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  • Bericht
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  • Tobias Walter
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  • 23.04.2009

Famulant und Patient in Nepal

Eigentlich hat Tobias immer gedacht, dass man während einer Famulatur Patienten behandelt. Aber es kann auch anders laufen. Nach einer Schulterluxation saß er selbst als Patient in der Notfallambulanz und ließ sich behandeln. Eben eine Famulatur mit doppelten Lerneffekt.

"Wie bitte kommt man auf die Idee in Nepal zu famulieren?"

Diese Frage habe ich in letzter Zeit mehr als genug gehört. Und sie ist ja auch nicht ganz unberechtigt. Dabei ist die Antwort einfach: Es war Zufall! Die Idee im Ausland zu famulieren stand schon lange fest. Es sollte schon etwas Besonderes sein, aber auch bezahlbar.

Über das Internet fanden ein Kommilitone und ich die Internetseite des Ulmer Studenten Madan Poudel, der seit 2004 regelmäßig Famulaturen nach Nepal organisiert. Und schon war der Entschluss gereift, am "Dach der Welt" zu famulieren.

Famulatur in Nepal

Bewerben können sich Interessierte direkt über die Internetseite. Pro Jahr werden zwei Termine angeboten, in den Wintersemester- bzw. in den Sommersemesterferien.

 

Alle Fotos von T. Walter

 

Reisevorbereitungen, Visum und Kosten

Grundsätzlich gilt je früher man anfängt die Famulatur zu planen, umso stressfreier ist dies natürlich. Außerdem kann man dadurch Geld sparen. Da bei uns leider alles sehr kurzfristig ablief, beworben haben wir uns im Dezember 2006 und im März 2007 sollte es schon losgehen, waren die Billigflüge schon alle ausgebucht. Letztendlich mussten wir fast 150 Euro mehr für den Flug berappen.

Gesundheitstechnisch wird eine Auslandsreisekrankenversicherung benötigt sowie folgende Impfungen:

Leider mussten wir alle Impfungen selbst bezahlen und diese sind nicht billig. Ein Tollwutimpfung (3 Impftermine) kostet zum Beispiel 170 Euro.

Für Nepal wird auch ein Touristenvisum benötigt, welches direkt am Flughafen in Kathmandu ausgestellt wird. Die Kosten hierfür betragen 30 US-Dollar und es gilt 60 Tage. Kurioserweise muss man auch so eine Art Ausreisesteuer (offiziell: Passenger Service Charge und Tourism Service Fee) bezahlen wenn man Nepal wieder verlässt. Der nepalesische Staat verlangt hierfür nochmal 26 US-Dollar (1695 nepalesische Rupien) pro Person.

Die Währung in Nepal ist die nepalesische Rupie. Rupien dürfen aber weder ein- noch ausgeführt werden. Man hat vorort aber genug Möglichkeiten Euro in Rupien umzutauschen (auch über Traveller Checks). Die Zweitwährung ist der US-Dollar. Er wird zwar auch überall akzeptiert, aber günstiger ist es in Rupien zu bezahlen.

 

 

Was in Deutschland in diesem Wintersemester eingeführt wird, ist in anderen Ländern schon lange an der Tagesordnung: die Studiengebühren. Dabei kommt man in Nepal mit 100 US-Dollar für einen Monat noch sehr günstig weg. Die Gebühr wird direkt an das jeweilige Krankenhaus entrichtet.

 

Anreise und Unterkunft

Nepal hat noch eine sehr schwache Infrastruktur. Die Straßen sind von Schlaglöchern geradzu übersät. Ein Eisenbahnnetz ist praktisch nicht vorhanden. Alle Auslandsflüge landen und starten am Internationalen Flughafen von Kathmandu, etwas außerhalb der Stadt. Das Hauptverkehrsmittel Nummer eins ist der Bus. Daneben tummeln sich noch Tausende von Motorrädern und Rollern auf der Straße. Darum sollte man im Straßenverkehr besonders aufpassen, da die Unfallquote enorm hoch ist.

 

 

Sehr beliebt ist auch das Taxi. Wir haben uns ein Taxi zum Hotel genommen, weil es am praktischsten ist. Allerdings sollte man den Fahrpreis vorher festlegen und nicht erst am Ziel ewig herumfeilschen.

