geben die Anzahl der erfolgten Verdünnungsschritte wieder. Diese als Potenzierung bezeichnete Verdünnung soll zu einer Zunahme der dynamischen Wirkung führen.
Statt also die Höhe der Einzeldosis anzupassen, verordnet der homöopathisch ausgebildete Facharzt eine Anpassung der Einnahmehäufigkeit. Dabei ist die individuell richtige Dosierung gleich von mehreren Faktoren abhängig, die als so komplex beschrieben werden, dass eigentlich nur Homöopathen oder homöopathisch tätige Ärzte diese ermitteln können sollen [5,6]. Hier stellt sich mir die Frage, wie sinnvoll die unzähligen Anleitungen zur Selbstbehandlung sind, die in den vorangegangenen Jahren den Büchermarkt überschwemmt haben. Das ist selbst mir als nur spärlich homöopathisch vorgebildeter Person nicht entgangen.
Das Resümee
Während ich noch überlege, ob ich mich nun schlauer fühle, beschließe ich, dass ich die Homöopathie AG besuchen werde. Denn auch wenn ich die vermeintlich wichtigsten Informationen zum Wesen der Homöopathie nun zusammengetragen habe, so gelang es mir doch nicht sie in Gänze zu erfassen. Das wird sich hoffentlich bald ändern.
Wer beim Lesen des Artikels auf den Geschmack gekommen ist, der findet hier zahlreiche Artikel zum Thema Naturheilverfahren . Dort finden sich zahlreiche Fachartikel neben kritischen Kommentaren, und das nicht nur zum Thema Homöopathie.
[1] Wiebke Lohmann, Basics Homöopathie. Urban & Fischer Verlag 2009. S.2, S.16, S.50, S.52
[2] J. Geßler, T. Quak, Leitfaden Homöopathie. Urban & Fischer Verlag 2009
[3] http://www.homeoint.org/books4/organon/ „Organon der Heilkunst“ 29.04.2015 8:07
[4] Lohmann (2009): S.42
[5] Wiebke Lohmann: S. 5
[6] Deutsche Homöopathie-Union Karlsruhe „Wissenswertes zur Homöopathie – Prinzip der Potenzierung“ http://www.dhu-globuli.de/wissenswertes-zur-homoeopathie/was-sind-globuli/potenzen/