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  • Annika Platte
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  • 19.12.2011

Chirurgie- und Gynäkologie-Famulatur in Arequipa, Peru

Viele Studenten zieht es für ihre Famulatur ins Ausland. So auch Annika Platte: Sie reiste aus dem Bauch heraus nach Peru! Wie es war, in einem so bunten und gleichzeitig so armen Land zu arbeiten, wieso man sich vor den peruanischen Männern manchmal hüten muss und wieso sie diese Reise immer wieder machen würde, erzählt sie hier.

Auslandserfahrungen waren für mich schon immer nicht mit Geld zu bezahlen. Daher war für mich klar, dass ich jede Möglichkeit nutzen würde, ins Ausland zu gehen. Seit ich denken kann ist mein Traumziel Südamerika. Allerdings war dieses Reiseziel auch zu teuer, als dass es sich meiner Meinung nach für einen kurzen Urlaub lohnt. Zumal man auch bei einem Urlaub zwar viel vom Land sieht, doch generell relativ wenig von der Kultur mitbekommt.

Man ist abgekapselt unter Touristen und macht Fotos von tollen Gegenden, doch hält man sich generell unter eher privilegierten Menschen, meist anderen Reisenden, auf. Das PJ stellte daher für mich die Gelegenheit dar, vieles miteinander zu verbinden. Das Praktizieren, das Kennenlernen einer neuen Kultur. Die Möglichkeit, sich länger in einem anderen Land aufzuhalten.

Eines Tages möchte ich alle Länder Südamerikas gesehen haben, daher war mir, salopp gesagt, fast egal, wo ich anfange. Mein Bauch entschied sich für Peru, das Land der Anden. Und so bewarb ich mich in Arequipa. Warum Arequipa? Auch das sagte mir mein Bauch. Aber ich habe dort viele Menschen getroffen, die meinten, ich hätte es kaum besser treffen können.

 

Alle Fotos von A. Platte

 

Arequipa hatte für mich, im Nachhinein betrachtet, die besten Voraussetzungen: es ist mit 1,2 Millionen Einwohnern relativ klein und damit auch wesentlich ungefährlicher als z.B. Lima. Es liegt auf 2300m Höhe und hat daher ein angenehmes Klima. Arepiqua wird auch die Stadt des ewigen Frühlings genannt, es ist meist um die 20 bis 25 Grad warm. Im Gegensatz dazu herrscht im Regenwald teils unerträgliche Hitze. Die Stadt liegt für Peru ziemlich zentral, von dort aus sind die typischen Highlights einer Perureise (Machu Picchu, Titicacasee, Naszca etc.) schnell zu erreichen. Außerdem liegt es wunderschön umgeben von drei großen Vulkanen.

 

Unterwegs mit peruanischen Öffentlichen

In Arequipa selber bin ich meist Bus gefahren, die ca. 80 Centimos kosten, also ca. 20 Cent. Die Busse sind klein, voll, haben keine Haltestellen, keinen Fahrplan und immer Zeitdruck, d.h. man springt meist im Fahren auf und ab. Aber sie lassen einen auch überall raus, wo man will.

Taxen kosten, je nach Entfernung, um die 5 Sol, also knapp 1,50 Euro. Bei Taxen muss man allerdings gut aufpassen, da es einige unsichere Taxen gibt und auch Touristenentführungen vorkommen. D.h. man steigt in ein falsches Taxi, wird um die Ecke gefahren und ausgeraubt. Am besten ist immer: Taxi bestellen (gerade nachts!) und nicht einfach wahllos in jedes x-beliebige Taxi steigen, von denen tausende rumfahren. Wenn man sich noch nicht gut auskennt, am besten ein Taxi bestellen oder sich von einem Polizisten helfen lassen, von denen viele patroullieren. Wenn man eine Weile dort ist, lernt man die Lage allerdings auch ganz gut einzuschätzen.

In Peru selbst ist auch der Bus das Mittel der Wahl zum Rumkommen. Busfahrten sind relativ günstig, für umgerechnet 8 Euro kann man von Arequipa nach Puno fahren. Das ist eine Fahrt von 6 Stunden.

 

Vorbereitung und Organisation

Für meine Bewerbung habe ich meine Unterlagen Roxana Turpo geschickt, eine sehr nette Frau, die sich dort um die Auslandsstudenten kümmert:

roxiturpo@hotmail.com

Sie kümmert sich dann um Weiteres, die Unterlagen für die Klinik etc. Genügend Zeit einplanen, der ganze Aufwand kann einige Wochen in Anspruch nehmen. Ich habe mich bereits im März gekümmert und hatte dann im August meine sichere Zusage im Briefkasten.

