- Bericht
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- Julia Wilke
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- 08.01.2014
Notaufnahme-Famulatur am Tygerberg Academic Hospital
Julia Wilke wollte unbedingt nach Afrika. Die Voraussetzung: Englisch musste zu den Amtssprachen gehören. Also entschied sie sich für Südafrika und erlebte Spannendes und Kurioses bei ihrer Famulatur in der Notaufnahme am Tygerberg Academic Hospital.
Foto: tpsdave/pixabay.com
Motivation
Schon seit Studienbeginn wollte ich eine meiner Famulaturen im Ausland machen, um die Medizin und die Kulturen in anderen Teilen der Welt kennenzulernen, mein Englisch aufzubessern und das Studium mit Urlaub zu verbinden. Da ich in einem afrikanischen Land mit englischer Amtssprache famulieren wollte, fiel meine Wahl auf Südafrika. Nach einiger Recherche entschied ich mich gemeinsam mit einer Freundin, die auch in Südafrika famulieren wollte, für das Tygerberg Academic Hospital.
Bewerbung
Ich bewarb mich ca. 1,5 Jahre vor dem geplanten Famulaturzeitraum. Aus Erfahrungsberichten erfuhr ich, dass ich mich beim International Office der University of Stellenbosch bewerben musste. Inzwischen ist für die Electives Valerie Dietrichs verantwortlich:
Valerie Dietrichs
International Office Faculty of Medicine and Health Sciences
Stellenbosch University
Francie Van Zijl Drive
Tygerberg 7505
South Africa
Tel.: 0027 (0)21 938 9042
E-Mail: intertyg@sun.ac.za
Auf Anfrage mailte man mir Infos zu Famulaturmöglichkeiten, den Kosten und die auszufüllenden Bewerbungsformulare. Zusätzlich musste ich einen Lebenslauf, einen Letter of Recommendation und eine Bescheinigung über eine Auslandskrankenversicherung einreichen. Den Nachweis über meine Englischkenntnisse (TOEFL/IELTS, Medical English-Kurs) konnte ich später nachreichen. Dafür machte ich den TOEFL in Berlin.
Als dann alles eingereicht war, hieß es Abwarten und Tee trinken. Nach einiger Zeit erhielt ich dann auch die vorläufige und etwas später die endgültige Zusage. Daraufhin füllte ich einige Formulare aus und überwies einen Teil der Studiengebühren.
Man hat im Verlauf der Bewerbung und auch der Famulatur relativ viel mit den Damen des International Office zu tun. Sie haben dort ihre ganz spezielle Art und Weise mit Dingen umzugehen, was uns als Europäer manchmal merkwürdig vorkommt. So erhielt ich nur Antwort auf Mails, die ich während ihrer Arbeitszeit sendete. D.h. letztendlich schickte ich Mails zum Teil drei oder vier Mal ab. Lasst euch davon aber nicht abschrecken. Wenn man mit ihnen freundlich umgeht, dann können sie einem eine große Hilfe sein.
Auch in den Bewerbungsrichtlinien gibt es strikte Regeln, wann man was zahlen muss, und welche Regeln man einzuhalten hat. So ernst sieht das aber niemand. Teilweise bezahlten andere Famulanten erst vor Ort den restlichen Teil der Gebühren.
Kosten
Ich musste für die Famulatur die International Student Levy zahlen, zum Zeitpunkt meiner Famulatur 5450 ZAR (370 € - Stand 1/14) betrug. Diese Gebühr steigt jedes Jahr um ca. 10 %. Dazu kamen 500 ZAR (35 € - Stand 1/14) Affiliation Fee pro Woche für die Abteilung, in der ich famulieren wollte. Den größten Teil der International Student Levy musste ich gleich nach der endgültigen Zusage durch das Krankenhaus zahlen. Den Rest und die Affiliation Fee konnte ich bis drei Monate vor Famulaturbeginn überweisen.
Reisevorbereitungen
Vor meiner Reise schloss ich eine Auslandskrankenversicherung ab. Zudem lies ich mich in der Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten der Uniklinik Rostock reisemedizinisch hinsichtlich Malaria beraten und gegen Typhus, Hepatitis A und Meningokokken impfen.
HIV-Postexpositionsprophylaxe nahm ich keine mit. Die initiale HIV-PEP hält im Notfall das Krankenhaus bereit. Wobei ich allerdings sagen muss, dass die PEP, die ich dort für Notfälle sah, nicht sehr vertrauenswürdig wirkte.
