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  • Bericht
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  • Christian Fleischhauer
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  • 13.03.2008

PJ-Tertial Chirurgie in Nizza

Das Chirurgie-Tertial im Praktischen Jahr führte Christian für vier Monate an die französische Mittelmeerküste. Dort wo viele Menschen einfach nur Urlaub machen, wollte er sich in der chirurgischen Praxis üben.

Nizza zählt mit fast 500.000 Einwohnern zu den großen Städten in Frankreich. Die herrliche Lage am Mittelmeer und fast 300 Sonnentage im Jahr verleihen der Gegend einen unglaublichen Reiz. Doch nicht nur die Region ist weltweit bekannt, auch die Universität "Nice - Sophia Antipolis" genießt internationales Ansehen.

 

Sprache und Bewerbung

Da in Frankreich fast ausschließlich Französisch gesprochen wird, ist es ratsam, zumindest Grundkenntnisse der französischen Sprache mitzubringen. Zwar verstehen einige Ärzte und auch die Studenten Englisch oder Deutsch. Es erleichtert jedoch die tägliche Arbeit, sich in der Landessprache verständigen zu können.

Die Bewerbung für mein PJ-Tertial richtete ich mit dem Fächerwunsch direkt an die medizinische Fakultät in Nizza. Für eine Famulatur empfiehlt sich das gleiche Vorgehen. Vom Büro für "Internationale Angelegenheiten" gibt es eine Übersicht über die freien PJ- und Famulatur-Plätze in den verschiedenen Krankenhäusern. Von hier aus wird auch die Vergabe, Planung und Einschreibung für den Praktikumsplatz übernommen.

Wichtig zu wissen ist, dass in Nizza die Praktika jeweils zum ungeraden Monat anfangen, also z.B. Januar, März oder Mai, und dann zwei Monate dauern. Für mein erstes Praktikum wählte ich "Chirurgie Vasculaire", also Gefäßchirurgie, im Hopital St. Roch, welches direkt im Zentrum von Nizza liegt. Die beiden folgenden Monate absolvierte ich in der Notfallchirurgie beziehungsweise der Notaufnahmestation im gleichen Krankenhaus.

 

Mein erster Einsatz - Gefäßchirurgie

Am ersten Tag des "Stage" in der "Chirurgie Vasculaire" gab uns der Chef, Professor Michel Batt, persönlich eine Einführung. Er erklärte den organisatorischen Ablauf und erläuterte, welche unsere Aufgaben sein würden. Gemeinsam mit sechs französischen Studenten und einer Erasmus-Studentin wurden ich auf zwei Stationen eingeteilt. Neben der Assistenz bei der täglichen Visite sollten wir Patienten aufnehmen, also untersuchen und die Anamnese erheben. Wichtig war, dass alle unsere Untersuchungen in den sogenannten "Dossiers", den Krankenakten, dokumentiert wurden. Außerdem sollten wir Laborbefunde selbständig interpretieren und auch diese in den Dossiers dokumentieren.

Neben der Arbeit auf Station konnten wir auch in den Operationssaal gehen. Da die französischen Studenten nachmittags meist Vorlesungen und Seminare besuchen mussten, war das meine große Chance, im OP praktisch tätig zu werden. So durfte ich bei vielen gefäßchirurgischen Operationen assistieren.

Jeden Montag, Dienstag und Freitag gab es am Vormittag die "Cours": Ein Facharzt erklärte in einem kleinen Vortrag bestimmte gefäßchirurgische Krankheitsbilder. Daneben wurden aber auch medizinisch relevante Dinge wie das Bearbeiten und Interpretieren von Studien durchgesprochen. Mich hat in den Kursen immer wieder beeindruckt, wieviel fachliches Wissen die französischen Studenten bereits mitbrachten.

 

Ausbildungssystem in Frankreich und "Stage"

Anders als bei uns, ist das Medizinstudium in Frankreich ähnlich einer schulischen Ausbildung - und das bis zum Facharzt. Nach dem ersten Studienjahr absolvieren alle Studenten einer Fakultät einen "Concours". Der Concours ähnelt unserem Physikum, jedoch ist die Durchfallquote viel höher. Von knapp 1.000 Studenten, die in Nizza an der Prüfung teilnehmen, bestehen nur 15-20% das Examen.

Ab dem zweiten Studienjahr beginnt in Frankreich die klinische Ausbildung. In vielen Punkten ist das klinische Studium in Frankreich mit unserer Ausbildung vergleichbar. Die Studenten haben genauso wie in Deutschland Vorlesungen, Seminare und POLs. Jedoch müssen die Studenten ab dem vierten Studienjahr immer vormittags "Stage" absolvieren: Hierbei sind sie auf verschiedenen Stationen eingeteilt. Sie gehören zum festen "Team" der jeweiligen Station und erfüllen definierte medizinische Aufgaben. Durch die Stage erfolgt schon sehr früh im Studium eine große Praxisnähe.