Alles lies sich problemlos per Email regeln. Folgendes musste ich Roxana senden:

 

Visum

Ein Visum muss man als Deutscher vorher nicht beantragen. Bei Einreise bekommt man ein Touristenvisum für 3 Monate. Vor Ablauf der 3 Monate kann man problemlos aus- und wieder einreisen und bekommt erneut ein Visum. Da ich sowohl mein Chirurgie-Tertial als auch mein Gyn-Tertial in Arequipa verbracht habe, habe ich bei meiner erneuten Einreise um ein Visum für 6 Monate gebeten, was kein Problem darstellte. Man sagte mir, dass ich mir eventuell vom Krankenhaus eine Bescheinigung mitgeben lassen soll. Wichtig ist jedoch, dass das Praktikum unentgeltlich ist, da man sonst für ein Geschäftsvisum zahlen muss.

 

 

Versicherung

Ich habe zusätzlich eine Auslandskrankenversicherung über den ADAC abgeschlossen, weil sie für mich die günstigste war. Ich weiß nicht, ob sie auch für Nicht-Mitglieder günstiger ist als andere Versicherungen, aber nachfragen lohnt sich in jedem Fall!

 

Impfungen

Ich habe generell meinen Impfausweis auf den neusten Stand gebracht und z.B. Hepatitis etc. nochmals auffrischen lassen. Früher gehörte die Gelbfieberimpfung zu den Einreisebestimmungen, mittlerweile hat sich das aber wohl gelockert. In jedem Fall beim Tropenmediziner nachfragen, da Hausärzte dies nicht impfen dürfen. Die Impfung sollte einen Monat vorher erfolgen. Was mir dringlich empfohlen wurde, ist eine Tollwutimpfung. Allerdings kommen diese drei Dosen auch auf 150 Euro. Ich habe es ohne Impfung gewagt, würde es bei der nächsten Reise jedoch wahrscheinlich machen lassen. Das muss jeder selbst entscheiden. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass es dort sehr viele Straßenhunde gibt und dass bei einer Infektion mit Tollwut dort wohl wenig zu machen ist.

 

Flug

Ich habe bereits vier Monate vorher einen Flug gebucht, da er dann etwas günstiger war. Rechtzeitig informieren lohnt sich. Aber 1200 Euro für Hin- und Rückflug sollte man sicherlich einplanen.

 

Unterkunft

Ich habe in Arequipa die ersten beiden Wochen in dem Hostel Jla Reyna gewohnt, was sehr zentral und relativ günstig war - Telefonnummer lässt sich googlen, falls man ein Zimmer im Voraus reservieren möchte. Dann habe ich mir dort eine Wohnung gesucht, wobei mir die Mädels von der Touristeninfo sehr geholfen haben.

Die Suche bestand aus: täglich Zeitung kaufen und Anzeigen abtelefonieren. Roxana hilft auch aus. Die Uni hat sogar einen Ordner mit Familien, die Studenten bei sich aufnehmen. Dort hat man dann meist ein eigenes Zimmer mit Bad, Essen ist im Preis von 1000 Sol/Monat (ca. 250 Euro) mit drin. Dennoch ist der Preis für dortige Verhältnisse ziemlich teuer, aber dafür muss man muss sich dann um kaum noch etwas kümmern.

 

Geld

Die Währung in Peru sind Nuevo Sol und Centimos. Für einen Euro bekommt man ca. 3,7 Soles, was Peru für Europäer ziemlich günstig macht. Ein Mittagessen kostet z.B. 4 Sol, eine Busfahrt 80 Centimos. Dollar und Euro kann man überall umtauschen, allerdings verliert man dabei immer einiges. Mit Dollar kann man meist zahlen, allerdings ist der Preis dementsprechend teurer.

Ich habe mir für die ersten Tage ein paar Dollar mitgenommen (für das Taxi vom Flughafen, für was zu trinken auf der Fahrt etc.) und dann in Arequipa Geld abgehoben. Abheben kostet je nach Bank ca. 5 Euro, an Gebühren, aber man kann an einigen Automaten auch gleich 1500 Sol abheben, was lange reicht. Das kommt dann immer noch günstiger, als ständig Dollar zu wechseln. Außerdem habe ich mir vor der Reise eine Kreditkarte angeschafft, für die ich dort ebenfalls dankbar war.