„Gebrauchsanweisung für Südafrika“ von Naters und Lager las ich im Vorhinein, um einen kleinen Einblick in die südafrikanische Kultur zu erlangen. Ich kann das Buch nur empfehlen, da es auch kleine Tipps und Tricks verrät.
Mitzunehmen
Stethoskop, Pupillenleuchte und Reflexhammer muss jeder selbst mitbringen. Zudem ist es nicht schlecht einen Stauschlauch dabei zu haben und in den Fachgebieten, wo Blut spritzen könnte, auch eine Schutzbrille. Um einiges nachlesen zu können, nahm ich das „Oxford Handbook of Clinical Medicine“ von Longmore et al. mit. Das war auch genau die richtige Wahl. Dort ist es eins der Standardwerke. Für jemanden, der auf dem Hinweg nicht so viel tragen und ein wenig Geld sparen will, empfiehlt es sich dieses Buch im Buchladen auf dem Campus zu kaufen. Außerdem hatte ich das Buch „Medizinisches Englisch pocket“ dabei. Es hat mir allerdings nicht so sehr viel geholfen.
Zur Kleiderordnung wurde mir zwar vorher gesagt, dass man in schicker Kleidung erscheinen soll. In der Notaufnahme und der Trauma kann man jedoch alles tragen, was man möchte. So kaufte ich mir dort Scrubs, die man selbstverständlich aber auch aus Deutschland mitbringen kann.
Als Reiseführer hatte ich die englische Version des Lonely Planets „South Africa, Lesotho and Swaziland“ dabei. Dieser Reiseführer war für den Backpacking-Urlaub, den ich im Anschluss machte, perfekt geeignet.
Anreise
Ich buchte meinen Flug schon neun Monate im Voraus und bin auf der Hinreise mit Turkish Airlines von Berlin nach Istanbul geflogen. Von dort ging es mit Zwischenlandung in Johannesburg nach Kapstadt. Auf der Rückreise flog ich mit der gleichen Fluggesellschaft von Johannesburg nach Deutschland. Insgesamt hat der Flug 730 € gekostet.
Eingereist bin ich mit einem Touristenvisum. Zusätzlich sollte man sich bei der Einreise eigentlich einen Stempel auf den Letter of Admission der Uni geben lassen. Das wollte aber niemand vom Immigration Office machen. Letztendlich hat auch niemand vom International Office danach gefragt.
Das Krankenhaus
Das Tygerberg Academic Hospital ist das Uniklinikum der University of Stellenbosch und ein öffentliches Krankenhaus. Es liegt ca. 20 km außerhalb von Kapstadt. Der zentrale Campus der Uni Stellenbosch liegt direkt in Stellenbosch, was wiederum ca. 30 km entfernt ist. Das Krankenhaus ist das zweitgrößte Südafrikas. Bei kompletter Belegung sind dort etwa 1900 Patienten in stationärer Behandlung. Dadurch beherbergt es jede erdenkliche Fachrichtung, sodass eigentlich für jeden das Richtige dabei sein sollte. Auf dem Gelände findet man zudem eine Zahnklinik, die Schwesternschule und die Schule für Paramedics.
Der Campus ist vom Krankenhaus durch Maschendrahtzaun abgetrennt. Dort finden sich dann die Lehrgebäude, das International Office, die Studentenwohnheime und das Studentencenter. Das Studentencenter beherbergt einen kleinen, aber teuren Supermarkt, einen Bücherladen und den Laden, in dem man allerhand medizinischer Gebrauchsgegenstände, wie Scrubs, Stethoskop oder Schutzbrille kaufen kann. Zudem finden sich hier auch ein Briefkasten, Geldautomaten und Fernsprecher. Um für genügend Freizeitbeschäftigung zu sorgen, gibt es auf dem Campus einen Musikraum, ein Fitnesscenter, Tennis-, Squash-, Rugby- und Fußballplätze sowie einen Swimmingpool.
Unterkunft & Verpflegung
Untergebracht sind die internationalen Studenten auf dem Campus in der International Student Lodge. Sie kann 44 Studenten in Ein- oder Zweibettzimmern beherbergen. Die Lodge ist in mehrere WGs unterteilt. Alle WGs haben eine gut ausgestattete Küche – sogar mit Bügeleisen – und zwei Bäder. Waschmaschinen und Trockner gibt es zwar nicht in der Lodge, aber dafür in einem ca. 8 min Fußmarsch entfernten Waschsalon auf dem Campus. Gleich neben der Lodge liegen der Swimmingpool und das Studentencenter. Für das Doppelzimmer, das ich mir mit meiner Freundin teilte, zahlte ich etwa 750 ZAR (50 € - Stand 1/14) wöchentlich.
