- Bericht
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- Sabrina Gröer
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- 24.04.2013
Orthopädie am Cappagh National Orthopaedic Hospital in Dublin
Trotz wenig praktischem Einsatz im OP hat Sabrina während ihrer Famulatur in Dublin viel gelernt. In ihrem Bericht erfahrt ihr, warum Irland einem als Famulant sehr viel exotischer vorkommen kann, als man erwarten würde, wie die Arbeit im Krankenhaus abläuft, wie Sabrina mit dem irischen Dialekt und dem Wetter zurecht kam und wie genau das mit den Busfahren in Dublin eigentlich funktioniert.
Warum eigentlich Irland?
Den Wunsch, eine Auslandsfamulatur zu machen, hatte ich eigentlich schon länger - allerdings schwebten mir da (vermeintlich) weitaus exotischere Länder vor, als das grüne Irland. Da aber mein Freund ein Jahr in Dublin leben und arbeiten sollte, habe ich kurzerhand 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen und meine Famulatur dann doch in Dublin gemacht - und habe es nicht bereut.
Wie, wer und was?
Um den Famulaturplatz habe ich mich etwa ein halbes Jahr im Voraus gekümmert - und das war mehr als ausreichend. Ich sollte später noch lernen, dass die Iren im Allgemeinen das mit der Bürokratie nicht so sonderlich eng sehen wie wir Deutschen und in diesem Punkt mehr als entspannt sind. Um einen Platz zu finden, habe ich alle Krankenhäuser in Dublin per E-Mail kontaktiert, wovon die meisten auch relativ schnell zurückgeschrieben haben.
Leider nehmen die großen Krankenhäuser ausländische Studenten nur während der Sommersemesterferien. Ich wollte aber aufgrund meines Freundes unbedingt noch während der Semesterferien im Frühjahr meine Famulatur machen. Nachdem ich noch einmal auf dem Portal famulaturranking.de geforscht hatte, kam ich endlich auf das Cappagh National Orthopaedic Hospital, das sich zwar am komplett anderen Ende der Stadt befand, aber so bekam ich zumindest jeden Tag einen guten Schuss Sightseeing. Auch war Orthopädie nicht unbedingt meine Wunschfachrichtung, trotzdem habe ich mich entschlossen, es einfach einmal zu versuchen.
Auch hier wurde meine E-Mail sehr schnell beantwortet. Ich sollte nur eine englischsprachige Immatrikulationsbestätigung der Universität schicken (bekam ich ohne Umstände im Studentensekretariat), sowie eine Bestätigung, dass ich versichert sei (da ich Mitglied im Marburger Bund bin, war auch dies kein Problem). Nicht einmal die Originale wollte das Krankenhaus haben, eine pdf-Datei im Anhang und ich hatte meine Bestätigung, dass wir uns in der Woche nach St. Patrick's Day sehen würden. Einzelheiten zum genauen Zeitpunkt und Ort wurden mir –typisch irisch– erst auf hartnäckigen Nachfragen am Tag vor der Abreise mitgeteilt.
Anreise und Unterkunft
Für mich ging es mit Air France von Hannover über Paris nach Dublin. Direktflüge gibt es beispielsweise von Hamburg. Wer sich früh genug kümmert, kann die Hin- und Rückreise für etwa 200 € buchen. Vom Flughafen kommt man sehr einfach mit dem Aircoach, einem Verbindungsbus, für 7€ "one way" in die Innenstadt.
Selbstverständlich wohnte ich während meiner Famulaturzeit bei meinem Freund, wofür ich eine anderthalbstündige Anreise morgens mit dem Bus (dazu später mehr) in Kauf nahm. Aber von den Menschen im "Cappagh" weiß ich, dass man auch direkt dort ein Zimmer für vergleichsweise wenig Geld (um die 150€) für die Zeit bekommen kann.
Ansonsten gibt es viele Zimmer in der Innenstadt, aber Vorsicht! Die Standards und Preise korrelieren nicht mit deutschen Verhältnissen! Natürlich kann man auch erst einmal in einem Hostel unterkommen und die weiteren Wohnpläne vor Ort klären.