In Kathmandu wurden wir dann von Sushil Poudel, dem Bruder von Madan Poudel, empfangen. Am selben Tagen reisten auch noch vier andere Studenten an, mit denen wir im Hotel zunächst auf den Beginn der Famulatur angestoßen haben.

Am übernächsten Tag, nach einer ausführlichen Besichtigung Kathmandus, ging es weiter nach Pokhara, dem eigentlichen Ort unserer Famulatur. In die Stadt gelangt man entweder mit dem Flugzeug oder über die Straße. Der 20-Minuten-Flug kostet 75 US-Dollar. Die 6-stündige Fahrt mit dem Bus kostet 15 US-Dollar (inklusive Mittagessen). Wir nahmen den Bus, wobei man darauf achten sollte dass man ausreichend Sitzfleisch hat. Der Bus macht zwar alle zwei Stunden eine Pause, ist aber relativ eng und unbequem. Auf jeden Fall lernt man Land und Leute mit dem Bus besser kennen.

 

 

Die Hotels in Kathmandu und Pokhara waren prima. Die Kosten beliefen sich pro Nacht und Person auf 5 US-Dollar. Man darf aber natürlich nicht mit hohen westeuropäischen Ansprüchen ankommen. Zum alltäglichen Leben gehört zum Beispiel das der Strom mehrmals die Woche ausfällt und eine warme Dusche auch nicht immer vorhanden ist. Die Hotels wurden immer von Sushil Poudel organisiert, man kann sich aber auch selbst etwas suchen.

 

Das Krankenhaus

In Pokhara gibt es drei Krankenhäuser. Ein kleines privates, das FEWA City Hospital; ein staatliches, das Western Regional Hospital und eine ebenfalls private Universitätsklinik, das Manipal Teaching Hospital. Mein Kommilitone und ich waren in der Uniklinik eingeteilt. Das Manipal ist das größte Krankenhaus mit ca. 700 Betten. Die Arbeits- und Unterrichtssprache ist generell Englisch. Das kam uns sehr gelegen, da sich unser Nepali mehr als in Grenzen hielt. Allerdings ist der nepalesische Englisch-Akzent sehr gewöhnungsbedürftig.

 

 

Wir waren zwei Wochen auf der Inneren Abteilung und zwei Wochen in der Pädiatrie und haben es nicht bereut. Der Lerneffekt war sehr hoch, obwohl wir aus praktischer Sicht wenig am Patienten machen durften. Das lag aber auch daran das die Arbeit am Patienten fast völlig den Schwestern oblag. Die Ärzte, vor allem auf der Inneren, waren sehr freundlich und haben uns jeden Patienten einzeln erklärt. Die körperliche Untersuchung beschränkte sich aber immer aufs Auskultieren und Palpieren.

Die nepalesische Medizinerausbildung entspricht der indischen, welche wiederum sehr am englischen System orientiert ist. Bedside-Teaching wird groß geschrieben und steht jeden Tag im Stundenplan.

 

 

Im Klartext heißt das: im Schnitt 12 Studenten bekommen zu einem bestimmten Thema einen Patienten zugeteilt und führen selbstständig Anamnese und körperliche Untersuchung durch. Am Ende sollte eine Diagnose stehen. Dann bespricht ein Oberarzt den Fall, was schonmal 2 Stunden dauern kann. Mit den einheimische Studenten kamen wir sehr gut zurecht und gingen auch oft mit ihnen Essen.

Am Vormittag ist immer Visite, die ein paar Stunden dauert, weil alle Patienten ausführlich besprochen und untersucht werden. Der Nachmittag ist der Lehre gewidmet.

Das A und O in der Ausbildung ist die Anamnese! Es war schon erstaunlich das im Prinzip jeder Patient allein auf Grund der Anamnese und körperlichen Untersuchung diagnostiziert wurde. Ultraschall, Röntgen und CT wurde nur bei äußersten Ausnahmefällen angeordnet.

 

 

Das Manipal ist technisch sehr gut ausgestattet. Auf der Kinderintensivstation wird Phototherapie betrieben und in der Inneren gibt es sogar eine Dialyseabteilung. Nur ein MRT ist nicht vorhanden. Arbeitskleidung muss man selbst mitbringen. Der hygienische Standard entspricht nicht ganz unserem. Es ist überall sauber, aber auf der Intensivstation krabbeln auch schon mal Kakerlaken herum. Die Patienten müssen sich selbst verpflegen. Dafür dürfen aber auch die Angehörigen mit im Zimmer schlafen.

