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  • Sandra Funke
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  • 21.10.2009

Auslandsfamulatur in Malang (Juli 2009)

Sandra Funke famulierte im Sommer 2009 in Indonesien. Der besondere Höhepunkt während ihrer Arbeit in der Gynäkologie war, dass Sie eigenhändig ein Baby zur Welt bringen durfte. In ihrem Bericht schildert Sandra, wie sie die Famulatur im Vorfeld organisiert hat, wie sich die Anreise gestaltete und welche Erfahrungen sie in Indonesien sammeln konnte.

Motivation

An meiner Uni hat plötzlich jeder von "Ausland" gesprochen, also hab ich mich auch entschieden, das Wagnis einzugehen und für eine Famulatur ins Ausland zu gehen. Weil mich Asien schon lange sehr fasziniert, habe ich mich für diesen Kontinent entschieden. Ich schaute mir nach dieser Entscheidung an, was die AMSA im Angebot hat.

Schließlich entschied ich mich für Indonesien, da sich in diesem Land Praktikum und Urlaub, so die Infos, gut verbinden lässt.

 

Bewerbung

Ich studiere an der Medizinischen Universität Wien, sodass meine Bewerbung über die österreichische AMSA . Hier musste ich mich im November 2008 für einen Platz bewerben. Das Ranking der AMSA geht nach abgeleisteten Famulaturen, Wahlfächern und Studienfortschritt.
Ende Dezember war dann entschieden, dass ich meinen Wunschplatz in Malang erhalten würde.

Nun musste ich noch einige Unterlagen einreichen wie Sammelzeugnis, Letter of Recommendation, Language Certificate, und einiges mehr, wobei mir die AMSA aber gut unter die Arme gegriffen hat. Außerdem musste ich die Vermittlungsgebühr von knapp 390 € an die AMSA überweisen. In den Gegenleistungen der AMSA enthalten sind die Vermittlung, die Unterkunft, sowie Essen und Sozialprogramm vor Ort.

 

Formalitäten

Es war zwar klar, dass ich den Famulaturplatz bekommen würde, allerdings gab mir die AMSA-Partnerorganisation in Indonesien (MSCIA) ziemlich lange nicht die Rückmeldung, ob sie mich zu meinem Wunschzeitpunkt nehmen können. Dann endlich, fünf Wochen vor Beginn der Famulatur, war die Zusage in meinem Briefkasten.

Daraufhin habe ich direkt ein Visum bei der indonesischen Botschaft in Wien beantragt. Da ich ursprünglich aus Deutschland komme, habe ich zusätzlich bei der indonesischen Botschaft in Deutschland angerufen und gefragt, wie das Verfahren abläuft; aber das war so kompliziert, dass ich mich dann doch dafür entschied, persönlich zur Botschaft in Wien zu gehen, wo ich recht komplikationslos für 35 € (in Deutschland kostet es 45 €) ein 60-Tages-Sozial-Visum bekam.

Ich habe dann noch bei der Allianz eine Auslandsversicherung mit allem Drum und Dran abgeschlossen. Das hat mich zirka 50 € gekostet - meiner Meinung nach eine gute Investition.

 

Anreise und Unterkunft

Ich bin mit Etihad Airways von München über Abu Dhabi nach Jakarta geflogen. Der Flug kostete 760 €. In Jakarta hatte ich eine Nacht Aufenthalt, und am nächsten Morgen bin ich weiter von Jakarta nach Malang geflogen (Flug mit Domestic Airline: ca. 35 €).

In Malang wurde ich dann sehr herzlich von ein paar Mädels der AMSA in Empfang genommen und zu meiner Gastfamilie gebracht.

Ich war mit zwei anderen Austauschstudentinnen bei einer sehr netten hinduistischen Familie in einem sehr großen Haus untergebracht. Vom ersten Tag an habe ich mich wohl gefühlt. Die Familie bestand aus Mutter, Vater, zwei Töchtern und einer Haushälterin, die immer tagsüber im Haus war.

Ich hatte mein eigenes großes Zimmer und teilte das Bad mit den Töchtern und den anderen beiden Austauschstudentinnen. Glücklicherweise hatte unser Bad eine normale Toilette und eine Dusche mit Warmwasser, was als absoluter Luxus gilt. Andere Familien hatten nur ein Stehklo und ein Mandi als Dusche. Ein Mandi ist ein gefliestes Becken mit Wasser, aus dem man sich mit einer Schöpfkelle kaltes Wasser über den Kopf schüttet.

