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  • Bericht
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  • Marlene Thielecke
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  • 05.11.2015

Chirurgie-PJ im Senegal

Mit der Entscheidung, für das Chirurgie-Tertial in den Senegal zu gehen, erhoffte Marlene sich vielseitige Einblicke in die Chirurgie und gute „Mitmach-Möglichkeiten“ als PJler. Wurden ihre Wünsche erfüllt?

Warum Senegal?

Mein erstes PJ-Tertial im Fach Chirurgie habe ich im Senegal im Hȏpital Principal de Dakar (HPD) gemacht. Ich war bereits viele Male zuvor in afrikanischen Ländern (für Famulaturen, für Feldstudien im Rahmen meiner Doktorarbeit) – besonders Gambia kannte ich bereits gut. Ich wollte die Gunst des „Noch-Studentin-Seins“ nutzen und noch einmal eine längere, intensive Zeit in Westafrika, in Reichweite von Gambia sein. Außerdem graute es mir vor einem „klassischen“ Chirurgie-Tertial in Deutschland, wo man als PJler nach dem Motto „Hacken, aber Klappe halten“ lebt. Mit meiner Entscheidung in den Senegal zu gehen, erhoffte ich mir vielseitige und interessante Einblicke in die Chirurgie und bessere „Mitmach-Möglichkeiten“ als PJler.

Vor Abreise

Um euer PJ im HPD abzuleisten, nehmt ihr am besten Kontakt per Email mindestens 6 Monate vor PJ-Beginn auf mit Khoudia Gueye (cfhpd@yahoo.fr). Sie ist die Sekretärin des Lehrbüros und wird euch relativ zügig antworten, wie ihr weiter vorgehen müsst. Ich musste dann eine Bewerbung per Post nach Dakar schicken und habe auch meine Bestätigung per Post zurückbekommen. Also kümmert euch früh genug um eine Anfrage! Vor Ort wird sich dann alles Weitere regeln.

Um den Flug und eine Auslandsversicherung (ADAC hat gute Konditionen) habe ich mich ca. 2 Monate vorher gekümmert. Ebenso um mein Visum, das man online über die Botschaft beantragen muss. Man bekommt zunächst immer nur ein Visum über 3 Monate. Da ich aber insgesamt 4 Monate im Senegal war, habe ich von Dakar aus einen neuen Antrag gestellt, kurz bevor das alte Visum ablief. Dafür bin ich mit einer PJ-Bescheinigung vom HPD, meinem bereits gebuchten Rückflugticket und einem Passfoto zum Flughafen gefahren. Dort ging es dann sehr problemlos und ich bekam ein zweites Visum für 3 Monate.

Krankenhaus

Ich habe das Tertial im Hȏpital Principal de Dakar (HPD) in Senegals Hauptstadt absolviert. Das Krankenhaus befindet sich im Stadtzentrum – am südlichsten Ende der Halbinsel in einem relativ schicken Stadtviertel, welches von Geschäftsgebäuden, Botschaften, Hotels und Instituten dominiert wird. Das Krankenhaus besteht aus mehreren kleineren Gebäuden, das Gelände ist schön angelegt mit vielen Grünflächen.

Innenhof des Hôpital Principal de Dakar
Fotos: Marlene Thielecke


Es handelt sich um ein ehemaliges Militärkrankenhaus, welches vor noch 20 Jahren unter großem französischem Einfluss stand. Die meisten dort arbeitenden Ärzte sind nach wie vor vom Militär (vor allem die Chirurgen und die OP-Pfleger), aber mindestens die Hälfte der dort Angestellten ist mittlerweile zivil.

Das Hȏpital Principal zählt zu den besten Krankenhäusern Senegals mit dem höchsten Standard, was diagnostische und therapeutische Mittel sowie Hygiene und Pflegesituation angeht. Dies kann ich durch persönliche Erfahrungen bestätigen: Ich bin während meines Medizinstudiums bereits einige Male zuvor in afrikanischen Ländern gewesen und kenne daher Krankenhäuser in Gambia, Zimbabwe, Madagaskar, Kenia, Äthiopien und Tansania – das Hȏpital Principal ist mit Abstand das Krankenhaus mit dem höchsten Standard, welches ich in Afrika kennengelernt habe. Allerdings ist es auch das teuerste Krankenhaus Senegals. In dem hohen Preis sind die meisten der Medikamente und Mahlzeiten für die Patienten inbegriffen.

