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  • Das Interview führte Julia Rojahn
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  • 29.04.2015

„Ich kann selbst viel gestalten“ - PD Dr. Bachmann baute eine neue Klinik auf

Kurz vor seiner Habilitation übernahm Cornelius Bachmann als Chefarzt eine Abteilung für Neurologie. Die bestand allerdings nur aus einem MVZ mit einigen Belegbetten. In den ­folgenden 3 Jahren hat Dr. Bachmann viel Personal eingestellt, Räume eingerichtet und neue Behandlungsmethoden etabliert. Heute leitet er eine vollwertige neurologische Klinik.

        

 

Foto: Julia Rojahn

PD Dr. med. Cornelius Bachmann
ist Facharzt für Neurologie mit Schwerpunkt Schmerzerkrankungen. Er studierte von 1988–1996 Medizin in Göttingen und Harvard. Anschließend arbeitete und promovierte er am Max-Planck-­Institut für Psychiatrie in München, entdeckte dort sein Interesse für die Neurologie und wechselte das Fachgebiet. Von 2003–2007 war er zunächst Assistenzarzt, dann Funktionsoberarzt in der Klinischen Neurophysiologie der Universitätsmedizin Göttingen. Seit März 2012 ist Dr. Bachmann Leitender Chefarzt der Neurologie an der Paracelsus Klinik Osnabrück, im Juni 2012 wur­de er in Göttingen habilitiert. Im Jahr 2014 schloss er seine Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie auf dem Gebiet der Neurologie“ ab.

 

> Herr Dr. Bachmann, wie sind Sie zur Neurologie gekommen?

Ich wollte schon als Kind Arzt werden: Mein Patenonkel war Landarzt und nahm mich am Wochenende mit zu seinen Patienten – das war immer interessant, und die Tätigkeit wurde mir vertraut. Die Weiterbildung begann ich in der Psychiatrie, hatte aber schon sehr früh mein Jahr in der Neurologie – und seitdem wollte ich nichts anderes mehr machen.

 

> Warum haben Sie sich für eine Karriere in der Klinik statt für eine Nieder­lassung entschieden?

Eine Praxis kam für mich nie infrage, ich wollte immer in einer Klinik arbeiten und darüber hinaus forschen. Inzwischen habe ich mich zum einen auf Bewegungs­störun­gen spezialisiert, v. a. auf das Restless-Legs-Syndrom und Morbus Parkinson, zum anderen auf Neurophysiologie und Schmerztherapie. Für eine wissenschaftliche Arbeit habe ich den Deutschen Förderpreis für Schmerzforschung erhalten.

 

> Vor 3 Jahren sind Sie als Chefarzt nach Osnabrück gewechselt. Wie war es, plötzlich Chef einer eigenen Abteilung zu sein?

Es gibt natürlich viele administrative Aufgaben, in die man sich einarbeiten muss. Das Schönste war für mich, nicht in eine vorgefertigte Struktur zu kommen! Bevor ich in der Paracelsus Klinik anfing, bestand die neurologische Abteilung hier ausschließlich aus einem ambulanten Bereich innerhalb eines MVZ mit Belegbetten. Das gab mir die Möglichkeit, eine neue Haupt­abteilung Neurologie aufzubauen und auch Schwerpunkte zu setzen.
Wir haben z. B. mit den Internisten das einzige interdisziplinäre neurologisch-pulmo­logische Schlaflabor mit 6 Betten aufgebaut. Dort behandeln wir u. a. Patienten mit Restless Legs, die trotz richtiger medikamentöser Einstellung schlecht schlafen. Viele Patienten, die hier untersucht werden, leiden zusätzlich an Atmungsstörungen, die durch die Zusammenarbeit mit den Pulmologen dann sofort mit einer passenden Therapie behandelt werden können. Aufgrund der kontinuierlichen Erweiterung unserer ­Abteilung waren dann auch Neueinstellungen von Oberärzten sowie die Einstellung ­weiterer Assistenzärzte möglich.

 

> Sind Sie eine spezialisierte Abteilung?

Nein, wir behandeln alle neurologischen Erkrankungen: Eine Oberärztin ist z. B. auf Multiple Sklerose spezialisiert, eine andere auf Schlaganfälle. Gleichzeitig bieten wir eine qualitativ sehr gute Versorgung – fast auf universitärem Niveau. Und ohne die Nachteile einer Uniklinik: Die Patienten werden nur von approbierten Ärzten behandelt, jeden Samstag ist Facharzt-Visite bei allen Patienten. Das finde ich fantastisch, und der Erfolg bleibt nicht aus: Unsere Patientenzahlen steigen.

