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  • Christine Vetter
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  • 23.04.2009

Famulatur in Pokhara

Ich hatte schon am Anfang meines klinischen Studiums beschlossen, eine meiner Famulaturen in einem Entwicklungsland zu machen, um einmal eine "andere" Medizin, zu erleben.

Motivation:

Am Anfang wollte ich nach Indien, da ich Asien sehr faszinierend finde. Dass es dann Nepal geworden ist, war zunächst Zufall, da eine Bekannte Kontakt zu Madan Poudel, einem nepalesischen Medizinstudenten hergestellt hatte, welcher jedes Jahr Famulaturen in Nepal organisiert. Nach einiger Informationssuche faszinierte mich das Land schon so sehr, dass ich beschloss, meine Famulatur dort zu machen.

Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. Leider bekommt es von dem wirtschaftlichen Aufschwung Asiens, welchen Länder wie Indien, Vietnam und andere gerade erleben, noch sehr wenig mit; im Gegenteil befindet sich das Land in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Jeder Zweite Nepali lebt unterhalb der Armutsgrenze. Hunger ist weit verbreitet. Die Armutsgrenze entspricht in Nepal einem Pro-Kopf-Einkommen von 150 US-Dollar pro Jahr. Auf einen Arzt kommen in Nepal 38.000 Patienten. Nichts desto trotz bietet Nepal mit den höchsten Bergen der Welt, tropischen Regionen mit Dschungel an der Grenze zu Indien, alten Tempelanlagen und überfüllten Städten eine Vielfalt an Möglichkeiten.

 

Vorbereitung, Bewerbung:

Die Vorbereitung meiner Famulatur ging relativ rasch, ich hatte mich erst im Mai entschlossen, nach Nepal zu fliegen. Mit mir reisten 14 Medizinstudenten von verschiedenen Universitäten Deutschlands, um genau wie ich eine von Madan Poudel organisierte Famulatur zu machen. Madan ist ein Medizinstudent aus Ulm, der ursprünglich aus Nepal kommt und durch dieses Programm verschiedene Hilfsgüter, vor allem medizinische, nach Nepal bringt. Madan kontaktierte direkt die Krankenhäuser vor Ort. Für eine Bewerbung braucht man lediglich einen Dekansbrief und einen Lebenslauf. Für Infos über die Gruppe und auch Links und Infos/Adressen der Krankenhäusern für Direktbewerbungen ist folgender Link zu empfehlen.

http://www.egerclan.privat.t-online.de/famulieren.htm

Literaturempfehlungen:

Als Reiseführer empfehle ich den "Lonely Planet Nepal", er hat uns immer sehr treue Dienste geleistet und hat auch sehr ausführliche Kapitel über Land und Leute.

Visum:

Für die Einreise nach Nepal benötigt man als Tourist einen gültigen Reisepass. Des Weiteren muss man eine Visa Application Form ausfüllen. Das lässt sich bei der Einreise am Flughafen erledigen. Dazu kommen noch 30 US$ Gebühr, die man auch am Flughafen bezahlen muss (geht auch in €). Das Visum gilt dann für 60 Tage (Verlängerung möglich). Allerdings wird eigentlich für Praktikanten ein spezielles Visum gefordert, welches aber wohl sehr teuer ist. Ein Touristenvisum ist vielleicht nicht korrekt, war aber völlig ausreichend.

Gesundheit/Impfungen:

Vor der Reise nach Nepal sollte man auf jeden Fall alle bei uns standardmäßig vorgeschriebenen Impfungen vorweisen können (einschließlich Hepatitis, Polio, Tetanus/Diphtherie), da dort die hygienischen Bedingungen eher schlecht sind. Zusätzlich empfiehlt sich eine Impfung gegen Tollwut, die zwar sehr teuer ist, aber wahrscheinlich billiger, als sich nach einem Hundebiss beim Trekking im Himalaya nach Kathmandu ausfliegen zu lassen. Da dort auch durch schlechtes Wasser Typhus noch ein großes Problem ist, kann eine orale Impfung sicherlich nicht schaden. Bei Ausflügen in den Süden empfiehlt sich vor allem zur Regenzeit eine Stand-By Medikation gegen Malaria mitzuführen. Genauere
Informationen finden sich im Internet bei www.fitfortravel.de oder beim Robert-Koch Institut. Ansonsten muss man sagen, dass in den Städten besonders für Ausländer eigentlich fast alle Medikamente verfügbar sind.

