Zurück zu China
  • Bericht
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  • Nadine Osterfeld
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  • 06.09.2004

Famulatur im Tongji Krankenhaus - Teil 2

Im zweiten Teil ihres Famulaturberichtes erzählt Nadine von ihrer Heimreise und fasst zusammen, was sie während ihrer Zeit in China gelernt hat.

Zurück zu Teil 1

Auf dem Weg nach Hause

13. Mai 2004 - Gerade hat das Lufthansaflugzeug vom Boden abgehoben, dass mich wieder nach Deutschland bringen wird. Unter uns verschwinden die Wolkenkratzer der Stadt in den tief hängenden Wolken, die allerdings auch Smog sein könnten. Das Flugzeug beschreibt einen Bogen, um seinen Kurs auf Chengdu auszurichten. Die letzen 5 Tage habe ich noch in Hongkong verbracht, wo einen schon ein leichter Hauch vertrauter westlicher Atmosphäre umgibt. Die Stadt ist ein Schmelztiegel von westlichem und östlichem Lebensstil. Wolkenkratzer stehen direkt neben chinesischen Vierteln, in denen chinesische Medizin und Tant feil geboten wird. Im hektischen Kowloon und dem busy Hongkong Island gibt es christliche Kirchen verschiedener Abspaltungen. Auf den vorgelagerten, oft autofreien Inseln, gibt es viel Ruhe und buddhistische Tempel. Hongkong bietet für jeden etwas und für mich einen ruhigen fünftägigen Abschied von China - mit Ansätzen der Reflexion.

Wenn ich jetzt China verlasse, werde ich wahrscheinlich so bald nicht wieder herkommen. Die 3 Monate, die ich hier verbracht habe, haben einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen, und auch einige meiner Lebenseinstellungen, meine Sicht von Deutschland, China, den verschiedenen Kulturen und Religion geändert, beeinflusst oder gefestigt. Wer mich nun fragt inwiefern oder wieso, dem kann ich nur antworten, dass so ein Besuch in einem fremden Land auf jeden Menschen anders wirken wird. Der eine findet Sachen toll, die dem nächsten jedoch nicht unbedingt auch gefallen werden. Individuell wird sich jeder eine andere Meinung und einen anderen Standpunkt bilden. Auf jeden Fall ist China ein spannendes, interessantes Land und eine Reise wert, um seine eigenen Erfahrungen mit Land, Leuten und Lebensweise zu sammeln.

 

Fazit

Über China

China ist auf jeden Fall eine kürzere oder längere Entdeckungsreise wert! Die Leute sind sehr, sehr freundlich und hilfsbereit und zeigen viel Geduld bei den kürzer oder länger dauernden Versuchen, sich in brockenhaftem, schlechtem Chinesisch verständlich zu machen. Es ist spannend, alleine oder auch zu mehreren durch die Gegend zu reisen, und die zum Teil wirklich wunderschönen Landschaften und Sehenswürdigkeiten Chinas zu besichtigen.

Über die Famulatur

Auch die Famulatur war eine Erfahrung wert. Um „Neues dazuzulernen“ habe ich sie nicht unbedingt als hilfreich empfunden, da man oft nur dabei stehen kann und zugucken (was einem ja auch schon etwas bringen kann), aber sehr wenig wirklich „tun“ kann. Das liegt zum Großteil natürlich wieder daran, dass die Sprachbarriere einem sehr im Wege ist, wenn man kein Chinesisch kann. Patientenbefragungen fallen so von vornherein weg, außer durch Beisein eines sehr engagiertem Übersetzers. Die Visiten werden natürlich auch immer in Chinesisch gehalten, und so ist man auch dort auf einen Übersetzer angewiesen. Dazu braucht man dann auch noch das Glück, jemanden in seiner Gruppe zu haben, der Englisch oder Deutsch spricht, was nicht unbedingt selbstverständlich ist, aber sich in den nächsten Jahren bestimmt bessern wird.