Abenteuer Busfahrt
Mein erster Tag begann sehr sehr früh, da ich ja erst mit dem Bus "anreisen" musste. Hierzu muss gesagt werden, dass das einzige verlässliche öffentliche Verkehrsmittel in Dublin die "Luas" ist, die Stadtbahn. Leider hat sie nur 2 Linien, so kam sie für mich nicht in Frage. Stattdessen begab ich mich auf das Abenteuer "Busreise in Dublin". Dazu muss man wissen, dass es in Dublin leider keine Fahrpläne gibt. An den Haltestellen, wenn überhaupt, wird angegeben, wann der Bus an der ersten Haltestelle losfährt und wann er ungefähr an der letzten ankommen sollte. Für den Weg dazwischen kann man sich dann etwas zurechtraten.
Weiterhin reicht es nicht, einfach an der Haltestelle zu stehen, wenn der große, blau-gelbe Doppeldecker um die Ecke rast. Vielmehr muss man den linken Arm ausstrecken, um zu signalisieren, dass man einsteigen möchte. Dazu aufgepasst –in Irland herrscht Linksverkehr– ein Umstand an den ich mich bis zum Ende nicht wirklich habe gewöhnen können. Zum Glück steht auf den großen Straßen und großer weißer Schrift, woher die Autos kommen, so habe ich es vermeiden können, überfahren zu werden. (Auch wenn es manchmal recht knapp war, da die Iren auch generell nichts von Ampeln halten. Zwar gibt es überall welche, aber wenn man bei Rot nicht trotzdem geht, wird man schon schief angeguckt.)
Es empfiehlt sich für den Bus schon im Voraus ein Ticket zu kaufen – das kann man in der Innenstadt eigentlich an jedem Kiosk. Ich habe den "5 Day Rambler" für 25 € genommen, mit dem man jede Buslinie den ganzen Tag lang nutzen kann. Es gibt auch Kombitickets für die Luas und Bus – entsprechend teurer.
Wer ganz gewieft ist und ein internetfähiges Handy besitzt, holt sich gleich die kostenlose offizielle "Dublin Bus" App, mit der man seine Route nachsehen kann und eine "Real Time" Anzeige bekommt, wann sein nächster Bus kommt. Diese hat in den meisten Fällen auch gut funktioniert, sodass ich selten im Regen auf den Bus warten musste.
Handy und Internet
Selbst für einen Monat Famulatur lohnt es sich, hier eine irische prepaid SIM zu holen, die gibt es kostenlos zum Beispiel von meteor. Nach dem Freischalten und einem "Top-up" von beispielsweise 10€ kann man sich per SMS kostenlos mobiles Internet freischalten lassen – sehr praktisch. Da mein Freund auch bei meteor ist, hatte er mir im Vorfeld schon eine SIM-Karte besorgt, so konnten wir auch kostenfrei miteinander telefonieren. Aber in der Stadt sind überall meteor-Läden, in denen man schnell solch eine SIM besorgen kann.
Im Krankenhaus
Der allgemeine Dresscode in irischen Krankenhäusern ist Anzughose und Hemd für Männer und mindestens Stoffhose und Bluse für Frauen. Ich persönlich empfehle ¾-Ärmel, das macht die allgemeinen Hygienevorschriften einzuhalten einfacher und man ist doch auch beweglicher. Die Clogs für das "theatre" - den OP - musste ich selber mitbringen, "scrubs" wurden mir gestellt. Mir wurde zwar gesagt, dass ich einen Kittel mitbringen soll (den tragen hier jedoch nur Studenten!), gebraucht habe ich ihn jedoch nicht.
Cappagh National Orthopaedic Hospital ist ein rein elektiv-orthopädisches Krankenhaus, das ganz am Rande Dublins in Finglas liegt, direkt neben der Auffahrt ist eine riesige Weide mit Pferden und auch sonst ist die Umgebung schon eher ländlich. Das Krankenhaus wurde 1908 gegründet und das sieht man dem Gebäude auch an. Alles ist noch ziemlich alt mit niedrigen Decken und relativ dunklen Räumen.