Notwendige Versicherungen:

Man sollte auf jeden Fall eine Auslandskrankenversicherung haben, d.h. vorher mit der Versicherung in Deutschland abklären, ob sie die Kosten einer Behandlung in Nepal übernimmt. Da nepalesische Ärzte nur behandeln, wenn man sofort bezahlen kann, ist eine Kreditkarte empfehlenswert. Außerdem hatte ich eine spezielle Krankenversicherung bei der Sparkasse abgeschlossen, die auch den Rücktransport nach Deutschland übernimmt. Das kostet 9€ pro Jahr. Für die Famulatur selbst war keine besondere Versicherung notwendig.

Das Krankenhaus:

Ich absolvierte meine Famulatur an einem staatlichen Krankenhaus in Pokhara, der zweitgrößten Stadt des Landes. Da es in Nepal kein Gesundheitssystem wie bei uns gibt und somit auch keine Krankenversicherungen, müssen alle Patienten im Krankheitsfall die anfallenden Kosten selbst tragen. Darum gibt es verschiedene Arten von Krankenhäusern, die je nach Patientengut auch entsprechend ausgestattet sind.
Vor der Famulatur sollte man sich überlegen, was man während der Tätigkeit sehen will.

Zunächst sind da die Universitätskliniken (Manipal genannt in Pokhara), welche fest in indischer Hand sind und auch daher fast unseren Standard haben. Diese behandeln eher Patienten mit viel Geld. Als Famulant wird man dort selbst nicht viel machen dürfen, sieht aber sehr viele verschiedene Krankheitsbilder und kann am "Teaching" der nepalesischen Studenten teilnehmen, welches auf Englisch abgehalten wird.

Ähnlich sind die kleinen privaten Kliniken, wo man auch oft sehr persönlich Betreut wird (gelegentlich wurden Mitglieder unserer Gruppe von Ihren betreuenden Ärzten zum Essen nach Hause eingeladen).

Da ich aber Realität in einem Entwicklungsland erleben wollte, machte ich meine Famulatur in einem staatlichen Krankenhaus, welches zwar für die Patienten sehr billig (50 Cent pro Tag) ist, aber auch hygienisch und technisch sehr schlecht ausgestattet.

Allgemein zum Krankenhaus:

Das Western Regional Hospital in Pokhara ist prinzipiell für den gesamten Westen Nepals zuständig. Es besitzt ein Röntgen- und ein Ultraschallgerät und ein kleines Labor, in dem Standardwerte bestimmt werden können.
Die Patienten liegen meist zu 8 in zimmerähnlichen Gängen, müssen ihre Bettwäsche und das Essen von Angehörigen selbst mitbringen lassen.
Auf den Stationen sind den ganzen Tag Interns eingeteilt, die "Seniors" (so etwas wie Oberärzte) kommen am Morgen aus den Privatkliniken zur Visite. Die Patienten müssen für alles was sie benötigen (Medikamente, Infusionen etc.) selbst bezahlen, und so wundert es nicht, dass mit dem Material sehr sparsam umgegangen wird. So wurde z.B. wenn noch Faden übrig war dieser nach einer kurzen Desinfektion beim nächsten Patienten weiter verwendet und auch die Handschuhe der Ärzte wurden gewaschen, desinfiziert und weiterbenutzt. Statt alkoholischer Händedesinfektion gab es überall nur Seife - man sollte auf jeden Fall Handschuhe und Desinfektionsspray mitnehmen.

In den drei Wochen, in denen ich dort famulierte, rotierte ich wochenweise über die verschiedenen Stationen, zuerst auf Gynäkologie, danach auf Innere und zuletzt in die Chirurgie. Die Verständigung mit den Patienten war kaum möglich, da die wenigsten Englisch sprechen, die Ärzte sprechen jedoch akzeptables Englisch, auch wenn man sich erst an den Akzent gewöhnen muss.