Blick von der Terasse der Mensa, in der üblicherweise nur die Chef- und Oberärzte anzutreffen waren


Das Hȏpital Principal ist ein Lehrkrankenhaus der Université Cheikh Anta Diop de Dakar (UCAD), das auch regulär Studenten der Uni ausbildet, jedoch kein Universitätskrankenhaus. Dies stellte sich leider noch als Problem heraus, als es darum ging, eine Bestätigung der Universität darüber zu bekommen, dass das Hȏpital Principal zur Ausbildung von Medizinstudenten befähigt und befugt ist (in Form eines Stempels und Unterschrift des Verantwortlichen für die Immatrikulation: Mr. Diatta auf dem Campus der Fakultät). Ohne diese Bestätigung hätte meine Heimat-Universität das Krankenhaus nicht für mein PJ-Tertial akzeptiert. Die UCAD weigerte sich aber zunächst, mir den Stempel plus Unterschrift zu geben, mit dem Argument ich wäre dort nicht als Studentin eingeschrieben und hätte weder in der theoretischen noch in der praktischen Ausbildung etwas mit der Uni zu tun. Letztendlich bekam ich die Bestätigung nur nach einigen hartnäckigen Versuchen und der Hilfe des Chirurgie-Professors Prof. Modeste des HPD.
Selbst wenn also eure Uni in Deutschland das HPD in Dakar als Lehrkrankenhaus akzeptiert, kann es im Senegal zu Problemen der Anerkennung kommen. Alternativ könnte man sein PJ auch in einem der drei Universitätskrankenhäuser ableisten. Mit den administrativen Schritten im Senegal wäre es dann viel einfacher und sicherer – und die anderen Krankenhäuser müssten in eurer deutschen Uni auch akzeptiert werden. 

Während meines PJs hatte ich die Gelegenheit, das Hȏpital Fann für eine Woche kennenzulernen. Ich war dort auf der Station der „Maladies Infectieuses“, die durch den einmaligen Ebola-Fall im Senegal berühmt geworden war. Das Hȏpital Fann hat im Gegensatz zum HPD kaum Mittel, die Patienten, die dort liegen, haben noch weniger Mittel und müssen sich jede einzelne Infusion vorher selbst in der Apotheke kaufen. Über jede Blutentnahme und ihre diagnostische bzw. therapeutische Bedeutung und Konsequenz wird diskutiert – da es oftmals einfach zu teuer für die Patienten wird. Noch nie habe ich so überfüllte Visiten gesehen, selbst im Fernsehen nicht. Auf einer Station mit 6 Kranken waren 40 Medizinstudenten! Es glich mehr einer Party als einer Visite… Allerdings werden die Studenten im letzten Jahr sehr gefordert, müssen Patienten betreuen und werden täglich mündlich geprüft. Hinsichtlich der theoretischen Lehre hat mir das Hȏpital Fann gut gefallen.

Mein PJ

Ich bin während meines Chirurgie-Tertials auf vier verschiedene Stationen rotiert. Zunächst war ich vier Wochen im OP, was sich entgegen meiner Erwartungen als eine super Erfahrung herausstellte. Ich konnte dort machen und sehen, was ich wollte. Keiner verpflichtete mich zu irgendetwas (z. B. Haken halten), ich durfte aber fast alles machen. Irgendwann kannte ich alle Chirurgen und alle OP-Pfleger und konnte immer fragen, wenn ich bei einer OP mitmachen wollte. Ich war viel bei den OPs der Viszeral-Chirurgen und Gynäkologen. Mein Ziel während des Monats im OP Nähen zu lernen, konnte ich zufrieden erreichen.

Danach war ich 2 Wochen auf der chirurgischen Intensivstation, wo es etwas ruhiger zuging, ich aber die Zeit gut nutzen konnte, um die Patienten gut kennenzulernen und zu verstehen.

Anschließend war ich 2 Wochen auf der Notaufnahme, wo es umso hektischer und chaotischer zuging. Einige Male war ich in den Aufnahmenkabinen, die restlichen Tage war ich im „Übergangsbereich“, wo die Patienten für ein paar Stunden bis ein paar Tage bleiben. Dort hatte ich Schwierigkeiten, meinen Rhythmus zu finden, vieles habe ich nicht verstanden, weil es einfach zu schnell ging bzw. ich die Sprachen nicht verstand. Und ich habe einige krasse, erschreckende und traurige Geschichten mitbekommen.