Mit 160 Betten ist es ein wirklich kleines Krankenhaus, was aber den Vorteil hat, dass man sehr schnell Kontakt zur Pflege und zu den Ärzten bekommt und bald alle kennengelernt hat. Außerdem beeindruckend sind die Stationen, die sogenannten "Wards" in denen jeweils bis zu 9 Betten in einem Raum stehen und nur von Gardinen getrennt sind. Einzelzimmer gibt es nur auf der "semi-private" Station, die ursprünglich als Isolationsstation gedacht war. Auch hier kann die Schwester von einem Tresen aus durch Fenster alle Patienten genau im Blick behalten.
Verpflegung gibt es mit Vergünstigung in der Kantine. Hier kann man sowohl Frühstück essen (vor allem das typische irische Frühstück mit Toast, gebratenem Schinken oder Würstchen, Ei und "baked beans"), als auch Mittag- und Abendessen. Im Aufenthaltsraum der OPs gibt es gratis Suppe und Sandwiches sowie Kaffee, Tee und Kekse. Verhungern muss man also nicht.
Gewöhnungsbedürftig ist vor allem der irische Dialekt. Obwohl ich ein Jahr in Minnesota gelebt habe und von mir dachte, relativ gut Englisch zu sprechen, hatte ich am Anfang echte Schwierigkeiten, die Leute zu verstehen. Gerade wenn die Ärzte "scrubbed in", also eingewaschen sind und mit Mundschutz, fiel mir das Verstehen wirklich schwer. Nach 2 Wochen hatte ich mich dann aber an den Dialekt gewöhnt und die Verständigung hat gut geklappt. Trotzdem würde ich mir entweder ein kleines Wörterbuch oder noch besser, weil platzsparender eine App mitnehmen.
Da im Cappagh sehr viele Assistenzärzte sind, war es für mich leider kaum möglich selber praktische Erfahrung zu sammeln. Wer also selber an den Tisch möchte, ist hier eher fehl am Platz. Dafür habe ich trotzdem viel gesehen und gelernt, indem ich den Ärzten gefolgt bin, Anamnesen gemacht habe und Untersuchungen verfolgt habe. Auch das Beurteilen von Röntgenbildern fällt mir nun einiges leichter. An einigen Tagen war ich mit im OP, wo ich Knie- und Hüft-TEPs gesehen habe, sowie viele weitere orthopädische Eingriffe und als "Highlight" einmal eine Amputation nach Kompartment-Syndrom.
Drei der sieben OP-Säle hatten den Vorteil, dass eingebaute Kameras in den OP-Lampen eine "Vogelperspektive" des OP-Gebiets auf einen Bildschirm übertrugen, sodass ich immer verfolgen konnte, was gerade am Tisch passierte. Auch sonst waren die Säle relativ modern und die Hygienevorschriften sehr streng. Meine Arbeitszeiten habe ich dabei sehr flexibel mit meinem Betreuer absprechen können und auch ob ich beispielsweise mit in den OP wollte, oder in die Klinik zum "Follow-Up" oder zu den Voruntersuchungen.
Teilweise bin ich auch mit den Anästhesisten mitgegangen und habe dort zugeguckt. Dabei sind alle –ganz nach irischer Art– überfreundlich und haben mir viel erklärt und sich viel Zeit genommen. Die meisten sind auch von sich aus auf mich zugekommen und haben gesagt: "Komm mal mit, ich zeig dir das mal."
Auch Weiterbildungsmöglichkeiten in Lectures oder Klinikbesprechungen gibt es viele, es liegt an einem selbst, ob man das "mitnehmen" möchte, oder nicht. Besonders beeindruckt hat mich ein Oberarzt, Gary O'Toole, der während seines Medizinstudiums "so nebenbei" noch für Olympia geschwommen ist. Da Dublin eine sehr internationale Stadt ist, waren im Cappagh aber auch Menschen aus allen möglichen Ländern anzutreffen.
Erschreckenderweise sind in Irland die Hälfte der Bevölkerung nicht krankenversichert, was die Medizin anstrengend macht, da sich viele Menschen gewisse Rehabilitationsmaßnahmen oder selbst Maßnahmen zur gelenkschonenden Gewichtsreduktion (bspw. Schwimmen) einfach nicht leisten können. Auch werden in den ambulanten Kliniken weitaus mehr Patienten "durchgeschleust", als ich es aus Deutschland kenne.
Und wo gibt's Brot?!