 

Krankenhaus

Ich war für das Tertial der Chirurgie im Hospital General Honorio Delgado, welches ein staatliches Krankenhaus ist. Ca. 12% der Bevölkerung haben eine Versicherung und gehen daher in Krankenhäuser, welche sich ES Salud oder einfach Seguro nennen. Dort sollen die Standards fast unseren Krankenhäusern in Deutschland entsprechen.

Um die staatlichen Krankenhäuser ist es dementsprechend schlechter gestellt. Für alles müssen die Patienten selbst aufkommen, von der Narkose über das Röntgen bis zum Faden, mit dem sie zugenäht werden. Oftmals sparen die Patienten für Operationen, manchmal reicht das Angesparte aber nicht. Ca. 70% erhalten SIS, also Unterstützung vom Staat für die Ärmsten, wobei sich die Unterstützung auch nur auf wenige Medikamente und z.B. Untersuchungshandschuhe beschränkt. Es gibt für den, der zuzahlt, ab und an ein Einzelzimmer, der Großteil der Zimmer fängt jedoch bei 6 Leuten an und endet beim Saal mit 40.

Im Dienst trug ich einen weißen Kittel. Den konnte ich bei der Uni nebenan für 5 Euro kaufen. Für den OP habe ich mir entsprechende OP-Kleidung mit Haube und Mundschutz für 8 Euro besorgt.

 

Arbeitsalltag

Jeder Interno, wie Pjler dort heißen, betreut seine eigenen Patienten. D.h. der Interno untersucht sie am Morgen und stellt sie im Anschluss bei der Visite vor. Wird der Patient operiert, geht der PJler mit in den OP und steht am Tisch. Außerdem kümmert er sich um die Medikamente und ziemlich alle Papiere. Geht er nicht in den OP, ist der PJler auf Station für Curaciones verantwortlich. D.h. man zieht dort mit Verbandswagen von Bett zu Bett und macht die Wundpflege, wechselt Verbände, zieht Drainagen etc.

Um 14 Uhr ist nochmals Visite für die Internos und Ärzte, die in der Guardia bleiben. Guardia bedeutet, sie bleiben nach dem Krankenhaustag noch den ganzen Tag, die ganze Nacht und den ganzen nächsten Morgen. In der anschließenden Visite werden die Problempatienten nochmals vorgestellt. Eine solche Guardia hat man dort regulär übrigens alle 4 Tage.

Dieser Rhythmus kennt weder Wochenende noch Weihnachten, sondern es trifft einen alle 4 Tage, egal, worauf dieser Tag fällt. Der Samstag ist ein regulärer Arbeitstag. Es klingt viel, aber es ist wenig Arbeit, jedoch viel Anwesenheit. In der Guardia bleiben immer auch mindestens 3 Internos und 4 Ärzte, d.h. man steht nachts durchaus mal mit 4 Leuten bei der Appendektomie und fragt sich, warum man das nicht besser einteilt, damit alle dafür mehr Freizeit hätten.

Ich war von der Guardia und den Samstagen zum Glück ausgenommen, da mein Chef der Meinung war, ich müsse auch etwas vom Land sehen und erleben. Aber ich habe auch von anderen PJlern z.B. aus dem Norden Perus gehört, die regulär an allem teilnehmen mussten. Das kommt wohl sehr auf die Häuser an.

Ich konnte mir meine Guardias also eher legen, wie es mir passte, und habe mich dann vorher meist mit den Ärrzten abgesprochen. So konnte ich tagsüber möglichst viel abarbeiten und schlug mir nicht die Nacht um die Ohren, nur um nachts bei einer Gallen-OP zuzusehen. Der Morgen auf Station war sehr ruhig und ich ging nach den Curaciones meist in die Notaufnahme, wo es viel zu nähen gab, was ich auch ohne Aufsicht machen durfte.

 

 

Das Gynäkologie-Tertial

Auf der Gynäkologie-Station war der Morgen sehr ruhig und ich ging nach den Curaciones meist in die Notaufnahme. Allerdings war auch dort - meiner Meinung nach - alles überbesetzt. D.h. um eine Frau schlugen sich z.T. drei Leute und ich hielt mich eher im Hintergrund. Über einen Freund hat sich noch ein anderer Kontakt zu einem "Centro de Salud", also einer Art Poliklinik, ergeben.

Dort war ich einzige Interna und war mit einer Gynäkologin in ihrer Praxis. Dort habe ich viel machen dürfen, die PAP-Abstriche, Schwangerschaftsuntersuchungen, Ultraschall etc. Wenn eine Geburt war, was meist zweimal am Tag der Fall war, wurde ich von den Hebammen gerufen.