Die längste Zeit (6 Wochen) war ich am Schluss auf der Station der Viszeralchirurgie (SOHIER) unter der Leitung von Prof. Modeste und dem Oberarzt Dr. Fall. Es war eine super Zeit zusammen mit 4 anderen Studenten im letzten Jahr aus Dakar. Wir teilten uns die Patienten untereinander auf und machten eigentlich alles an Stationsarbeit, was normalerweise Assistenzärzte machen würden. Die insgesamt 4 Ärzte der Station waren die meiste Zeit im OP beschäftigt, einer von ihnen nahm sich aber normalerweise den Morgen Zeit, um die Visite mit uns zu machen. Ca. einmal die Woche machten wir die Visite sogar alleine. Montags und freitags gab es die Chefarztvisite, was auch im Sinne der Lehre stattfand. Prof. Modeste prüfte uns anhand der Patienten und gab uns zum Teil gesonderte „Hausaufgaben“ in Form von Montags-PowerPoint-Präsentationen auf. Einmal die Woche fand zudem eine Versammlung aller Chirurgen statt, um Fälle zu diskutieren und Vorträge anzuhören. Auch die Studenten mussten dort Vorträge halten (glücklicherweise bin ich drum herum gekommen!).

Der Haupteingang des Hôpital Principal de Dakar


Auf allen Stationen herrschte eine sehr angenehme, kamerad- bzw. freundschaftliche Stimmung. Zwar gab es unter den Militär-Medizinern eine klare hierarchische Ordnung, doch störte das im alltäglichen Zusammenarbeiten kein bisschen. Ich habe noch nie zuvor so ein Verständnis von Zusammenarbeit und Zusammenhalt kennengelernt wie in diesem Krankenhaus. Egal mit wem man zu tun hatte, immer hieß es „on est ensemble“ = wir halten zusammen. Das Wechseln der Station hatte ich mir vor Ort so ausgesucht und mit dem Verantwortlichen der „Formation Cellule“ abgesprochen.

Ich habe während meines PJs keine Vergütung bekommen, es wurde mir keine Arbeitskleidung gestellt (außer natürlich die OP-Kleidung), ich habe weder Essen umsonst oder vergünstigt noch eine Unterkunft gestellt bekommen. Auch Studientage gab es nicht, es war aber nie ein Problem, wenn ich mal früher gehen wollte. Ein normaler Arbeitstag für mich ging ca. von 09:00 bis 16:00 Uhr. Außerdem war es nicht nötig sich bei der Universität Dakars zu immatrikulieren und Studiengebühren zu zahlen.

Dakar

Dakar ist eine sehr volle, trubelige, europäische und teure Stadt, in der man alles bekommen kann, was man braucht. Mein Leben in Dakar war letztendlich teurer als mein Leben in Berlin, was vor allem an der Abhängigkeit von Taxifahrten liegt. Es gibt zwar ein relativ gutes Bussystem mit 3 verschiedenen Busarten, allerdings hatte ich oftmals weder die Nerven noch die Zeit 2 Stunden nach Feierabend im Verkehrschaos zu stecken, da die Busse leider immer die Straßen fuhren, die am meisten vom chronischen Stau verstopft waren.

Ich mochte die 4 Monate in Dakar sehr, vor allem das reiche Angebot an Konzerten, Veranstaltungen, Aktivitäten… Dazu die unmittelbare Nähe zum Meer! Langweilig wurde mir nie, ich hatte immer etwas vor und ich fühlte mich immer sicher. Das, was mich wirklich anstrengte und nervte, war der gefährliche und immer verstopfte Verkehr.