In der Gynäkologie selbst kann man morgens auf Visite mitgehen und bekommt dort auch den einen oder anderen Patienten vorgestellt. Außerdem besteht die Möglichkeit morgens in der Ambulanz (Outpatients) mitzuhelfen. Hier hat man anders als in Deutschland die Möglichkeit, gynäkologisch zu untersuchen, manchmal 30 Patienten pro Stunde. Da in Nepal die Ärzte wirklich fast als Götter angesehen werden und viele Patientinnen nicht einmal lesen und schreiben können, werden die Patientinnen vor einer Untersuchung nicht gefragt, geschweige denn aufgeklärt. Im OP wurden täglich mehrere Kaiserschnitte gemacht.

Am interessantesten war aber zweifelsohne die Geburtshilfe, wo sehr oft 8 Frauen gleichzeitig in den Wehen lagen. Hier konnte ich zusammen mit Interns (Ärzten nach dem PJ) die Frauen vor der Geburt untersuchen (ein Ultraschallgerät gab es nicht), unter Anleitung der Schwestern Geburten selbst durchzuführen und sogar eine Episiotomie selbst durchführen. Dabei konnte man auch sehr gut Nähen üben.

Auf der Inneren war der typische Tagesablauf, dass man morgens auf Visite mit den Ärzten mitging. Später habe ich dann mit zwei nepalesischen Famulanten, welche auch übersetzt haben, interessante Patienten besprochen und untersucht. Dort sah man sehr viele Krankheitsbilder, welche so in Deutschland kaum vorkommen von Malaria, Tetanus über zerebrale Echinokokkose war alles dabei. Anschließend konnte man sich in der Notaufnahme noch einmal Patienten anschauen und deren Wunden nähen.

In meiner Chirurgiewoche habe ich größtenteils zugeschaut, was auch interessant war, da ein Arzt fast alles operiert, was so anfällt.

Alles in allem war die Famulatur sehr lehrreich und spannend. Ich empfehle jedem, sich einmal ein Krankenhaus in einem solchen Land anzuschauen. Danach weiß man die Möglichkeiten in Deutschland wieder ganz anders zu schätzen.
Die Ärzte sind meist sehr nett, auch wenn sich manche nicht "trauen" mit Ausländern englisch zu sprechen, da sie ihre Sprachkenntnisse für zu schlecht halten.

Für eine Woche muss man im staatlichen Krankenhaus 25$ bezahlen. Wenn man diese bezahlt hat, kann man eigentlich auch kommen und gehen wann man will.

Neben der Krankenhaustätigkeit hatten wir noch die Möglichkeit an Wochenenden mit den Ärzten in ein so genanntes Health Camp zu fahren. Da es in den ländlichen Gebieten keine Krankenhäuser gibt, fahren die Ärzte regelmäßig dorthin und betreuen an einem Tag mehrere hundert Patienten. So sind wir also 3 Stunden lang mit dem Bus in die Berge gefahren und haben einen Tag lang Patienten mit einfachsten Mitteln untersucht und behandelt. Dies alles fand in den Klassenzimmern einer Schule statt. Es war sehr beeindruckt und wir haben schließlich dafür noch eine Urkunde vom Bürgermeister bekommen!

Anfallende Kosten/Unterkunft:

Der Flug nach Nepal kostet ca. 700 €. In Nepal selbst ist alles jedoch sehr billig. Für ein sehr gutes Essen mit Getränken bezahlt man zum Beispiel ca. 1, 50 €, eine Busfahrt in Pokhara kostet 10 Cent, die Fahrt nach Kathmandu im Bus 8€. Wir haben während unserer Famulatur in einem besseren Hotel in Pokhara gewohnt, was 5 $ pro Nacht gekostet hat. Das ist für nepalesische Verhältnisse relativ teuer, es war aber dafür sehr sauber und familiär. Wir haben mehrmals Grillparties im Garten gemacht und konnten auch unser Gepäck während des Trekkings dort lassen.
Wenn man will bekommt man aber auch Doppelzimmer für 150 Rupies die Nacht (ca. 2 €). Es ist kein Problem die Unterkunft vor Ort zu buchen, wobei man bei den Preisen handeln sollte.