Die irische Lebensweise unterscheidet sich sehr von der deutschen - dabei dachte ich, ich würde in kein exotisches Land fliegen! Die Menschen sind allesamt sehr offen und freundlich. Ich glaube, das Wort, das ich am meisten gehört habe, ist "Sorry", selbst wenn man selbst angerempelt wird, entschuldigt man sich. Auch ist es üblich sich für alles zu bedanken. Also lieber ein "Thank you" oder "Sorry" mehr eingestreut, als zu wenig.
Dublin ist unglaublich teuer. Die Lebenserhaltungskosten sind wahnsinnig hoch und ich habe während der Zeit bestimmt doppelt so viel Geld für Lebensmittel ausgegeben, als ich es in Deutschland tun würde. Dabei habe ich deutsches Brot SO vermisst! In Irland isst man eigentlich nur das bei uns unter dem Namen "Toastbrot" bekannte Brot. Selbst frisch gebackenes Brot vom Bäcker ist nur Weißbrot, ein Grau- oder Schwarzbrot sucht man vergebens. Auch wird zum Lunch eher nur ein Sandwich und eine Suppe gegessen und abends warm gekocht.
Anfangs habe ich in den schlecht isolierten Häusern sehr gefroren, zumal Dublin –am Meer gelegen– sehr feucht und windiges Wetter hat. Während meiner Zeit dort hatte ich ziemliches Glück mit dem Wetter, aber es empfiehlt sich, immer eine gute (!!) Regenjacke und am besten auch eine Regenhose und wasserfestes Schuhwerk zu tragen. Nicht umsonst ist das Wetter bei den Dublinern das Hauptgesprächsthema, denn es kann von einer Minute zur anderen von strahlenstem Sonnenschein zu Regen, zu Hagel und wieder Sonnenschein wechseln.
Dublin selbst ist eine lebensfrohe Stadt und in den Pubs, die nicht von Touristen überschwemmt sind, findet man Einheimische, die bei einem Guiness nach der Arbeit sitzen. Dublin hat eine ausgeprägte Pub-Kultur und die Iren sind auch sehr stolz darauf. Innerhalb der Stadt gibt es viele Möglichkeiten sich als Tourist auszutoben und zum Beispiel eine Tour durch die Guiness-Brauerei oder die Old Jameson Distillery. Angenehm ist, dass die National Museums allesamt kostenfrei sind.
Kommt man aus Dublin heraus, findet man eine wunderbare Heidelandschaft, die zum Wandern einlädt. Empfehlen kann ich Bray oder Howth, wo man direkt an den Klippen entlangwandern kann. Diese Orte erreicht man sehr schnell mit der Dart aus Dublin. Außerdem gibt es zahlreiche Bus Tours für Touristen, die ein- oder mehrtägig durch das Land fahren, sodass ich auch die Gelegenheit hatte, einmal die Westküste des Landes zu sehen und die Cliffs of Moher zu betrachten, eine Tour, die ich auf jeden Fall empfehlen kann, denn die Landschaft der Westküste unterscheidet sich noch einmal deutlich von der Ostküste.
Schlussendlich ...
... bin ich froh, dass ich mich für diese Famulatur entschieden habe. Nicht nur habe ich viel, wenn auch nicht unbedingt praktisches Wissen erlangt, sondern habe auch die krassen Unterschiede in der medizinischen Versorgung gesehen. Dabei fand ich besonders die Gegensätze erstaunlich, wenn man die riesigen Krankensäle, die aus einem alten Film zu stammen scheinen, den hochmodernen OP-Sälen gegenüberstellt. Auch den Dresscode war mir zunächst sehr befremdlich, da ich ihn für unpraktisch halte, zumal man nicht sofort sieht, wer da jetzt eigentlich Arzt und wer ein Besucher ist. Froh bin ich, dass ich meine anfänglichen Schwierigkeiten mit der Sprache überwinden konnte. Wer also Lust auf Orthopädie und keine Angst vor Wind und Wetter hat, dem kann ich eine Famulatur in Irland auf jeden Fall empfehlen.
Natürlich freue ich mich, weitere Fragen beantworten zu können. Schreibt mir dafür einfach an:
sabrina.groeer@gmx.de
Das Krankenhaus erreicht ihr unter:
Cappagh National Orthopaedic Hospital
Finglas
Dublin11
Cappagh National Orthopaedic Hospital