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  • Ina Sonntag
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  • 29.01.2008

Meine Famulatur in Warschau

Ina famulierte in Warschau. Viel dazu gelernt hat sie dabei nicht - aber dafür hat sie eine tolle Zeit gehabt.

 

Altstadt-Markt in Warschau - alle Fotos von Ina Sonntag

 

Die Anreise

Der Berlin-Warschau-Express braucht ca. sechs Stunden, muss vorher gebucht werden und kostet um die 26 Euro/Fahrt. Die Fahrt vergingen sehr schnell und am Bahnhof wartete schon Agnieszka auf mich. Ich hatte ein wenig Zeit, um mich im Hotel etwas einzurichten. Anschließend fuhren wir ins Einkaufszentrum, welches nur eine Busstation entfernt lag und noch ein beliebtes Ziel von Nachmittagsausflügen werden sollte.
Den nächsten Tag hatte ich Zeit für einen ersten Ausflug in die wunderschöne Altstadt. Am Abend lernte ich meine italienische Mitbewohnerin kennen, die ich unsanft aus dem Schlaf riss, als ich um Mitternacht ins Zimmer stürmte.

 

Alltag...

Der darauffolgende Tag (Montag) führte mich und die stetig wachsende Gruppe (die letzten trafen am Dienstag ein) zuerst ins Dekanat zur Registrierung, da die medizinische Akademie ein "Stipendium" vergibt, von dem jeder Student 70 Zloty erhält. Danach stellte man uns unsere verantwortlichen Ärzten vor. Ich wurde auf die gastroenterologische Chirurgie mit einer finnischen und einem portugiesischen Studenten eingeteilt. Wir erhielten den Code für den OP und die Anweisung "da einfach hinzugehen" und uns alles anzuschauen. In der ersten Woche kamen wir noch um acht, um bei der Morgenvisite mitzulaufen. Aber da wir nichts verstanden und niemand Zeit (oder Lust?) hatte zu übersetzen trudelten wir ab der 2. Woche gegen dreiviertel neun ein, um mit unserem Doktor das OP-Programm durchzusprechen. Anschließend gingen wir uns umziehen und suchten eine oder zwei interessante OP aus. Der Tag endete je nachdem ob wir etwas sehen konnten oder nicht gegen 11 bis 13 Uhr. Meistens suchten wir hinterher die Kantine auf.
Der Rest des Nachmittags wurde für Ausflüge oder Besichtigungen genutzt. So besuchten wir das Warschauer Schloss, den Lazienki-Park, den Zoo, das Stadion (ein riesengroßer Trödelmarkt, allerdings sollte man nur mit einer polnischen Begleitperson hingehen, da es da nicht immer legal zugeht), die Universitätsbibliothek (die einen schönen Garten auf dem Dach hat) und zahlreiche Museen und Kirchen.
Abends wurde das Warschauer Nachtleben unsicher gemacht. Es gab ein "International Dinner" mit den (Lieblings)Gerichten aller Studenten. Die permanente Müdigkeit kam also nicht vom harten Arbeitstag sondern eher vom erschöpfenden Freizeitprogramm.

 

International Dinner

 

Wochenende!

Das Wochenende wurde für Ausflüge nach Krakau und Danzig genutzt. Dafür nahmen wir uns den Freitag davor bzw. Montag danach frei – unsere Professoren hatten nichts dagegen. Sie betätigten sich eher noch als Fremdenführer und empfohlen sehenswerte Ausflugsziele. So bieten sich in der Nähe von Krakau das KZ Auschwitz, eine große Salzmine (Wieliczka) oder ein Nationalpark als Auswahlmöglichkeiten an. Von Danzig aus lohnt sich die Fahrt nach Marienburg, der größten Backsteinfestung der Welt, die einst dem Deutschen Ritterorden gehörte.

 

Fakten A-L

Anästhesisten:

Sie sind meist gesprächiger als die Chirurgen und sprechen unter Umständen auch besser Englisch. Außerdem haben sie zwischendurch etwas Zeit (wenn sie nicht gerade mit ihrem Handy oder dem der Operateure beschäftigt sind). Bei Fragen kann man sich also vertrauensvoll an sie wenden; oft erhält man erstaunliche Informationen über Art, Methode oder Fortschritt der OP.

Entfernungen:

Das Wohnheim liegt ungefähr 20 Minuten vom Bahnhof und 25 Minuten vom Krankenhaus entfernt; zur Kantine (in der Nähe des Bahnhofs) waren es vom Krankenhaus ca. 5 Minuten. Am günstigsten war immer die Busverbindung, nur ist es sehr einfach, bei dem großen Liniennetz die Übersicht zu verlieren. Deshalb empfiehlt es sich, immer einen Spickzettel mit den "brauchbaren" Busnummern eingesteckt zu haben.