Verpflegen mussten wir uns selbst. Dafür bieten sich Supermärkte wie Pick‘n’Pay oder Checkers an. Entweder fuhr man mit dem Auto in 20 Minuten zum Canalwalk, einem superschicken Einkaufszentrum, oder in fünf Minuten in das etwas weniger schönere Einkaufszentrum in Parow. Für den „Notfall“ gab es auch den kleinen Supermarkt im Studentencenter. Ein Kantine im Krankenhaus sowie eine Mensa auf dem Campus waren auch vorhanden.
Sprache und Kommunikation
Südafrika hat elf Amtssprachen, darunter auch Englisch. In jeder Ecke wird eine andere dieser Sprachen gesprochen, aber alle Südafrikaner können in der Regel Englisch. In Kapstadt und Umgebung, sowie auch im Krankenhaus wird neben Englisch vor allem Afrikaans gesprochen. Im Krankenhaus sind auch alle Hinweisschilder sowohl auf Englisch als auch auf Afrikaans.Vom Dialekt her kann einem in ganz Südafrika alles begegnen. Das ist aber eigentlich nie ein Problem gewesen, weil ich im Krankenhaus immer mit anderen Studenten zusammen war und es immer jemanden gab, der es verstand.
Zur sprachlichen Vorbereitung machte ich einen Medical English-Kurs am hiesigen Sprachenzentrum. Man kommt zwar auch mit Schulenglisch weit, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dank dieses Kurses wesentlich mehr verstehen und besser kommunizieren konnte als vorher.
Um untereinander und auch mit anderen Studenten kommunizieren zu können, kaufte ich mir gleich am Flughafen SIM-Karten von Vodacom – dieser Anbieter hat wirklich günstige Tarife.
Ankunft
Nachdem ich gut in Kapstadt gelandet war, ließ ich mich mit einem der offiziellen Flughafen-Taxis zum Campus bringen. Dort wurde ich gleich von einem anderen „International“ (der Gegensatz dazu sind die Einheimischen, die „Locals“) aufgegabelt, zu meinem Zimmer gebracht und einigen anderen Internationals vorgestellt. Man führte mich auch gleich zum International Office, wo ich meine Student-ID erhielt. Die Student-ID braucht man um durch die vielen verschlossenen Türen zu kommen, die es auf dem Campus gibt. Neben der ID bekam ich viele nützliche Infos und musste ein wenig Papierkram erledigen. Das International Office ist auch der Ort, an dem wir uns an unserem ersten Arbeitstag getroffen haben und dann von einer der Damen zur Station gebracht wurden.
Die Famulatur
Ich famulierte in der Notaufnahme. Als Notaufnahme-Famulant hat man hauptsächlich auf den Stationen F1 und D1 zu tun. D1 ist die Trauma-Aufnahme und F1 ist für alle nicht-chirurgischen Fälle außer Gyn und Pädiatrie verantwortlich. Studentenverantwortliche der Notaufnahme ist Dr. Melanie Stander. Sie ist es auch, die die Studenten an ihrem ersten Tag in der Notaufnahme in Empfang nimmt und einweist. Sie und das ganze Notaufnahme-Team sehen die Arbeitszeiten nicht sehr streng. Man kann kommen und gehen wann man möchte. Einige der Internationals fingen zum Teil um drei Uhr nachts an zu arbeiten. Das Team animierte mich eher auch etwas von dem Land zu erkunden und die Menschen kennenzulernen. Es gilt: Wenn man arbeiten und lernen möchte, ist das schön und jeder freut sich drüber. Wenn man jedoch nicht will, ist das auch kein Problem.
Morgens um 8 Uhr beginnt der Tag auf D1 und F1 mit der Visite. Auf der F1 machte ich danach meist erst einmal die Blutabnahmen, BGAs, EKGs usw. Falls eine LP anstand war ich immer willkommen, dies unter Aufsicht und Anleitung selbst zu versuchen. Im Anschluss konnte ich mir eine Akte schnappen und den Patienten voruntersuchen, meine Ergebnisse schriftlich festhalten, erste DDs stellen und weitere Diagnostik vorschlagen. Anschließend stellte ich einem Arzt den Patienten vor, der das Ganze komplettierte und ein kleines Teaching zum Thema mit mir machte.
