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  • Bericht
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  • Johanna Treutwein
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  • 23.04.2009

PJ-Tertial Chirurgie in Villahermosa/Mexiko

Für mich hat es sich geradezu aufgedrängt, das Chirurgie-Tertial im Ausland zu absolvieren. Nicht nur, da es am Ende meines Praktischen Jahres lag. Ich wollte auf jeden Fall mehr machen als Hakenhalten. Mexiko hatte mich als Land schon lange gereizt, und weil dort mit dem sogenannten"Internado" ein Studienabschnitt angeboten wird, der dem PJ sehr ähnlich ist, entschied ich schließlich, im Dezember 2007 aufzubrechen.

 

Das Hospital Rovirosa - Alle Fotos von J. Treutwein

 

Vorbereitung

Über das Internet kontaktierte ich ein Jahr vor Tertialbeginn die Universitäten mit Medizinstudiengängen im Süden von Mexiko und bekam einige Antworten: drei Zu- und drei Absagen. Einige Unis verlangen entweder fast fließende Spanischkenntnisse (Queretaro) oder über 300 US-Dollar an Studiengebühren (Veracruz).

Von der Universidad Autonoma de Tabasco in Villahermosa dagegen kamen prompte und sehr nette Antworten, und nach kurzer Zeit hatte ich in Dr. Alejandro Jimenez Sastre den Koordinator "de la Carrera de Medicina" der Uni als Kontaktperson gefunden. Außerdem gab es noch Fabiola Ortiz Martinez, die für den internationalen Austausch der Uni zuständig ist.

Folgende Unterlagen wollten die beiden von mir haben:

Das für den bvmd-Zuschuss benötigte Zusageschreiben bekam ich aus Mexiko als gescannte Version, was problemlos akzeptiert wurde.

Ich war letztendlich im Hospital Gustavo A. Rovirosa Perez, einem Lehrkrankenhaus der Uni. Bitte erkundigt euch BEVOR ihr geht, welche Nachweise Euer LPA für die Anerkennung des Tertials fordert: Beschreibung des Klinikums, Studentenstatus von der Uni bestätigt, Tätigkeitsnachweis, wer muss unterschreiben ...

 

Visum

Ich wurde von der Uni nicht nach einem Studentenvisum gefragt und so bin ich einfach mit dem normalen Touristenvisum eingereist. Bitte gut auf den kleinen Zettel des Zolls aufpassen, den Ihr bei der Einreise bekommt. Diesen müsst Ihr bei der Ausreise wieder abgeben!

Gesundheit

Da es kurz vor meiner Abreise in Villahermosa massive Überschwemmungen mit Toten und Wasserknappheit gegeben hatte, habe ich mich vorsichtshalber im Tropeninstitut gegen Cholera impfen lassen und meinen Typhus-Schutz aufgefrischt. Ansonsten habe ich bis auf Mückenspray nichts von meiner Reiseapotheke gebraucht.

Sicherheit

Villahermosa ist keine Touristenstadt und meiner Meinung nach recht sicher - obwohl häufiger Patienten mit Schusswunden in die Ambulanz kamen.

Reisen in Mexiko ist mit gesundem Menschenverstand relativ ungefährlich, vom Verkehr mal abgesehen. Ich war gelegentlich auch alleine in den Reisebussen über Nacht unterwegs und hatte nie Probleme.

Geld

Die Lebenshaltung ist in Mexiko billiger als in Deutschland, wenn auch teurer als asiatische Länder wie Indien oder Thailand. In allen Touristenorten kann man neben Pesos auch Dollars zum Zahlen nutzen; hier solltet Ihr den Wechselkurs beachten.

Neben der Miete habe ich während des Praktikums nicht viel Geld gebraucht. Ich war sehr viel in der Klinik und dort reichlich verpflegt.

Über ein Studentenkonto bei der comdirect-Bank hatte ich eine VISA-Karte erhalten, mit der man überall kostenlos Geld abheben konnte. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes viel wert! In kleinere Orte auf dem Land sollter Ihr genug Bargeld mitnehmen, da hier oft keine Geldautomaten vorhanden sind.

Sprache

Ein Jahr vor Abflug hatte ich einen Spanischkurs der Uni besucht und danach versucht, viel auf Spanisch zu lesen. Das ging dann aber in den PJ-Monaten vor der Abreise etwas unter, und so musste ich die ersten Tage in Villahermosa etwas kämpfen. Das Bundesland Tabasco gehört zu den Regionen Mexikos mit relativ starkem Dialekt und schnellem Sprechtempo!