Deshalb ist zu empfehlen sich eine Unterkunft zu suchen, die nicht zu weit vom Krankenhaus entfernt ist. Zum Beispiel besteht immer auch die Möglichkeit, in den Studentenwohnheimen der Krankenhäuser unterzukommen (2 Wochen habe ich im Hȏpital DANTEC gewohnt, welches 5 Minuten zu Fuß vom Hȏpital Principal entfernt liegt), was günstig, wenn auch nicht immer sehr gemütlich und geräumig ist. Leider sind Wohnungen bzw. Zimmer im Stadtzentrum (au Plateau) wahnsinnig teuer (ca. 400-500 Euro/Monat). Die Stadtteile „Fann“ oder „Fass“ bieten sich an, da sie relativ zentral liegen, aber bereits günstiger sind und außerdem in unmittelbarer Nähe zur Uni liegen. Über die Internetseite des Goethe-Instituts in Dakar gibt es immer Hinweise und Adresse zu erschwinglichen Unterkünften. Einmal im Monat gibt es ein „Deutsch-Treffen“ – das Goethe-Institut verschickt den entsprechenden Newsletter, was einem immer zu hilfreichen Kontakten verhelfen kann.

Reiseziele im Senegal

Um Senegal wirklich kennenzulernen muss man Dakar verlassen und sich ins Umland begeben. Kleine Ausflugsziele in unmittelbarer Stadtnähe sind Ile de Gorée (ein historisch schwerer und wichtiger sowie sehr schöner Ort), Ile Ngor (eine Surfer-Bade-Insel) und Lac Rose (bei günstiger Wetterlage ein rosa-leuchtender Salzsee mit kleiner Sandwüste nebenan).

Größere Ausflugziele sind die ehemalige Hauptstadt Saint Louis an der Nordküste Senegals, die wunderschön ist und eine echte Erholung darstellt, und Ziguinchor im südlichen Casamance. Dort bekommt man noch einmal einen ganz anderen Eindruck vom Land– alleine die Anfahrt mit dem Schiff Dakar – Zinguinchor durch die Mangroven-Wälder lohnt sich!

Für diese Reisen und Ausflüge bietet es sich an ein „7-places“-Auto zu nehmen, was wie ein Bus funktioniert, aber zwischendrin nicht anhält, weshalb man relativ schnell vorankommt. Sie fahren vom Gare routière in Pikine, Dakar ab.

Alles Weitere gibt’s über den Reiseführer, den man sich auf jeden Fall mitnehmen sollte.

Fazit

Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man sein PJ wohl in einem der drei Universitätskrankenhäuser machen, wo man bestimmt sehr viel lernen und sehen kann. Allerdings wird man dort die Medizin spärlicher erleben als sie eigentlich möglich wäre, was sicherlich frustrierend sein kann. Auf der anderen Seite zählen dort Anamnese (auf Französisch und Wolof) und körperliche Untersuchung mehr. Mir wurde gesagt, dass die Universitätskrankenhäuser mehr Wert auf theoretischen Unterricht legen, während das Lehrkrankenhaus HPD praxisorientierter ist und seine Studenten und Assistenzärzte mehr ins kalte Praxis-Leben wirft. Studenten im letzten Jahr machen dort oft bereits die Arbeit von Assistenzärzten.
Ich bin wahnsinnig froh um meine Chance das Chirurgie-Tertial im Senegal gemacht zu haben! Ich hatte eine sehr gute Zeit in Dakar – richtig gerne bin ich dort ins Krankenhaus gegangen und war am Ende sehr traurig, mich von meinen Freunden und Bekannten verabschieden zu müssen.

Da ich Gambia durch 4 vorige Aufenthalte bereits sehr gut kannte (das vom Senegal umschlossene „Wurmland“, das sich kulturell kaum vom Senegal unterscheidet), war mir Senegal bereits sehr früh vertraut.

Die größte Herausforderung für mich war Französisch, selbst wenn ich bereits 8 Monate zuvor in einem anderen frankophonen Land gelebt hatte. Und selbst mit Französisch kam ich manchmal nicht weiter – dann konnte ich mit den Patienten gar nicht kommunizieren. Um einen angenehmen Einstieg in Dakar zu haben, sollte man also bereits über gute Französischkenntnisse verfügen. Außerdem sind alle Senegalesen hocherfreut, wenn man sich um ein bisschen Wolof bemüht, die Volkssprache, die in der Region Dakar am meisten gesprochen wird. Es gibt dazu zum Beispiel ein empfehlenswertes Lehrbuch vom Verlag „Kauderwelsch“.

Bei Fragen gerne eine Email an Marlene Thielecke: marlene.thielecke@googlemail.com
Heimatuniversität: Charité Universitätsmedizin Berlin

 

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