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  • Interview
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  • Alina Nordmann
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  • 29.05.2020

Das Medizinstudium über die Bundeswehr - eine Soldatin berichtet

Ihr habt euer Abitur in der Tasche und möchtet unbedingt Medizin studieren? Vielleicht seid ihr im Zuge eurer Recherche auch auf die Bundeswehr als möglichen Einstiegsweg ins langersehnte Studium gestoßen. Falls ihr euch nun fragt, was es damit genau auf sich hat, was es zu beachten gibt und wo ihr hilfreiche Informationen findet, bekommt ihr im Folgenden von Florentine Erfahrungen und Tipps aus erster Hand.

 


Florentine (18) ist Soldatin und studiert seit dem Wintersemester 2019/20 Humanmedizin an der Charité in Berlin. Für euch beantwortet sie Fragen rund um ihr Studium über die Bundeswehr.

 

>Wie bist du auf die Idee gekommen, Medizin über die Bundeswehr zu studieren?

Ich habe mich schon seit langem für ein Medizinstudium interessiert und war bei einer Beratung der Bundesagentur für Arbeit. Dort wurde mir auch die Möglichkeit nahegelegt, mich über die Studienmöglichkeiten bei der Bundeswehr zu informieren, woraufhin ich mich damit beschäftigt und mich schließlich zwischen der 11. und 12. Klasse bei der Bundeswehr beworben habe.

 

>Was muss ein angehender Student deiner Meinung nach mitbringen, wenn er über die Bundeswehr Medizin studieren möchte?

Wer sich für ein Medizinstudium bei der Bundeswehr interessiert, sollte auf jeden Fall ein großes Interesse am Beruf des Offiziers mitbringen, denn man wird nach dem Studium zwar Arzt, ist in erster Linie aber trotzdem Offizier der Bundeswehr. Vor allem Offenheit für alles Neue ist sehr wichtig, nicht nur gegenüber anderen Kameraden, sondern auch gegenüber neuen beruflichen Herausforderungen. Jeder angehende Sanitätsoffiziersanwärter (so heißen die Studenten der Humanmedizin, Zahnmedizin, Pharmazie und Veterinärmedizin der Bundeswehr) sollte sich bewusst sein, dass dieser Beruf auch privat viel abverlangen kann, sei es durch Versetzungen oder auch Auslandseinsätze, zu welchen jeder früher oder später einmal gehen wird.

 

>Wie sah deine Zeit vom Abitur bis zum Studienbeginn aus?

Im November 2018 (während der 12. Klasse) habe ich das Bewerbungsverfahren für Offiziersanwärter der Bundeswehr in Köln durchlaufen. Dieses dauerte drei Tage und beinhaltete mehrere Tests, durch die zuerst die Eignung als Offizier und danach die Eignung speziell als Sanitätsoffizier festgestellt werden sollte. Währenddessen waren wir in einer Kaserne in Köln untergebracht und konnten schon erste Eindrücke vom Leben in der Kaserne gewinnen, was das Leben dort und die Unterbringung in Stuben mit mehreren Leuten angeht. Die Tests beinhalteten unter anderem einen Computertest, welcher Rechen- und Rechtschreibkenntnisse prüfen sollte, einen Sporttest, mehrere Gruppengespräche, in denen man sich ein Bild von unserer Kommunikationsfähigkeit machen wollte, Einzelgespräche mit Psychologen und Ärzten, einen Biologietest und eine ärztliche Untersuchung.

Nach meinem bestandenen Abitur ging es für mich am 01.07.2019 zur Grundausbildung nach Feldkirchen bei Regensburg. Diese dreimonatige Ausbildung diente in erster Linie dazu, die grundlegenden militärischen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen. Dazu gehört der Umgang mit Schusswaffen, das Leben im Felde, das soldatische Auftreten aber auch das Leben mit den Kameraden in einer Gemeinschaft. Die Grundausbildung wird von vielen als einer der schönsten Abschnitte während der militärischen Laufbahn beschrieben und genau so habe ich diese auch empfunden. Auch wenn das frühe Aufstehen, die sportliche Betätigung und der strenge Tagesablauf am Anfang eher ungewohnt und beschwerlich für fast alle war, waren diese drei Monate eine unvergessliche Zeit, in der ich sehr viele neue Freunde gefunden habe.“

 

>Wie bis du dann letztendlich in Berlin gelandet?