Infos zum Hotel

Land und Leute:

Die Natur Nepals ist wunderschön und die Leute meist sehr freundlich.

Wenn man nach Nepal kommt ist es fast ein Muss, eine Trekking-Tour durch den Himalaja zu machen. Selbst meine größten Erwartungen wurden übertroffen. Wir haben den Anapurna Circuit Trek durch das Anapurna Massiv gemacht, der bis auf 5400 Meter ansteigt. Danach sind wir mit dem Flugzeug ab Jomsom wieder nach Pokhara geflogen.

Außerdem kann man in Nepal sehr gute Rafting-Touren machen. Den geeigneten Fluss sollte man saisonabhängig auswählen.

Wer gerne schon immer mal auf einem Elefanten durch den Dschungel reiten wollte, der sollte auf jeden Fall in den Chitwan National Park fahren. Hier kann man auch Nashörner aus nächster Nähe sehen.

Ein krasser Gegensatz zu all der schönen Natur ist dann Kathmandu, die chaotische und belebte Hauptstadt. Hier kann man sich eine Überdosis von hinduistischen und buddhistischen Tempeln geben, die allesamt sehenswert sind. Besonders gut gefallen haben mir der Affentempel, die Verbrennungsstätten und Bakthapur, eine alte Tempelstadt.

Noch kurz zur Bevölkerung: da wir ja mit einem nepalesischen Studenten dort waren, hatten wir auch durchaus Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, wir waren in Madans Heimatdorf zum Essen eingeladen, haben uns dort die Schule angeschaut und waren bei weiteren Familienmitgliedern und Freunden eingeladen. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie die Menschen dort leben. Auch beim Rafting wurden wir abends in einem kleinen Dorf inmitten von Reisfeldern sehr freundlich empfangen. Außer mit "Touristenschleppern" wird man in Nepal wohl mit der Bevölkerung sehr positive Erfahrungen machen.

Sicherheitsaspekte vor Ort:

Nepal leidet seit einigen Jahren unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen, Maoistische Rebellen kämpfen vor allem in den Bergen gegen die Monarchie Nepals. Allerdings hat sich die Lage sehr beruhigt, und Touristen wurden nicht bedroht. Außer großer Militärpräsenz haben wir auch davon nichts mitbekommen. Genauere Informationen gibt es beim Auswärtigen Amt.

Auswärtiges Amt

Fazit:

Es war eine tolle Famulatur, während der ich sehr viele wertvolle Erfahrungen gemacht habe, sowohl im medizinischen Bereich als auch für mich persönlich. Ich kann es auf jeden Fall weiterempfehlen. Übrigens: Nepal ist auch ein tolles Land zum Urlaub machen!

Fragen beantworte ich gerne!

Christine.Vetter@web.de

 

Kommentar zum Auslandsbericht

von Suse

Ich habe mit Christine zusammen die Famulatur gemacht, und kann nur sagen, dass es wirklich eine beeindruckende, manchmal aber auch sehr grenzwertige Erfahrung war, was die Zustände in den Krankenhäusern betrifft. Da verwunderte es mich doch, dass die Ärzte erstaunlich gut ausgebildet sind und sehr gewissenhaft arbeiten. Trotz der schlechten hygienischen Bedingungen war der Behandlungserfolg meist erstaunlich gut.

Die Sache mit den Maoisten, ist nicht ganz so ungefährlich: Ich wurde beim Trekken von drei Maoisten angehalten und bedrängt, und musste nach langer Diskussion und Einschüchterung ziemlich viel Geld bezahlen. Man sollte sich also vorher nochmal genau erkundigen.

Sonst ist es wirklich nur zu empfehlen. Obwohl ich ehrlich sagen muss, dass ich nicht nochmal mit Madan fahren würde, man bekommt alles gut selbst organisiert und muss sich dann nicht für seine Entscheidungen vor Ort rechtfertigen, was doch zu einigen Problemen führte.

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