Auch war es ziemlich oft so, dass gar nicht so viel gemacht wurde, und die Ärzte einen großen Teil des Tages damit verbringen, lange Arztbriefe und Dokumentationen zu schreiben (bes. in der Gyn). In China haben auch die Schwestern nicht alle die Aufgaben, die die Krankenschwestern zu Hause übernehmen, sondern der Patient muss z.B. selber dafür sorgen, dass er zu Essen bekommt, dass ihm beim Waschen und Anziehen geholfen wird, oder dass jemand die Krankenhaus- oder Medikamentenrechnungen für ihn bezahlt. Da allerdings im Zuge der Entwicklung Chinas auch der Familienverband, in einem Land in dem die Familie eine so große, wichtige Rolle im Leben des Einzelnen spielt, auseinander zu brechen droht, sind viele Patienten darauf angewiesen, einen Betreuer einzustellen, der ihnen zur Sicherstellung ihres Wohlergehens und des reibungslosen Ablaufs im Krankenhaus zur Seite steht. Dieser ist quasi 24 Stunden am Tag für sie da, und erledigt alle anfallenden Geschäfte. Allerdings ist das in der Gyn nicht so häufig anzutreffen, wie z.B. auf der Akupunkturstation, wo die Patienten wirklich monatelang im Krankenhaus verbringen und auch aufgrund ihrem Leiden nicht so mobil sind, wie die Frauen auf der Geburtshilfe. So sind dort oft Querschnittsgelähmte, auch sehr junge Patienten, anzutreffen.

Über Akupunktur

Wenn man wie ich keine Ahnung von Akupunktur hat, finde ich es sehr schwer etwas zu verstehen und der Theorie zu folgen, da ich es eher als eine Art Philosophie, und nicht als „evidence based medicine“ empfunden habe. Trotzdem ist es natürlich interessant mal reinzuschnuppern und zu sehen wie ernst Ärzte und Patienten diese Behandlung nehmen (im Gegensatz zu Deutschland, wo Akupunktur und ähnliches häufig noch eher belächelt wird), und dass es tatsächlich Erfolge zu geben scheint.

Über das Krankenhaus

Das Tongjikrankenhaus war, als ich dort war, in einer Phase des großen Umbaus. Neue Gebäude wurden gerade fertig gestellt, und die gesamte Chirurgie ist so zu meiner Zeit in ein neues Haus umgezogen. So wird sich auch jetzt das äußere Erscheinungsbild des Krankenhauses stark verändern, und sich die Standards, die noch nicht ganz so sind wie in Deutschland, sehr wahrscheinlich verbessern. So sind die Patienten häufig in Achtbettzimmern untergebracht, bei Zimmermangel auch häufig auf dem Flur, und auf hygienische Maßnahmen (Händedesinfektion, sterile Unterlagen bei Verbandswechsel etc.) wird nicht so viel Wert wie in Deutschland gelegt (obwohl man dazu auch anmerken kann, dass die Deutschen in dieser Hinsicht äußerst pedantisch genannt werden könnten).

Insgesamt wird man im Krankenhaus äußerst freundlich willkommen geheißen, und man weckt auch heute noch, aufgrund seines Aussehens und seiner Herkunft, reges Interesse (obwohl meines nicht minder war). Man kann so wirklich aus tiefstem Herzen sagen, dass es hier zu einem Kulturaustausch und gegenseitiger Wissenssteigerung über das andere Land gekommen ist.

 

Über Sprachbarrieren, Gehalt und Aussehen

Betreffend die Sprachbarriere sind wir in China auf einen Boom von „Wir lernen jetzt Englisch“ - Büchern gestoßen und in den Schulen wird es zu einem sehr wichtigen Fach. Oft wird man so auf der Straße von kleinen Schulkindern angesprochen, die ihr Englisch praktizieren wollen. Aber man gewöhnt sich schnell daran, in der 8,3 Millionen Stadt Wuhan, in der es (angeblich) nur ungefähr 1300 Ausländer gibt, angesprochen zu werden, oder einfach von Einheimischen interessiert angeguckt zu werden, für die man als Ausländer noch immer eine kleine Rarität ist, und somit natürlich auch „Point of interest“. Oft wird man gefragt, aus welchem Land man kommt und was man macht; wenn die Konversation tiefer geht, welche anderen Länder man schon besucht hat, oder wie viel Geld man im Monat bekommt. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich dabei oft unwohl, weil 500 Euro hier 5000 Yuan sind, das Gehalt, was ein Professor hier an der Uni bekommt, und es mir unangenehm ist, von Reisen zu erzählen, weil sehr viele Leute in China sehr, sehr wenig Geld haben und so nicht viel reisen können, geschweige denn einen Pass haben, um überhaupt ausreisen zu können.