Nach ca. zwei Wochen in der Grundausbildung erfolgte die Studienplatzvergabe, bei der wir unseren jeweiligen Wunsch-Studienort wählen durften. Dazu wurden wir anhand unserer Leistungen im Einstellungstest in eine Rangliste eingeordnet und beginnend beim Ersten wurden die jeweiligen Studienplätze vergeben. Da die angehenden Sanitätsoffiziere der Bundewehr an zivilen Universitäten in ganz Deutschland studieren, ist die Bundeswehr auf die „reservierten“ Studienplätze an den jeweiligen Universitäten angewiesen und kann nicht für jeden einen Platz an der Wunschuniversität ermöglichen. Ich hatte Glück: Da die Charité mein erster Wunsch und noch verfügbar war, durfte ich in Berlin studieren.

 

>Worin siehst du die größten Unterschiede zu deinen Kommilitonen, die nicht über die Bundeswehr studieren?

Ich denke ein großer Unterschied ist das große kameradschaftliche Umfeld, in das wir sofort an unserem neuen Standort aufgenommen wurden. Ein weiterer Grund, aus dem sich viele für ein Studium über die Bundeswehr interessieren, ist der weniger strenge NC (Numerus clausus), da dieser eher zweitrangig gegenüber den Einstellungstests der Bundeswehr ist.

 

>Was sind deiner Meinung nach die Vorteile eines Studiums über die Bundeswehr und gibt es aus deiner Sicht auch Nachteile?

Ein maßgeblicher Vorteil ist mein festes monatliches Gehalt, weshalb ich neben dem Studium nicht arbeiten gehen muss und mich voll und ganz auf das Studium konzentrieren kann. Außerdem bietet die Bundeswehr zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten, die im zivilen Leben oft nicht zur Verfügung stehen. Auch durch Auslandseinsätze erhält man Berufserfahrung, die im zivilen Leben schwer oder gar nicht zu finden ist. Als Nachteil kann man ansehen, dass wir durch Lehrgänge oder Truppenpraktika natürlich oft in den Semesterferien beschäftigt sind und diese nicht immer frei nutzen können. Dies ist allerdings Teil unserer Laufbahn und für unseren weiteren Werdegang und den Bezug zum soldatischen Leben sehr wichtig.

 

> Wie wird deine weitere Karriere bei der Bundeswehr aussehen?

Nach meinem Studium werde ich zuerst eine postuniversitäre Ausbildung durchlaufen, welche mich nach dem Studium auf die weitere Zeit in der Bundeswehr vorbereitet. Danach werde ich zu Beginn meiner Facharztausbildung an eines der fünf Bundeswehrkrankenhäuser in Deutschland (Berlin, Hamburg, Koblenz, Ulm, und Westerstede) versetzt und werde diese dann dort beginnen. Eingestellt wurde ich als Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von 17 Jahren, in denen das sechsjährige Studium bereits eingeschlossen ist. Nach meinen 17 Jahren bei der Bundeswehr besteht für mich die Möglichkeit, Berufssoldat der Bundeswehr zu werden und dort weiter zu dienen oder aus der Bundeswehr auszusteigen und wie andere Ärzte in einem Krankenhaus oder einer Praxis zu arbeiten.

 

Florentines persönliche Message an alle Studieninteressierten:
"Wenn ihr euch für ein Studium bei der Bundeswehr interessiert, solltet ihr euch bewusst sein, dass ihr nach dem Studium primär Offiziere der Bundeswehr seid. Wichtig ist vor allem, dass ihr euch hinreichend informiert und eine so wichtige Entscheidung nicht voreilig trefft.“


Falls euer Interesse an einem Medizinstudium über die Bundeswehr jetzt geweckt wurde, hat Florentine noch ein paar Tipps zur weiteren Informationsbeschaffung für euch:

„Verlässliche Quellen für Interessierte sind zuerst einmal die Internetseite der Bundeswehr (www.bundeswehrkarriere.de), wo man sich über alle verfügbaren Berufe bei der Bundeswehr informieren kann. Bei weiterem Interesse besteht darüber hinaus die Möglichkeit, mit einem der Karriereberater der Bundeswehr in einem der Karrierebüros einen Termin zu vereinbaren und sich dort von fachkundigem Personal persönlich beraten zu lassen.“

 

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