Fahrkarten:

Innerhalb von Warschau gibt es ein City-Ticket für 30 Tage, das ermäßigt 34 Zloty kostet. In Warschau gibt es zwei Arten von Ermäßigung: ulgowy 48% für Studenten mit ISIC Card und ulgowy 50% für Studenten mit einem polnischen Studentenausweis. In den anderen polnischen Städten wird meistens die ISIC Card nicht akzeptiert, genauso bei der PKP (polnische Eisenbahngesellschaft), und man muss die normalen Fahrkarten kaufen! Die Preise sind erträglich, die Strecken Warschau-Krakau/Danzig kosten ungefähr 70 Zloty/Fahrt. Man sollte auf die Kennzeichnung der Züge achten: Bummelzüge sind am billigsten und schwarz gekennzeichnet; Schnellzüge und Express rot. Je nachdem welcher Zug gewählt wird, ist auch eine kostenpflichtige Reservierung nötig (R). Die Fahrscheine sind nur für den jeweiligen Zug (Express oder Schnellzug) oder in einer bestimmten Zeitspanne gültig (6-12; 12-6 und 6-24 Uhr).

Garderoben:

Es ist sehr oft üblich, die Sachen an Garderoben abzugeben. In Museen ist der Service kostenlos, in Lokalen oder Clubs kostet es 1 Zloty. Im Krankenhaus gibt es (abschließbare) Zimmer auf der Station, wo man sich umziehen und Sachen deponieren kann.
Geschäfte: Die großen Supermärkte haben in Mo-Sa 8-10 und So 10-8 Uhr geöffnet. Es gibt an vielen Stellen auch 24h-Geschäfte. Einige (deutsche) bekannte Ketten mit ähnlichem Angebot sind real, Rossmann, H&M, orsay, New Yorker u.a.

Handys:

Mobiltelefonieren ist der letzte Schrei. Selbst im OP werden Gespräche angenommen oder getätigt (der Anästhesist darf dann "Halter" und "Wähler" spielen). Am Kiosk oder im Shop kann man PrePaid-Karten erstehen und günstiger im polnischen Netz telefonieren. Es gibt vier Anbieter: Era, Plus Gsm, Idea und Heya. Am billigsten ist Heya (Karte 20 Zloty, eine SMS 15 Groszy, eine Minute telefonieren 30 Groszy). Nachladekarten können am Kiosk oder in fast allen Märkten gekauft werden.

Internet:

In der Nähe der Kantine gab es eine Bibliothek der Akademie, in der wir einen kostenlosen Internetzugang nutzen konnten. Ansonsten gibt es zahlreiche Internet-Cafés, die man für einen kleinen Obolus nutzen kann.

Kosten:

Für Lebensmittel bezahlt man nur halb so viel wie in Deutschland. Auch Kleidung und CDs sind wesentlich billiger. Allerdings gibt es auch teure Plätze, besonders in und an touristischen Hochburgen kann der Kaffee preislich bis auf 3 € klettern (kostet sonst nur 1,50 €).

Krankenschwestern:

Polnische Pflegekräfte sprechen im Allgemeinen kein Wort Englisch und man kann sich nur mit Händen und Füßen verständigen. Die Oberschwestern sind normalerweise das, was man unter einem "Drachen" versteht. Also geht ihnen lieber aus dem Weg, sie gehen selbst mit den Ärzten nicht zimperlich um.

Langfinger:

Man sollte immer auf der Hut sein. Besonders in Krankenhäusern, auf belebten Plätzen oder in oft von Touristen genutzten Verkehrsmitteln (Busse vom oder zum Bahnhof/Flughafen!) werden gerne Sachen gestohlen. Am besten ist es, die (Wert)Sachen am Körper zu tragen oder in der Garderobe abzugeben.

 

Fakten M-Z

Mittagessen:

Es gab Essenmarken. In unserem Fall von der Kantine des Verkehrsministeriums, in der von 11 bis 17 Uhr eine warme Mahlzeit gegessen werden konnte. Die polnische Küche ist aber nicht jedermanns Sache, also empfiehlt es sich bekannte Dinge zu sich zu nehmen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Lieber Gerichte in einem Restaurant probieren oder bei Nichtgefallen in bekannten Fast-Food-Ketten dinieren. Kleinere Snacks gibt es an jeder Ecke, besonders belegte Baguettes (spezielle polnische mit dem Namen Zapiekanki) oder andere (süße) Backwaren. Einfach testen!

Museen:

Viele Museen bestehen aus nur 1 oder 2 Räumen, aber dafür gibt es reichlich davon und der Eintritt ist nicht der Rede wert (ulgowy 1-5 Zloty). Große und imposante Museen sind die Nationalmuseen (hat eigentlich jede Stadt) oder historische Museen. Die schlagen dann etwas teurer zu Buche. Die meisten Ausstellungen sind montags geschlossen! Die meisten Museen haben einen Tag, an dem der Besuch kostenlos ist, bevorzugt Sonntag oder Donnerstag!