Wegen seinem Aussehen bekommt man oft, und manchmal sehr lustige Komplimente gemacht, z.B., dass man aussehe wie ein Filmstar oder wie ein Model, und dass man ein sehr schönes dreidimensionales Gesicht hätte. Das mit dem Model hat sich dann allerdings für eine andere Studentin aus Berlin und mich dann auch bestätigt, als wir von einem seriösen, über die Uni vermittelten Photographen für eine Modefirma einen ganzen Tag lang Photos gemacht haben, und danach daraus ein wirklich professionell aussehender Katalog erstellt worden ist.

Insgesamt hat es mir sehr gut gefallen und ich würde diese Famulatur jederzeit wieder machen.

 

Nützliche Infos

Visum

-50 Tage vorher besorgbar in der chinesischen Botschaft in Bonn, München oder Berlin, oder per Visumservice. Kosten zwischen 20-50 Euro.

Impfungen

Hep A, Hep B, Typhus
Tollwut nicht notwendig, wenn man die Städte nicht verlässt (im Krankenhaus werden ungefähr jeden zweiten Tag Leute gegen die „Crazy-dog-disease geimpft,z.B. nach Hundebiss), nur überlegenswert bei geplantem Überlebenstraining in der Pampa. Ansonsten zu teuer und zu aufwendig, auch übersteigen die Komplikationsrisiken das Infektionsrisiko.

Unterkunft

Die Deutschen, die im Tongji-Krankenhaus famuliert haben (es gab auch welche, die im Union Hospital waren), waren im „Foreign Students Building“ auf dem Campus untergebracht, jeweils zu zweit in einem Zimmer (auch gemischt-geschlechtlich möglich): die Zimmer, an die jeweils ein kleines Badezimmer angeschlossen ist, werden jeden Tag vom Zimmermädchen gesäubert, und das Bett wird frisch gemacht - Luxus pur!

Die Wohnatmosphäre ist sehr angenehm, und man kann auch andere ausländische Studenten, Sprachlehrer oder ausländische Ärzte kennen lernen. Unten im Haus gibt es eine kleine Mensa, die große Mensa und das Krankenhaus sind quasi nebenan.

Wenn man nicht über ein Austauschprogramm nach Wuhan kommt, kann man sich auch privat bewerben (per Email ans International Exchange Office). Die Studiengebühr für 4 Wochen beträgt dann ca. 150$, die Unterkunft ebenfalls.

Krankenhaus

Kittel bekommt man gestellt, evt. Desinfektionsmittel mitnehmen.Bücher der gängigsten Fächern (vor allem Gyn, Derma und Akupunktur) sind vorhanden, also braucht man an Fachbüchern nichts weiter mitnehmen. Man sollte eher an etwas „Normales“ zum Lesen denken, weil es nicht viele englischsprachige, geschweige denn deutsche Literatur gibt... Gelesenes und wegen Übergepäck nicht mit zurücknehmbare Bücher kann man dort lassen, oder verschenken...

Kontakt

Zugegebenermaßen kommt man mit anderen Studenten nicht so in Kontakt, wenn man zusammen mit einem anderen Deutschen auf Station ist. Wenn man alleine ist, so war meine Erfahrung, ist man mehr „gezwungen“ sich einzugliedern und auch den anderen Studenten fällt es leichter, sich an „den Ausländer“ heranzutrauen und Sprachkenntnisse auszutesten.

So wurde ich für den einen Doktor z.B. zu seinem persönlichen „Englishteacher“ – mit meinen selber nicht vollkommenen Sprachkenntnissen - und wir haben so im Laufe des Tages immer sehr viel gequatscht. Außerdem wird man als Einzelner auch schneller eingeladen, wodurch ich einige sehr interessante Abendessen und Feiern miterleben konnte. Alle waren immer sehr freundlich, interessiert und offen zu mir, was mir sehr gefallen hat.