Meine Kleidung wurde bis auf die Unterwäsche von der Haushälterin gewaschen und gebügelt.

Essen stand den ganzen Tag reichlich auf dem Esstisch und jeder konnte essen, wann er mochte. Die Basis der Mahlzeiten bildet jeweils der Reis, und dazu gab es dann täglich zwischen zwei und vier Gerichte, die meistens fantastisch schmeckten. Die Indonesier essen zu jeder Tageszeit das Gleiche. Mir ist es leider sehr schwer gefallen, morgens um 6 Uhr schon Reis mit Gemüse zu essen - deswegen habe ich mir schließlich Müsli für das Frühstück gekauft.

 

Krankenhaus

Meine Ausbildungsstätte war das Allgemeinen Krankenhaus Dr. Saiful Anwar in Malang. In diesem Krankenhaus verbringen alle Studenten der medizinischen Fakultät in Malang den Großteil ihrer letzten zwei Studienjahre. Dieses Krankenhaus ist das Größte in Malang und verfügt über alle Fachrichtungen der Medizin.

 

Alle Fotos: Sandra Funke

 

Ich habe 4 Wochen in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe famuliert. Diese Abteilung ist untergliedert in gynäkologische Onkologie, postpartale Beobachtung, Kreissaal und Poliklinik (Ambulanz), welche wiederum aus Reproduktionsambulanz, Schwangerenambulanz und gynäkologischer Ambulanz besteht.

Von zuhause solltet Ihr unbedingt ausreichend Desinfektionsmittel im Kitteltaschenformat, einen eigenen Kittel, Stethoskop, Lampe und Einmalhandschuhe mitbringen.

Alle weiblichen Studentinnen müssen ein Oberteil mit Kragen (Bluse oder Poloshirt) tragen und einen überknielangen Rock. Die männlichen Studenten Anzughose und Hemd mit Kragen! Die Farben der Kleidung sind nicht vorgegeben.

 

Erforderliche Sprachkenntnisse

Da sowohl die Studenten als auch die Ärzte relativ gut Englisch sprechen, kommt man mit Englisch allein gut zurecht.

Allerdings ist meine Empfehlung für alle die nach Indonesien wollen: Lernt vor der Reise ein paar Vokabeln Bahasa Indonesia! Die Indonesier freuen sich sehr, wenn Ausländer etwas Indonesisch sprechen, man erntet dadurch unglaublich viel Sympathie und es wird einem somit einiges erleichtert; das gilt sowohl für die Famulatur als auch für den eventuellen Urlaub danach in Bali und Co. Und am wichtigsten: Ihr könnt Euch so zumindest ein bisschen mit den Patienten unterhalten, die in der Regel gar kein Englisch sprechen.

 

Inhalte der Famulatur

Mein Arbeitstag begann morgens pünktlich um 7 Uhr mit dem Morning Report, wo die diensthabenden Ärzte der letzten Nacht auf Englisch die neuen Fälle vorstellten. Danach wurde meistens noch von einem Arzt ein Referat über ein ausgewähltes Thema auf Bahasa Indonesia gehalten. Der Morning Report dauert normalerweise eine Stunde.

Anschließend konnte ich mir aussuchen, wo ich meinen Tag verbringen wollte. Die meiste Zeit bin ich in den Kreissaal gegangen, wo es für mich persönlich am interessantesten war.

Einen zuständigen Betreuer hatte ich nicht, deswegen habe ich gleich am Anfang so viel wie möglich gefragt. So haben mir viele Ärzte die wesentlichen Dinge gezeigt und erklärt. Ich hatte die Möglichkeit, im Kreissaal Blut abzunehmen, vaginale Untersuchungen durchzuführen, den Leopold-Handgriff zu üben und ich durfte sogar einmal ein Baby entbinden, was das absolute Highlight für mich war.

 

Geburt gelungen ...

 

In der Poliklinik durfte ich einige vaginale Untersuchungen durchführen, wo ich weit fortgeschrittene Cervix- und Ovarialcarcinome ertasten konnte.
Ich bin auch einige Male mit in den OP gegangen, wenn ein Kaiserschnitt anstand. Dort habe ich aber natürlich nur zugeschaut.

Ansonsten war die Hauptaufgabe Observation, was etwas langweilig werden konnte, wenn keine Geburt anstand und in der Ambulanz nicht allzu viel los war. Wenn dem so war bin ich in die Notaufnahme gegangen, wo ich einige interessante Fälle sehen konnte.