Nachtbusse:

Ab halb 12 Uhr nachts verkehren Nachtbusse vom Zentralen Busbahnhof. Alle halbe Stunde verlassen alle Linien die Station und fahren (unterschiedliche Strecken) zu zwei Endpunkten. Deshalb vor der Abfahrt die Nummer und Richtung überprüfen! Zum Glück hielt eine Linie fast genau vor unserem Wohnheim. Es ist nicht ratsam, alleine die Nachtbusse zu nutzen, da es in ihnen von Betrunkenen und anderen nicht ungefährlichen Personen wimmelt. Wenn man dann noch eine Fremdsprache spricht, zieht man schnell die Aufmerksamkeit auf sich, die man lieber vermeiden sollte. Vor der Haltestelle muss man den Knopf über der Tür drücken, sonst fährt der Bus durch!

OP-Sitten:

Am Eingang gibt es grüne Wäsche oder Einmal-Anzüge (alles in XXL) und Haube. Die Frauen bekommen sehr kleidsam geschnittene Kleidchen, die wir öfter reklamieren mussten, da sie manchmal Löcher oder Schlitze an ungünstigen Stellen hatten. In der "Schleuse" stülpt man sich dann noch Überzieher aus Papier oder Plastik über die Schuhe. Das alles gilt natürlich nur für Studenten, die Ärzte kommen grundsätzlich mit ihren Stationsschuhen. Die Maske wird erst direkt vor dem Saal aufgesetzt; man sollte sich nicht darüber wundern, wenn einige Schwestern diese nur über dem Mund tragen oder nur so davor halten - aber nicht nachmachen! Grundsätzlich darf man sehr nahe an das sterile Feld heran, oft ist es erlaubt, "Bauch-an-Rücken" mit dem Operateur zu stehen. Die "Blut-Hirn-Schranke" wird generell niedrig gehängt, sodass auch da ein guter Blick über das OP-Feld zu erhaschen ist.


Polnische Gerichte:

Bitte nichts probieren, was ihr nicht identifizieren könnt! Ansonsten sind Pieroggen, Barszcz und Bigos zu empfehlen.

 

Sprache:

In den großen Städten mit hohem Touristenaufkommen wird Englisch gesprochen, in der Nähe der deutschen Grenze auch deutsch. Allerdings kann es am Bahnhof schon einmal schwierig werden (selbst am International-Schalter), dann hilft nur noch nach einem dem Englischen mächtigen Menschen suchen… Im Krankenhaus spricht das Pflegepersonal überhaupt kein Englisch (eine englischsprechende Krankenschwester ist wie ein 6er im Lotto) und die Ärzte tun sich sehr schwer damit – ich habe nicht herausfinden können ob sie nicht können oder wollen, wahrscheinlich ist: Diejenigen die es können, wollen nicht.


Taxis:

Auf Taxis sollte man zurückgreifen, wenn man abends allein unterwegs ist. Die Preise bewegen sich zwischen 4,50-6 Zloty Grundpreis (je nachdem welche Tageszeit/Tag) und 1,30-2,00 Zloty pro Kilometer. Die Tarife sind am hinteren Fenster angebracht. Nur registrierte Taxis benutzen, diese haben das Wappen der Stadt auf der Seite - die Meerjungfrau mit dem Schwert - und eine Registriernummer.

Währung:

Zloty (ein Zloty entspricht 100 Groszy), Wechselkurs schwankt zwischen 1 : 4-5

Wohnheim:

Die Zimmer sind für zwei oder drei Studenten gedacht; wenn man Glück hat ist man allein. Die Ausstattung besteht aus Liege, Schrank, mehreren Regalen, Tisch und Stühlen und - ganz wichtig - einem Kühlschrank. Auf jeder Etage befinden sich zwei Gemeinschaftsküchen, ein Waschraum (mit vielleicht einer Waschmaschine), zwei Toilettenräume und ein Duschraum mit zwei Duschen, die alle auch gemeinsam genutzt werden. Das ist nicht unbedingt etwas für prüde Gemüter, besonders wenn nur mit einem Handtuch bekleidete männliche Mitstudenten einen beim Zähneputzen im Schlafanzug überraschen. Auch der Zustand der Toiletten lässt oft zu wünschen übrig, allerdings tritt schnelle Gewöhnung daran ein (hauptsache sie funktionieren überhaupt). Leider waren die Duschen fast überall defekt, sodass man in den Keller musste, wenn man sich erfrischen wollte.

Fazit

Insgesamt habe ich fachlich nicht sehr viel dazugelernt, dafür habe ich sehr interessante Leute kennen gelernt und eine erlebnisreiche Zeit verlebt. Schon deswegen würde ich eine Auslandsfamulatur empfehlen.

 

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