Wenn man den ganzen Tag Spanisch reden muss, gewöhnt man sich recht schnell an die Sprache. Trotzdem habe ich bis zum Schluss spezielle Anamneseerhebungen bei alten und kranken Patienten mitten in der Nacht lieber meinen Kollegen überlassen, denn gelegentlich haben die Patienten auch nach solchen Dingen wie Bauart und Material des Hauses gefragt. Dafür fehlten mir dann verständlicherweise doch die Vokabeln.

Englisch ist nur in den Touristengebieten verbreitet. Spanischkenntnisse solltet Ihr also auf jeden Fall mitbringen.

Das für den bvmd-Zuschuss benötigte Sprachzeugnis hatte mir übrigens eine Spanischdozentin vom Romanistischen Institut der Uni ausgestellt. Den Kontakt erhielt ich über die Leiterin meines Spanischkurses.

Verkehrsverbindungen

Flüge von Deutschland aus direkt nach Villahermosa gibt es nicht, ich bin mit British Airways über London nach Mexico City und dann mit einer mexikanischen Airline weiter nach Villahermosa geflogen. Wer es sich zutraut, kann auch von Mexiko aus mit dem Bus nach Villahermosa fahren, allerdings seit Ihr dann deutlich länger unterwegs.

Für Reisen innerhalb Mexikos ist www.ticketbus.com.mx zu empfehlen. Hier kann man sich die Abfahrtszeiten raussuchen, sehen wie viele Plätze noch frei sind und (gegen Aufschlag) ein Ticket online buchen und ausdrucken. In ganz Mexiko gibt es nur noch zwei oder drei Personenzüge, somit sind die Busse das beste Verkehrsmittel. Unbedingt eine Decke und Socken mit in den Bus nehmen, denn die werden fast immer massiv runtergekühlt. Der Preis der Fahrt ist von der jeweiligen Entfernung abhängig.

Kommunikation

Bei mir in der Gegend gab es zwei Internetcafés, sonst habe ich an langen Dienstabenden den Computer in der Klinik benutzt. Außerdem habe ich eine aufladbare Handykarte gekauft. Über meinen Mexiko-Blog habe ich die Leute daheim mehr oder weniger intensiv auf dem Laufenden gehalten.

Unterkunft

Ich hatte vor Abreise mehrfach nach einer Unterkunft gefragt, aber von Dr. Sastre eher ausweichende Antworten bekommen. Es gibt keine Studentenwohnheime oder ähnliches, man muss einfach vor Ort schauen. Nach vier Tagen im Hotel Oriente in der Innenstadt und nach vielem Nachfragen konnte ich schließlich umziehen: Bei einer PJ-Kollegin war gerade ein WG-Zimmer frei geworden. Eine Straße vom Krankenhaus entfernt, ein großes Zimmer mit nichts als einem Bett. Das Zimmer kostete mich 180 Euro, was vergleichsweise teuer ist. Aber meine Mitbewohnerinnen kümmerten sich sehr um mich, liehen mir Kleiderbügel und einen Stuhl, sodass es dann doch relativ gemütlich wurde.

Dass aus unserer Dusche auch warmes Wasser kam, habe ich leider erst nach 4 Wochen festgestellt. Doch selbst ab diesem Zeitpunkt gab es manchmal nur eine kalte "Eimerdusche" - wenn der Tank auf dem Dach leer war - was mir um halb sechs Uhr morgens schon etwas die Laune verdorben hat; aber wenigstens war ich anschließend wach.

Meine Wäsche konnte ich in einer nahen Wäscherei abgeben.

Literatur

Ich empfehle "Spanisch für Mediziner", ein praktisches Wörterbuch.

Medizinische Bücher hatte ich keine dabei und kaum vermisst, da die anderen PJler öfters Bücher dabei hatten.

Beim Reisen ist der Lonely Planet sehr praktisch, den es auch auf Deutsch gibt.

 

Mitzunehmen

Klinikkleidung musste ich selbst mitbringen. Die Studenten dort bekommen Stoff zugeteilt, aus dem sie sich was schneidern lassen können: weiße Hose, weiße Schuhe, Kittel, OP-Kleidung. Ihr solltet unbedingt Tauschkleidung mitnehmen: es ist heiß und die Wäscherei braucht zwei Tage!

Außerdem mitgebracht hatte ich Stethoskop, Lämpchen, Stauschlauch - in der Klinik wird mit Handschuh gestaut. Handschuhe gab's dementsprechend en masse auf Station, dafür aber kein Händedesinfektionsmittel. Auch hier empfehle ich die Selbstversorgung.