Auch jetzt habe ich noch mit einigen chinesischen Studenten und Ärzten Kontakt, zwar nicht regelmäßig, aber immer mal wieder. Es sind oft lustige Emails dabei - so habe ich für eine Chinesin, die Deutsch lernt, einen Aufsatz über Naturkatastrophen für ihren Deutschunterricht verfasst. Ein anderer schreibt mir, weil ich die einzige Deutsche bin, die er kennt, und er gerade an mich gedacht hat, da er das EM- Fußballspiel Deutschland gegen die Niederlande gesehen hat. Ein anderer will mit mir per Email Englisch trainieren und fragt mich bei der Gelegenheit, ob mein Boyfriend auch so fett ist wie Helmut Kohl. Also es macht immer Spaß diese Emails zu lesen!

Anreise

Sta-travel hat günstige Flüge. Wenn ich noch mal hinfahren würde, würde ich in eine der großen Städte fliegen und von dort mit dem Zug fahren. Hotelrezeptionen besorgen Fahrkarten (für den Nachtzug am folgenden Tag; Fahrt 12-18 Stunden), in Hongkong (bestimmt??!!) auch selbst möglich, weil ja Englisch gesprochen wird (eigentlich...)Am besten Hardsleeper buchen (billig, Bett, angenehm). Meiner Meinung nach das mittlere Bett nehmen- im obersten ist es zu eng, weil die Decke so nah ist und im Untersten sitzen andere mit drauf und alles fällt von oben runter.

Nette Unterkünfte

In Shanghai: das Captainshostel in der Fuzhou Road am Bund. Im Dorm 5,5 Euro.In Hongkong: Ascension House (www.ascensionhouse.com). Außerhalb, aber sehr nett und auch nicht zu schwer zu erreichen, mit 120 HK$= 12 Euro sehr billig für HK und sehr gut.

Hotels im Allgemeinen

Kostenpunkt: Zwischen 1Euro - 25 Euro ( z.B. 5 Sterne in Xi´an) ist alles möglich. Auf jeden Fall versuchen zu handeln, und wenn man es haben will, nach warmem Wasser und Heizung unbedingt in den kleineren Hotels fragen, ob es verfügbar ist. Alle Hotels in denen ich war, waren wirklich sauber, und das Personal nett. Alle freuen sich immer, wenn man versucht chinesisch zu reden und um den Preis zu handeln- also nur Mut (die Chinesen können ja auch kein Deutsch)!!!

 

Das Land bereisen

Das ist gar nicht so schwer und alleine (also ohne chinesiche Begleitung) unbedingt machbar, auch wenn die chinesischen Studenten darüber immer sehr erstaunt waren, dass man es schafft, sich in China als nicht chinesisch sprechender Ausländer alleine durchzuschlagen. Ich habe mich bisher auch in keinem anderen Land so sicher gefühlt, wie in China, da es sehr wenig Kriminalität gibt und z.B. auch Männer gegenüber alleinreisenden Frauen sehr zurückhaltend und höflich sind. Ich habe in den ganzen 3 Monaten keine einzige anzügliche Bemerkung oder sonstiges negatives erlebt, außer einmal den Geldbörsenklau bei einer Freundin, was aber ja wirklich überall passieren kann.

 

Wo man hinfahren sollte

Lust auf Städte?

Beijing
Verbotene Stadt, Tian´amen, Himmelstempel, Sommerpalast, Große Mauer

Xi´an
Terrakotta-Armee; die Stadt an sich, mit der schönen Stadtmauer und dem äußerst gepflegten Stadtbild

Hong Kong
Viktoriapeak mit sehr schönem Rundwanderweg, vorgelagerte Inseln

Shanghai
Cloud Nine Cafe, mit tollem Rundblick über Shanghai, oberhalb des Hyatt Hotels. Hochfahren umsonst, oben dann Café. Wenn man sich in der Stadt etwas Ruhe wünscht: zum Starbucks auf der Pudong-Seite fahren.

Suzhou
mit seinen sehr gepflegten und schönen Gärten, in denen aber sehr viele Touristen rumwuseln

Lust auf Landschaft?

Drei Schluchten; Huang Shan; Wudang Shan; Guilin (Yangshou)...habe ich selbst nur vom Hörensagen mitbekommen; New Territories Hong Kong

 

Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung: Nadine Osterfeld, Heidelberg

youwish@gmx.de 

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