Zwischen 13 und 14 Uhr bin ich dann immer nach Hause gefahren. Am Wochenende mussten wir nicht arbeiten. Wer wollte, konnte aber gerne einen Nachtdienst machen.

Die Hygiene im Krankenhaus lässt im Vergleich zu Deutschland teilweise sehr zu wünschen übrig: Die Ärzte und Studenten benutzen zum Beispiel so gut wie nie Desinfektionsmittel. Einmalhandschuhe werden desinfiziert, auf einem Wäscheständer getrocknet, danach gepudert und erneut verwendet. Sollte man beim Blut abnehmen "nicht treffen" wird mit der gleichen Nadel eine andere Stelle punktiert. Einen stichfesten Abwurfbehälter gibt es nicht und "Recapping" steht auf der Tagesordnung.

 

Handschuhe beim Trocknen

 

Im Emergency Room werden die hereinkommenden Patienten nach Dringlichkeit behandelt. Akut lebensbedrohliche Fälle werden sofort versorgt, alle Patienten, die keinen potentiell lebensbedrohlichen Ausgang haben, werden zunächst im Emergency Room abgesellt, bis ein Arzt Zeit hat, sich um sie zu kümmern. Dies kann schon mal einen ganzen Tag dauern. Dabei wird mit Schmerzmittel sehr sparsam umgegangen, da diese sehr teuer sind und von den Patienten selbst gezahlt werden müssen.

Im Kreissaal stehen etwa acht Betten nebeneinander, nur getrennt mit Vorhängen. Demnach ist es den Vätern auch nicht erlaubt mit in den Kreissaal zu kommen, da schlicht zu wenig Platz ist. Die Frauen liegen vom Zeitpunkt der Ankunft im Krankenhaus bis zur Geburt ihres Kindes auf dem Rücken. Als ich den Ärzten erzählt habe, dass sich die Frauen in Westeuropa aussuchen können, in welcher Position sie ihre Wehen durchstehen und in welcher Position sie ihr Kind zur Welt bringen möchten, wurde ich nur mit großen Augen angeschaut.

Die Indonesier zeigen keine großen Emotionen. demnach ist es auch nicht verwunderlich, dass Schmerz ziemlich still durchlebt wird. Ich habe kaum eine Frau bei einer Geburt schreien oder jammern hören.

Weil den Ärzten in Indonesien nicht die breite Diagnostikpalette wie in unseren Breitengraden zur Verfügung steht, müssen sie sich vorwiegend auf ihre Hände, Augen und ihre fachlichen Kenntnisse verlassen. Dadurch sind die Ärzte aber praktisch sehr kompetent und verfügen über ein breites Fachwissen.

Sowohl die Ärzte als auch die Studenten arbeiten jeden Tag von 7 bis 15 Uhr und müssen jeden dritten Tag einen 36-Stunden-Dienst ableisten.

 

Adresse des Krankenhauses

Rumah Sakit Umum Dr. Saiful Anwar
Jl. JA. Suprapto 2
Malang, Jawa Timur, Indonesia

 

Wichtige Internetadressen

AMSA Österreich

Indonesische Botschaft in Wien

Alle Indonesier, insbesondere Ärzte und Studenten, nutzen Facebook. Ich habe auch Administratives über Facebook erledigt, da die angegebene E-Mail-Adresse der indonesischen MSCIA nicht funktionierte.

 

Land und Kultur

Der Staat Indonesien ist der größte Inselstaat der Welt. Er wurde am 17. August 1945 proklamiert und am 27. Dezember 1949 von den Niederlanden unabhängig. Die Hauptstadt Jakarta hat etwa 18 Millionen Einwohner und liegt auf der Insel Java, auf der mehr als die Hälfte der Einwohner des Landes leben. Die äquatoriale Inselkette ist bezüglich Fläche und Einwohnerzahl der größte Staat Südostasiens, der weltgrößte Inselstaat sowie mit etwa 241 Millionen Einwohnern die viertgrößte Nation der Welt. Die Landfläche Indonesiens verteilt sich nach indonesischen Angaben auf 17.508 Inseln.

Mit der Unabhängigkeitsbewegung wurde in Indonesien Ende der 20er Jahre dieses Jahrhunderts auch der Ruf nach einer gemeinsamen, einheitlichen Staatssprache laut: "Ein Land. Ein Volk. Eine Sprache!" war ein verbreiteter Slogan, in dessen Gefolge erstmalig von einer "Bahasa Indonesia" ('Sprache Indonesien') die Rede war.
Es sollte aber noch bis zum 27.12.1949 dauern, bis die Republik Indonesien ihre Unabhängigkeit proklamieren und den Jakarta-Dialekt (Omong Jakarta) als Bahasa Indonesia (BI) zur Staatssprache erklären konnte. Seitdem ist die BI offizielle Sprache der Indonesier. Anzumerken bleibt, dass viele erst in der Schule mit der BI konfrontiert werden, und ansonsten ihre regionalen Sprachen pflegen, sodass mit Sicherheit nicht von einer auch nur annähernd so großen Zahl an Muttersprachlern der BI auszugehen ist.