 

> Haben Sie Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen?

Als ich anfing, war es tatsächlich noch nicht so leicht. Inzwischen bekomme ich aber viele Bewerbungen auf Assistenzarztstellen – vielleicht hat sich herumgesprochen, dass wir hier gute Arbeit machen. Ich erwarte aber auch Einsatz und nehme gern Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die motiviert sind und lernen wollen.

 

> Ist diese positive Einstellung auch eine Nachwirkung Ihres Aufenthalts in den USA?

Ganz sicher! Ich habe 3 Semester an der Harvard Medical School in Boston studiert, und damals habe ich ernsthaft überlegt, in den Staaten zu bleiben.

 

> Wie stark spüren Sie als Chefarzt die ökonomischen Zwänge des Klinik­betriebs?

Bisher läuft unsere Abteilung erfreulich gut: Die Behandlungszahlen steigen, und der DRG-Case-Mix stimmt, sodass wir auch wirtschaftlich erfolgreich sind. Wir können sogar einige Extras anbieten, z. B. eine kostenlose wöchentliche ambulante Bewegungs-Therapie für Parkinson-Patienten. Kurz nach Beginn dieses Angebotes nahmen bereits so viele Patienten teil, dass inzwischen eine zweite Gruppe angeboten wird.

 

> Stehen Sie in Konkurrenz zum nah gelegenen städtischen Klinikum?

Insgesamt ergänzen wir uns gut – das Einzugsgebiet ist so groß, dass beide Kliniken viele Patienten haben. Patienten mit Restless Legs kommen sogar aus dem ganzen Bundesgebiet zu uns.

 

> Vor allem in der Schmerztherapie arbeiten Sie sehr interdisziplinär. Wie sieht das konkret aus?

Ich arbeite eng mit dem anästhesiologischen Schmerztherapeuten zusammen, außerdem haben wir Psychologen, Psychiater, Physiotherapeuten und speziell ausgebildete Krankenschwestern im Haus. Für chronische Schmerzen bieten wir eine multimodale Therapie an. Je 8 Patienten sind 2 Wochen stationär und können verschiedene Angebote wahrnehmen: medi­kamentöse Umstellung, psychologische Gespräche allein und in der Gruppe, Yoga, Nordic Walking, Physio- und Kunsttherapie. In Eigenregie können sie TENS – also transkutane elektrische Nervenstimula­tion – oder Moor-Packungen ausprobieren. Was ihnen hilft, machen sie zu Hause weiter.

 

> Sie haben auch bei der „Ice Bucket ­Challenge“ mitgemacht, bei der man sich mit kaltem Wasser begießen lässt und damit die Arbeit der ALS Association unterstützt. Finden Sie Aktionen wie diese nicht zu albern?

Nein – es ist wichtig, diese bösartige Krankheit in das Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen. Die Ice Bucket Challange war aus meiner Sicht eine sehr gute Gelegenheit, über die Amyotrophe Lateralsklerose zu informieren.

 

> Fühlen Sie sich manchmal zerrissen zwischen Klinik, Forschung und Lehre?

Nein, so ging es mir noch nie – auch wenn für das Privatleben wenig Zeit bleibt und ich nur zu etwas Sport komme.

 

> Was sind Ihre beruflichen Ziele für die nächsten Jahre?

Natürlich möchte ich die Abteilung hier weiter ausbauen, z. B. die Stroke Unit. Auch weiten wir das Behandlungsangebot für Parkinson-Patienten weiter aus mit dem LSVT-BIG-Behandlungskonzept durch die Physiotherapie. Außerdem ist unser MVZ von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zertifiziert.
Daneben möchte ich weitere klinische Forschungsprojekte durchführen. So haben wir im vergangenen Herbst mit der Klinischen Neurophysiologie an der Universität Göttingen eine Pilotstudie mit spinaler Gleichstromstimulation als vielversprechende neue nicht medikamentöse Behandlungsmethode für Restless Legs veröffentlicht.

 

> Ist die Neurologie ein Fach mit Zukunft?

Auf jeden Fall! Fachärzte sind schon jetzt Mangelware, das merke ich bei der Besetzung unserer Oberarzt-Stellen. Durch die alternde Bevölkerung werden neurodegenerative Erkrankungen zunehmen – und damit der Bedarf an Neurologen.

 

 

Diese Artikelserie wird präsentiert von den Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH

 

 

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