 

Reise und Ankunft

Ich wurde von Fabiola Ortiz Martinez vom Flughafen abgeholt und am Hotel abgesetzt, wofür ich sehr dankbar war nach der 12-stündigen Anreise. Dann hatte ich erst mal ein Wochenende zur Gewöhnung an die Stadt und das Klima, bevor mich am Montagmorgen Dr. Sastre abholte. Er stellte mich auf der chirurgischen Station dem Chefarzt Dr Samaniego vor und los ging der Marathon durch die Klinik.

Ich wurde überall vorgestellt, vom MRT über die Blutbank bis zur Patho und im OP, wobei ich maximal die Hälfte des Gesagten verstand. Aber als erste ausländische PJlerin in der Klinik überhaupt wurde ich immer sehr freundlich - und auch neugierig - empfangen.

 

Tätigkeitsbeschreibung und fachliche Eindrücke

Das mexikanische PJ, das "internado", ist vom Aufbau her dem deutschen PJ ähnlich, allerdings rotieren die Studenten durch mehr Fächer.

Der größte Unterschied liegt aber in der Arbeitsbelastung: Jeden dritten Tag hat der PJler "guardia", also Nachtdienst. Das bedeutet, man kommt an dem Tag ganz normal am Morgen in die Klinik (bei uns in der Allgemeinchirurgie war das 6 Uhr) und bleibt den ganzen Tag, die Nacht über und den nächsten Tag bis ca. 17 Uhr. Das entspricht einem 35-Stunden-Dienst. In der Nacht konnte ich maximal drei Stunden schlafen, da neben Operationen Patientenberichte und die Stationsliste verfasst, Blut abgenommen und Befunde kontrolliert werden müssen. Diesen zwei Tagen folgt ein "normaler" Tag mit 12 Stunden Klinik, dann wieder guardia. Diese "rotacion" läuft auch am Wochenende, so dass ein freies Wochenende bedeutet, dass man am Samstagmorgen aus der Klinik kommt und "erst" Montag wieder rein muss.

Der Chefarzt hat mich freundlicherweise nur zweimal pro Woche für die guardia eingeteilt und so waren Montag und Donnerstag meine Nachtdiensttage. Ein positiver Nebeneffekt war, dass ich so jede Woche mit anderen PJ-Kollegen Nachtdienst hatte. Aber auch in dieser "light"-Version war die Arbeit ziemlich anstrengend. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal bei der Morgenvisite im Stehen einschlafe, aber das war tatsächlich der Fall.

 

So schläft der "interno" während des Nachtdienstes.

Zur Arbeit selbst: um 6 Uhr ist Assistenzarzt-Visite in der Notaufnahme und auf der Station. Bei dieser Visite werden die Vorkommnisse der Nacht berichtet.

Die PJler, die an dem Abend Nachtdienst haben, gehen anschließend in den OP. Der Rest schreibt Entlassungen, füllt Röntgenscheine aus, bringt die OP-Resektate der Nacht in die Patho oder schreibt Konsilanforderungen.

 

Die Ambulanz

Um die Mittagszeit ist manchmal noch Visite mit dem Ober- oder Chefarzt.

Die PJler, die aus dem Nachtdienst kommen, die sogenannten "post-guardia", machen die "curaciones": Dabei wird bei allen Patienten die Wunde bzw. OP-Naht gesäubert und neu verbunden. Das dauert seine Zeit, weil man teilweise drei Lösungen hintereinander verwendet und auch große Wunden und offene Füße versorgen muss. Ehrlich gesagt war ich mir nicht immer sicher, ob wir den Patienten etwas Gutes tun. Manches Mal hat sich eine ganz normale Bauchnaht entzündet, wurde bis auf den Muskel eröffnet und man wühlte bei jeder "curacion" den Leuten mit scharfen Desinfektionsmitteln im halboffenen Bauch herum.

Sehr wichtig sind den Mexikanern auch die "evoluciones", die Entwicklungsberichte über die Patienten. Jeden Nachmittag wird über jeden Patienten eine Seite erstellt mit den Diagnosen, subjektiven und objektiven Befunden, Ergebnissen des Tages, dem weiteren Procedere und der Medikamentenliste. Dabei zeigen die mexikanischen PJler ein erstaunliches Gedächtnis, denn sie können sich von den zwei Minuten am Patientenbett für die nächste 6-Uhr-Visite alle körperlichen Befunde merken. Es gibt aber auch die Möglichkeit, "seine" Patienten vor der "evolucion" noch einmal zu untersuchen. Die Patienten sind meist sehr dankbar, wenn noch mal jemand vorbeikommt.

Im OP durfte ich an meinem zweiten Tag eine Appendizitis operieren - selbst. Eine tolle Erfahrung! Aber ich will keine zu großen Hoffnungen wecken: Das blieb meine einzige OP als Operateurin.