Sehr zu empfehlen ist die Teilnahme an einem Health Camp in den Bergen. Hier kann man viel selbstständig arbeiten und Erfahrungen sammeln. Wir sind mit einigen Ärzten aus dem Manipal und dem Western Regional in ein Bergdorf gefahren, in das nur zweimal im Jahr ein Arzt hinkommt. Wir wurden mit einem Festessen empfangen und überhaupt war die Dankbarkeit unglaublich.

 

 

Hier wird jede Hand benötigt und man betreibt noch eine Medizin die jenseits von der "Apparatemedizin" liegt.

 

Patient in Nepal - eine Erfahrung

Will man ein Gesundheitssystem kennen lernen, dann hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man steht vor dem Krankenbett oder man liegt selbst darin. Mir hätte Ersteres ja schon gereicht, aber es kam anders.

Nach einem Sturz aus dem Boot beim Rafting - man muss sich ja auch mal vom Famulaturstress erholen - zog ich mir eine Schulterluxation zu, die dringendst reponiert werden musste. Mal ganz abgesehen von den Schmerzen. Die Repositionsversuche der Famulantenkollegen blieben aber erfolglos und so ging es ab ins FEWA City Hospital.

Eine Mitfamulantin aus Regensburg, die im FEWA City ihre Famulatur absolvierte, rief ihren betreuenden Oberarzt, einen Chirurgen, an und er versprach auch zügig zu kommen. Nach knapp einer Stunde rollte er samt seiner Frau, einer Gynäkologin, einem Orthopäden und einer Anästhesistin an.

Zwischenzeitlich wurde auch schon ein Röntgenbild angefertigt, allerdings ohne Schutz der Geschlechtsorgane. Naja, die Strahlenbelastung beim Fliegen ist sowieso größer. Zu sehen war ein nach ventral-kaudal dislozierte rechte Humerus. Mit den Worten "Because its not good to wait," wurde ich in den OP geschoben. Eine Venenverweilkanüle bekam ich auch noch und dann spürte ich langsam die entspannende Wirkung von Ketamin. Nach einer mir nicht genau bewussten Zeit von etwa 10 Minuten wurde ich im Aufwachraum wieder Herr meiner Sinne. Und mein Humeruskopf war auch wieder da wo er sein sollte, in seiner Pfanne.

Gekostet hat mich der Spaß nichts, nur Verbandsmaterial und Gilchrist-Verband musste ich bezahlen. Das Ärztehonorar ging "aufs Haus". Peinlich war mir das schon ein bisschen, die armen Nepalesen müssen alles selbst zahlen und ich als Westeuropäer gar nichts. Aber auch das ist das Gesundheitssystem in Nepal. Es ist nämlich ziemlich willkürlich. Recht auf eine angemessen Behandlung hat niemand, erst recht nicht ohne Geld.

Aber immerhin war ich auch eine Erfahrung reicher. Leider konnten meine Mitfamulanten an mir jedoch keine Erfahrungen sammeln, da sie als Angehörige nicht mit in den OP durften!

 

Land und Leute

Nepalesen sind freundlich und hilfsbereit. Äußert man einen Wunsch oder bittet um einen Gefallen, kann man sicher sein das er erfüllt wird. Aber man braucht Geduld. Die Nepalesen sind auch sehr, sagen wir mal gemütlich und bedächtig.

 

 

Eine Uhr braucht man nicht, denn die interessiert keinen so richtig. Busse fahren wenn sie voll genug sind. Und voll heißt, das auch die Plätze auf dem Dach vergeben sind.

Die einheimische Küche ist einfach und besteht vorwiegend aus Reis. Unbedingt probieren muss man das Nationalgericht Dalbat.

 

 

Ein Besuch im Chitwan National Parc und eine Trekking-Tour sind ein Muss!

 

Fazit

Ich würde wieder in Nepal famulieren. Die Ärzte sind unglaublich nett und bemüht das man etwas lernt. Die praktische Ausbildung könnte aber noch besser sein. Das Land selbst ist traumhaft. Die Menschen freundlich!

Ihr habt weitere Fragen? Schreibt mir!

Tobias.Walter@thieme.de
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