88 % der Indonesier sind Muslime. Mit über 191 Millionen Moslems ist Indonesien der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung. 9 % der Bevölkerung sind Christen (ca. 6 % evangelisch und 3 % römisch-katholisch), 1,8 % der Bevölkerung sind Hindus (Bali, Lombok) und 1 % Buddhisten (meist Angehörige der chinesischen Minderheit). Die meisten Indonesier leben sehr religiös, Beten ein fester Bestandteil des Tagesablaufs, sowohl bei den Moslems als auch bei den Christen, Hindus und Buddhisten.

Über 27 % der insgesamt 241 Mio. Indonesier leben in Armut, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. Während in Java, der Hauptinsel des Landes, etwa 23 % der Menschen in Armut leben, gibt es manche Provinzen, besonders im Osten, in denen der Anteil der armen Bevölkerung bei 44 % liegt.
Besonders in Großstädten wie Jakarta gibt es ausgedehnte Slums. Auf Java gibt es etwa 1,7 Millionen Straßenkinder.

Das Medizinstudium an der Fakultas Kedokteran Universitas Brawijaya in Malang umfasst zwölf Semester. Die ersten acht Semester sind "preclinical", die letzten vier Semester sind "clinical", wo die Studenten, die sogenannten "Co-Ass" im Rumah Sakit Umum Dr. Saiful Anwar (Allgemeines Krankenhaus der Stadt Malang) durch alle medizinischen Fachrichtungen rotieren und auf den einzelnen Stationen unter Supervision der Residents (Assistenzärzte) arbeiten.

 

Freizeit

An den Nachmittagen bin ich entweder nach Hause gegangen und habe mich dort mit meiner Gastschwester oder den anderen Austauschstudenten getroffen, mal sind wir durch die Stadt geschlendert oder gingen shoppen.

An den Wochenenden hatten wir ein ausgedehntes Sozialprogramm. Wir waren mit unseren Gastgeschwistern und den Mitarbeitern der MSCIA mal am Strand, mal beim Rafting, mal auf dem Vulkan Bromo. Außerdem besichtigten wir einen Wasserfall und Thermalquellen. Einmal sind wir Austauschstudenten auf eigene Faust nach Yogyakarta gefahren.

 

Beeindruckende Ereignisse und Gegebenheiten

Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, nach Indonesien zu gehen und hier eine Famulatur zu machen. Weil ich bei einer indonesichen Familie wohnen durfte und mich mit vielen Indonesiern anfreunden konnte, habe ich die ganze Kultur und Lebensweise der Indonesier aus einer ganz anderen Perspektive kennen gelernt als ein "normaler" Tourist.

Es gibt so viele Gemeinsamkeiten, aber auch genauso viele Unterschiede zwischen unserer westlichen Kultur und der asiatischen.

Außerdem wird einem erst in solch einem Land bewusst, wie froh wir eigentlich in unserer westlichen Welt sein können. Ein so gutes Sozialsystem und jederzeit Zugang zu bester medizinischer Versorgung zu haben, ist schließlich nicht selbstverständlich für einen Großteil der Weltbevölkerung.

Das wohl beeindruckendste persönliche Erlebnis war, dass ich ein Baby auf die Welt holen durfte.
Aber auch die neuen Freundschaften, die ich mit den Indonesiern geknüpft habe, sind für mich von großer Bedeutung.

Meine Gastschwester hat mich einmal in einen hinduistischen Tempel mitgenommen, wo ich eine Hinduzeremonie mitverfolgen durfte und sogar selbst miteinbezogen wurde -in traditioneller Kleidung. Die Schwester meiner Gastmutter hat mir außerdem Legong Keraton Dance, den traditionellen balinesischer Tanz, beigebracht, was mich insbesondere für meinen nachfolgenden Aufenthalt in Bali sehr bereichert hat.

Insgesamt war dieser Aufenthalt eine tolle Sache und ich würde jederzeit wieder hinfahren. Der anschließende Urlaub auf Bali und Lombok hat den Sommer für mich perfekt gemacht.

 

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