Ansonsten ist man zweite, nachts auch erste Assistenz und darf dabei eigentlich immer zunähen. Nachdem ich die Namen der Instrumente gelernt hatte war ich auch einige Male "instrumentista", OP-Schwester, was mir sehr viel Spaß gemacht hat.

Operiert werden viele Gallenblasen und Hernien, aber auch große Baucheingriffe, Amputationen oder Unterschenkel-Bypässe werden durchgeführt. Die Traumatologen haben ihre eigenen PJler, welche auch für die Notaufnahme zuständig sind.

Unter den PJlern wurde ich schnell akzeptiert, und ich habe gute Freunde gefunden. Die Hierarchie ist wohl etwas strikter als in Deutschland, z.B. werden die Assistenzärzte von den PJlern gesiezt. Trotzdem gab es ein paar gemeinsame Feiern am Wochenende.

 

Das Stationsteam bei meiner Abschiedsfeier im Arztzimmer

 

Es gibt im Hospital Rovirosa sehr viele Möglichkeiten, sich einzubringen, zu untersuchen, zu operieren, nachzufragen und zu lernen. Das ist nach 30 Stunden Dienst manchmal etwas schwierig, aber ich habe auf jeden Fall eine Menge mitgenommen. Einige PJler auf der Allgemeinchirurgie kommen aber auch ohne viel eigenständiges Denken und Handeln aus.

 

Land und Leute

Da zwar ich die Wochenenden frei hatte, aber viele meiner Kollegen nicht, habe ich ein einige Ausflüge alleine gemacht. In der Stadt selbst gibt es den Parque La Venta, eine Kombination von Olmeken-Skulpturen und Zoo. Die Umgebung von Villahermosa hat zwei, drei kleinere Ausflugsziele, genau richtig für einen Sonntag. Von Villahermosa aus kommt man in sechs Stunden mit dem Bus nach Campeche auf der Halbinsel Yucatan. Palenque, eine der berühmtesten Maya-Stätten in Mexiko, liegt gerade mal zwei Stunden weit im Süden. Auch Oaxaca ist mit einem Nachtbus gut zu erreichen.

Nach dem PJ hatte ich zusammen mit meinem Freund noch sechs Wochen Zeit zum Reisen. Das kann ich nur empfehlen, denn alle paar Kilometer wechseln in Mexiko die Landschaft, Kultur und Leute, von den Azteken zu den Maya zu den Zapoteken. Ein sehr spannendes Reiseland!

Ansonsten gehen die Tabasqueños gerne und viel weg. Überall läuft Musik und auch ich wurde zum Salsa-Tanzen überredet. Die Region um Villahermosa ist wegen der Ölfunde vor der Küste relativ wohlhabend, sodass es in der Stadt auch große Einkaufszentren und viele Kinos gibt.

 

Fazit

Es empfiehlt sich eventuell, nach 4 Wochen Allgemeinchirurgie in die Traumatologie zu wechseln, um mehr in die Notaufnahme zu kommen. Aber es gibt auch auf der allgemeinchirurgischen Station, der die Intensivstation angeschlossen ist, sehr viel zu lernen und zu tun.

Ich persönlich wäre gerne in die Gynäkologie gewechselt, da die PJler dort die Hebammen ersetzen und wirklich viel machen dürfen, aber leider hatte ich das zu spät erfahren, erst zu Ende meines PJs.

Insgesamt waren es sehr intensive, arbeits- und lehrreiche zwei Monate, und vor allem die Begegnungen mit den PJlern und Ärzten waren für mich sehr wertvoll.

 

Kontaktadressen

Universität von Tabasco, Villahermosa:

Dr Alejandro Jimenez Sastre, coordinador de la Carrera de Medicina

ajimenezsastre@hotmail.com

Fabiola Ortiz Martinez

movilidad.dip@ujat.mx 

Hospital
Dr. A. Rovirosa Perez:

http://www.hrovirosa.gob.mx/

 

Dr. Armando Perez Zapata, Oberarzt für Aus- und Weiterbildung, Jefe de Ensenanza

armando0559@hotmail.com

Universität von Queretaro:

Dr. Raul Lopez Arvizu, Coordinador del area clinica

areaclinica@hotmail.com

 bear_san3@hotmail.com

Universität von Torreon:

C.P. Rene Javier Rodriguez Baltazar

rrb10333@mail.uadec.mx

Universität von Xalapa, Veracruz:

Juan Carlos Hernández

academica_eee@uv.mx

Dolores Domínguez, Escuela para Estudiantes Extranjeros

admisiones_eeeuv@yahoo.com.mx
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