Die D1 wird von den Notfallmedizinern zusammen mit den Traumatologen geführt. Morgens um 8 Uhr treffen sich auch hier alle um zunächst die Patienten in der „Resuscitation Area“ und dann die restlichen Patienten zu visitieren. In der Trauma-Notaufnahme ist man als Student hauptsächlich für das Nähen verantwortlich, was auch in der Regel ohne ärztliche Aufsicht gemacht wird. Natürlich ist aber im Notfall immer jemand da, der einem helfen kann. Dadurch bekommt man eine sehr gute Routine darin. Aber auch hier kann man sofern gerade niemand zu nähen ist, selbstständig Patienten aufnehmen und danach vorstellen.
Auf der D1 sieht man die krassesten Sachen: Von sog. „Community Assaults“ (Selbstjustiz des Townships) über Massenkarambolagen und Autounfällen bis hin zu Schuss- und Stichverletzungen. Sowohl auf F1 als auch D1 lernt man Untersuchungsmethoden kennen, die hier in Deutschland gar nicht mehr angewendet werden. So sollte ich beispielsweise mal einen Patienten mit multiplen Lazerationen auf dem Kopf nähen. Es bestand der Verdacht auf eine Schädelfraktur. Allerdings war die Indikation für ein Schädel-CT noch nicht gegeben. Also wurde ich von der Ärztin aufgefordert einfach mal meinen Finger – wahlweise auch eine Pinzette – in die Wunde zu stecken und nach einer Fraktur zu fühlen!
Das Teaching ist im Vergleich zu Deutschland echt super. Auf der D1 war es zwar davon abhängig, welcher Arzt gerade Dienst hatte, aber die meisten versuchten sich immer ein wenig Zeit für die Studenten zu nehmen – auch wenn die Luft gerade brannte. Unterrichtet wurde über das, was gerade so an Fällen da war. Dienstags morgens gibt es auf der D1 eine radiologische Fortbildung und immer freitags ist die „Academic Ward Round“, in der drei Fälle präsentiert und bis ins kleinste Detail besprochen werden, wobei auch gern vorklinische Themen aufgegriffen werden. Ein Fall wird von einem Facharzt und zwei Assistenten vorgestellt. Einer der Assistenten erfährt erst kurze Zeit vorher, welchen Patienten er oder sie schnell anamnestizieren, untersuchen und dann vorstellen muss. Dies solltet ihr auf gar keinen Fall verpassen, denn es ist super lehrreich.
Außerdem haben die Studenten der Trauma-Abteilung jeden Vormittag ein Teaching. Auch daran kann man gern teilnehmen Als Notaufnahme-Famulantin hatte ich, im Gegensatz zu allen anderen, auch die Möglichkeit nach einer Sicherheitseinweisung mit dem Krankenwagen herauszufahren. Im Vergleich zu Deutschland ist alles im Krankenhaus sehr anders. In ersten Tagen bekommt man einen regelrechten Schock, wenn man sieht, unter welchen Zuständen dort Patienten behandelt werden. Nehmt euch trotzdem Zeit es kennenzulernen. Man gewöhnt sich an einiges und am Ende möchte man fast nicht mehr weg.
Land und Kultur
Südafrika ist ein unglaublich vielfältiges Land. Dies beginnt schon bei der Natur, die im Süden bei Kapstadt total grün ist und im Norden bei Johannesburg und Pretoria sehr trocken, und endet bei der Bevölkerung, die aus vielen verschiedenen Stämmen besteht.
Im Anschluss an meine Famulatur reiste ich mit Freunden mit dem BazBus, einem Backpacking-Bus, der von Kapstadt bis nach Johannesburg/Pretoria fährt, durch das Land. Dies war nicht nur Urlaub für mich, sondern ich konnte dadurch einen tieferen Einblick in Südafrikas bewegte Geschichte und Kultur erhalten. Unterwegs machte ich eine Fahrradtour von einer der ältesten Tropfsteinhöhlen der Welt zur Straußenstadt Oudtshorn, wanderte durch wunderschöne Natur im Robberg Nature Reserve bei Plettenberg Bay, machte meine ersten Safaris im Addo Elephant Park und dem Kruger National Park und lernte viel über die Geschichte Südafrikas in Johannesburg und Pretoria.
Fazit
Es war eine der besten Famulaturen, die ich je gemacht habe. Ich entwickelte mich dort sowohl medizinisch als auch persönlich ein Stück weiter. Außerdem ist Südafrika ein wunderschönes Land und hat Lust nach mehr gemacht. Ich kann nur jedem raten dort zu famulieren.