Nach dem sechsten Studienjahr gibt es ähnlich unserem Hammerexamen einen weiteren "Concours". Dieser ist besonders wichtig, denn das Ergebnis entscheidet darüber, wo und in welchem Fach die Facharztausbildung absolviert werden kann. Soll heißen: Je besser ein Student hier abschneidet, umso wahrscheinlicher kann er seine Fachrichtung und auch seinen Ausbildungsort wählen. Eine freie Wahl einer Weiterbildungsstelle wie in Deutschland gibt es in Frankreich nicht.

 

Unfallchirurgie und SAMU

Der zweite Teil meines Tertials brachte mich auf die "Chirurgie Urgence", was ähnlich einer chirurgischen Notaufnahmestation ist. Die Patienten kamen über die Notaufnahme direkt auf unsere Station und wurden hier weiterbehandelt oder für eine Operation vorbereitet. Meist handelte es sich um viszeralchirurgische Eingriffe, bei denen ich assistieren durfte.

Wie auch beim ersten Stage war ich zusammen mit französischen Studenten eingeteilt. Gemeinsam begleiteten wir die tägliche Visite und sprachen im Anschluss über Diagnostik und Therapie unserer Patienten. Professor Patrick Baque, der Chef der Abteilung, wollte zu jeder Diagnose immer gleich mehrere Differenzialdiagnosen hören. Auch waren ihm die "mot-clé" wichtig, also Schlüsselwörter zu den Krankheiten. Anders als bei unseren "Multiple Choice"-Prüfungen, müssen die französischen Studenten in ihren Examina kleinere Texte schreiben. Diese enthalten im Idealfall alle für die beschriebenen Krankheiten wichtigen Begriffe.

Im Rahmen meines Tertials auf der "Chirurgie Urgence" hatte ich auch die Möglichkeit, das französische Notarztsystem SAMU (Service d´aide medicale urgent) kennen zulernen. Eine Woche lang konnte ich auf einem Notarztwagen hospitieren und in der Notrufzentrale gemeinsam mit einem Arzt Notrufe entgegen nehmen. Anders als in Deutschland werden die Anrufe für lebensbedrohliche Zustände direkt von einem Arzt angenommen. Er bespricht mit dem Anrufer gezielt den Notfallhergang. Nach der telefonischen Anamnese wird entschieden, ob ein Arzt notwendig ist oder nicht.

 

Freizeit in Nizza

Neben der täglichen Arbeit im Krankenhaus kann man in Nizza natürlich auch viel unternehmen. Die Stadt bietet mit über 22 Museen eine große kulturelle Vielfalt. Nicht umsonst bewirbt sich die Metropole als Kulturstadt Europas 2013.

Aber auch die Region Alpes-Maritime bietet viel Sehenswertes. Städte wie Antibes, Cannes oder Menton laden zum Bummeln und Flanieren ein. Ein besonderer Höhepunkt ist sicherlich auch der Stadtstaat Monaco, der nur etwa dreißig Kilometer von Nizza entfernt liegt.

 

Unterbringung und Finanzen

Für eine Famulatur oder ein PJ Tertial müssen deutsche Studenten derzeit keine Studiengebühren an der Uni Nizza bezahlen. Jedoch erhalten sie, anders als die französischen Studenten, auch kein Geld oder eine monatliche Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit.

Wer in Nizza eine Unterkunft benötigt, kann direkt an der Fakultät nachfragen. Sie vermittelt Plätze in einem der Studentenwohnheime. Ein Zimmer in einer WG können Studenten darüber hinaus am schwarzen Brett der Fakultät finden. Jedoch solltet Ihr bedenken, dass die Cote d'Azur eine der teuersten Regionen Frankreichs, sogar Europas ist - das gilt insbesondere für Nizza. Dieses spiegelt sich in den Preisen für ein Zimmer (zwischen 250 - 350 EUR), aber auch in allen anderen Preisen wider!

Trotz der Preise bleibt die Gegend meiner Meinung nach eine der attraktivsten in Europa, und es lohnt sich, dort zumindest ein wenig Zeit zu verbringen!

 

Fazit

Das PJ-Tertial in Nizza war für mich eine beeindruckende Zeit. Im Krankenhaus habe ich auf beiden Stationen einen guten Einblick in die Chirurgie bekommen. In allen Bereichen wurde mir außergewöhnlich viel erklärt und gezeigt.

Wer wegen möglicher Sprachprobleme zweifelt, dem kann ich empfehlen, es dennoch zu versuchen. Es lohnt sich auf jeden Fall und ihr könnt neben der Medizin noch eine Weltsprache erlernen - eine tolle Gelegenheit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

 

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