Gleich von der ersten Geburt an durfte ich helfen, die Plazenta entwickeln, den Dammschnitt nähen etc. Später durfte ich Kinder selbst entwickeln und Geburten selbst leiten. Habe ich nicht mitgeholfen, habe ich das Kind in Empfang genommen und angezogen, gewogen etc. Dort habe ich sehr viel gelernt und so verbrachte ich die Nachmittage nach dem Krankenhaus meist dort.

 

 

Sprachkenntnisse

In Peru wird Spanisch gesprochen. Vorkenntnisse waren für das Krankenhaus Honorio Delgado nicht erforderlich. Wer sich für ein Seguro interessiert, muss Sprachkenntnisse bei der Bewerbung vorweisen. Ich konnte vorher etwas Spanisch, habe dort dann aber schnell dazu gelernt. Die Peruaner sprechen deutlich, aber schnell. Die älteren Herren, die aus den Bergen kommen, sprechen z.T. nur Quechua, was mit dem Spanisch nichts gemein hat. Einige Ärzte im Krankenhaus sprechen es dennoch.

 

Erfordernisse für die Anerkennung des PJ

Wer im Ausland PJ machen möchte, muss an ein Universitätsklinikum gehen, was auf das Honorio Delgado zutrifft. Zur Anerkennung des PJ braucht man eine Statusbescheinigung der Universität, um die sich Roxana gekümmert hat, und eine Ausbildungsbescheinigung vom Chef der Abteilung. Das war glücklicherweise auch kein Problem. Ein Sprachnachweis war nicht erforderlich.

Aufpassen muss man bei der Sprache der Bescheinigung. Ist sie Deutsch, wird sie nicht anerkannt, weil es dort nicht Landessprache ist. Ist sie Spanisch, muss man sie teuer von einem vereidigten Übersetzer dolmetschen lassen. Ich habe im Internet eine Bescheinigung der Uni Göttingen gefunden, die Deutsch/Spanisch war, und diese dann an das LPA geschickt. Dort hat man mir dann mitgeteilt, dass diese Bestätigung auch reicht. Dadurch war bei mir die Anerkennung problemlos.

Aber ich empfehle jedem, lieber dreimal nachzufragen statt zurück in Deutschland seinen Papieren hinterher zu rennen. Das kann sich oft ziehen, denn wenn man den Peruanern aus den Augen ist, ist man auch aus dem Sinn.

 

Die Mentalität der Peruaner

Ich bin von allen sehr herzlich empfangen worden. Ich wurde gleich bei der ersten Vorstellung geherzt und geküsst. Die Einstellung ist dort, auch im Krankenhaus, lockerer. So lief eigentlich immer Musik, auch wenn man teils die Patienten kaum verstehen konnte, und im Nachtdienst gab es durchaus Bier und den Nationalschnaps Pisco.

Allerdings empfand ich die meisten Kontakte auch als sehr oberflächlich. Man war schnell der beste Freund, aber auch genauso schnell wieder vergessen. Treffen wurden nicht eingehalten, es wurde nie zurückgerufen, das Handy abgeschaltet... Das war für mich manchmal frustrierend.

Als Frau ist wichtig zu wissen, dass Peruaner Machos sind. D.h. man wird viel angegraben und auch ein Freund oder sogar eine Ehe stellen dabei kein Hindernis dar. Das wird nicht nur irgendwann nervig, sondern man muss auch aufpassen, zu wem man Vertrauen hat. Ich bin dreimal in Situationen geraten, in denen ich wirklich Angst hatte.

Damit will ich kein allgemeines Misstrauen schüren, sondern nur darauf hinweisen, das Grenzen leichter überschritten werden als bei uns. Nur, weil jemand vom Alter her mein Vater sein könnte und außerdem mein Chefarzt ist, muss es nicht sicher sein, sich im Auto mitnehmen zu lassen.

 

Fazit

Es gab viele atemberaubende Momente. Salsa tanzen in der Nachtschicht, Karaoke-Disco mit den Chefärzten, Hinauflaufen zum Machu Picchu... und einiges Trauriges. Leute, die sich wenige Sol für das Röntgen nicht leisten können, Leute, die in der Notaufnahme fast verbluten, weil die Medikamente nicht gezahlt sind, Freunde von denen man nie wieder hört...

 

 

Aber ich habe mich am Ende der 8 Monate gefragt, warum ich nun fliege, wo ich doch hier zu Hause bin. Ich träume noch heute von Arequipa und meiner Zeit dort und würde es jederzeit genau so wieder machen.

Ich hoffe, ich konnte bei dem einen oder anderen Interesse an einer Famulatur in Peru wecken. Allen die nach Peru gehen, wünsche ich viel Spaß!

 

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